„Sieh dir nur diesen riesigen Bauch an. So kugelrund und schwer...”, waren die Worte aus dem Mund einer zarten Sin'dorei mit langem, rot gelocktem Haar, während sie mit ihren weichen Handflächen über ihren wohlgerundeten Bauch fuhr. „Und so wunderschön...”, schwärmte ihr Gatte und drückte einen zärtlichen Kuss auf die Haut seiner Liebsten. „Sie fühlt sich wie eine Aphira an., grübelte die Frau lächelnd. Wie kann sie sich denn nach einer Aphira anfühlen?”, fragte ihr Mann schmunzelnd und streichelte den Bauch. „Ich kann es nicht sagen. Dieser Name fiel mir gerade ins Gedächtnis und er schmeichelt mir sehr.”, antwortete sie und fuhr mit ihrem Blick die Bewegungen ihres Kindes nach, die durch die Bauchdecke zu erkennen waren. Sie grinste, als eine vermeintliche Faust versuchte sich durch die Bauchdecke zu kämpfen. Sie legte zwei ihrer Finger auf die kleine Faust und streichelte sie durch die Hautschicht. Es war, als würde sie bereits jetzt eine besondere Bindung zu ihrem Kind haben. Sogar durch die Bauchdecke spürte sie die Knochen und die Konturen der Hand. Plötzlich löste sich die Faust auf und die Finger entfalteten sich weiträumig, als würden sie versuchen, nach ihr zu greifen. Somit begann ein neuer Abschnitt im Hause Sunblood. Mit der Geburt ihrer wunderbaren Tochter, Aphira Sunblood.
Doch die wunderbaren Zeiten waren lange vorüber. Aphira war längst nicht mehr das glückliche, aufgeweckte Mädchen, welches dem Klang der Lieblichkeit folgte. Jetzt folgte sie dem Klang der Stille und der Leere. Dem Klang des Untods.
In einer staubigen Ecke des Zimmers kauerte sie, lieblos und gebrochen, abgeschnitten vom Rest der Welt. Sie wollte nichts von der Außenwelt wissen, geschweige denn hören oder sehen. Sie wollte nur in dieser Ecke sitzen und dort auf ewig bleiben, bis der Tod sie irgendwann vollständig einholte. Sie war nicht mehr das, was sie einst gewesen war, nur noch eine Elfe, die bereits ein Mal gestorben war und unfreiwillig zu einer Untoten gemacht wurde. Sie wollte Einsamkeit, doch ganz tief in ihrem Inneren sehnte sie sich nach Armen, die sie fest umschlossen und ihr Trost spendeten.
Ein unerwarteter Besuch sollte bald in ihre Einsamkeit platzen und sie würde alles andere als begeistert sein. Zumal sie nichts von der baldigen Besucherin wusste, da die Banshee es, ohne ihr ein Wort zu sagen, veranlasst hatte. Sie glaubte, es würde ihr eine Stütze sein, doch noch ahnte sie nicht, welch Unheil es über sie bringen würde. Aphira war gespalten, sie würde nie mehr die Elfe sein, die früher immer der größte Sonnenschein der Familie war. Jetzt war sie nur noch ein gebrochener, grauer Kloß, der den Sinn des Lebens verloren hatte. Ein Leben, welches nicht mehr lebenswert schien.
Die baldige Besucherin war bereits auf ihrem Weg in die von Aphira selbstgeschmiedete Hölle. Immer näher rückten die Schritte zu der mächtigen, schweren Tür, hinter der sich ein schauriger Anblick verbarg. Langsam öffnete sich die Tür und zum Vorschein, kam eine Gestalt, die Aphira nur allzu vertraut war und die sie auf Anhieb erkannt hätte, säße sie nicht mit dem Rücken zur Tür gerichtet. Ein erschrockenes Keuchen entwich der noch fremden Frau und augenblicklich ergriff sie ihr schwer schlagendes Herz. „Mein Liebling...", hauchte sie ergriffen. Aphiras Augen weiteten sich panisch, als sie die Stimme ihrer Mutter erkannte. Das durfte nicht sein. Sie durfte sie so nicht sehen. Was hatte sich Sylvanas dabei gedacht, als sie erneut die Kontrolle über Aphiras Leben übernahm und ihre Mutter nach Unterstadt einreisen ließ? Als würde sie ihr bei ihrem schmerzhaften Prozess zu verarbeiten, helfen. Sie fühlte sich kontrolliert und hintergangen. Als wüsste die Banshee, was gut für sie sei. Im Moment sehnte sie sich nach Einsamkeit, doch die Banshee wusste diese zu unterbrechen.
Noch immer steckte Aphira in ihrer Schockstarre, sie wagte es nicht, sich zu wenden, geschweige denn ihren Kopf zu drehen. Sie wollte nicht ihr untotes, leeres Gesicht zur Geltung bringen. Nicht vor ihrer Mutter.
„Zeig dich, Liebes." Der liebliche und bestimmte Klang ihrer Stimme brachte Aphira zu Tränen, doch der Drang ihr Gesicht weiterhin zur Wand gerichtete zu lassen , war zu groß. „Ich kann nicht...", wimmerte sie leise unter tränengetränkten Augen. „Doch du kannst!", rief ihre Mutter und ging schnellen Schrittes auf sie. Sie griff unter ihre Arme und richtete sie vor sich auf, dann nahm sie das fahle, verweinte Gesicht ihrer Tochter in ihre Hände. „Eine Sunblood hört nie auf kämpfen, hörst du? Eine Sunblood durchsteht alle Zeiten, so schwer sie auch sein mag, denn die Sunbloods sind zum Überleben geboren worden!", begann ihre Mutter, die auf den Namen Aurelie hörte „Aber nicht ich...Ich habe nicht überlebt...Ich habe versagt..." „Du hast niemals versagt!", rief Aurelie. „Sieh mich doch an! Ich bin ein Monster, Sylvanas hat ein Monster aus mir gemacht! Ich bin ein Nichts!" „Für mich bist du das Wertvollste aller Zeiten!" „Ich fühle mich dreckig..." „Das bist du nicht!", rief Aurelie, während sie selbst mit den Tränen kämpfte. „Herrje, Liebling! Zwar bist du eine Verlassene, doch du bist und bleibst eine vollblütige Sin'dorei! Ich liebe dich und nichts wird jemals etwas daran ändern! Du musst dich akzeptieren, dich selbst wieder lieben lernen! Nur so befreist du dich aus deinem eigenen Käfig." „Sylvanas ist Schuld an diesem..." „Es wird dir nicht helfen, ihr die Schuld zu geben. Das ändert gar nichts!" Aphira senkte ihren Blick. „Mache das Beste aus deiner Situation! Dein Großvater hätte es so gewollt." Es waren Worte, die Aphira früher oder später die Augen öffnen würden. Doch vorerst hatte sie ein Hühnchen zu rupfen, sobald ihre Mutter abgereist war.
Ihre Mutter hatte bereits die Abreise angetreten. Aphira versetzte sich in einen alkoholischen Zustand, um sich für wenige Stunden zu vergessen. Doch dies würde sie später bereuen, da sie sich wortwörtlich vergaß.
Angetrunken torkelte sie zu Sylvanas' privatem Audienzsaal und hämmerte lallend dagegen. „Aufmachen!", rief sie deutlich hörbar. Entgeistert öffnete die Banshee die Tür, statt üblicherweise "Herein" zu rufen. „Ihr seid Schuld an meinem entsetzlichen Leid!" lallte sie, während jede einzelne Silbe eine dramatische Betonung bekam. „Großer Gott..",murmelte Sylvanas und wurde von Aphira zur Seite geschoben, die drauf und dran war, einen großen Fehler zu begehen. Sie wanderte orientierungslos durch den Saal und suchte offenbar etwas, um es zu zerstören. „Ihr habt mich zerstört! Und jetzt muss ich mich rächen..!" Sie war nur schwer ernst zu nehmen, doch ihre Worte hatten eine tiefgründige und schmerzhafte Bedeutung, die Sylvanas zu gut erkannte. „Seht mich doch an! Ich mein's Ernst, schaut hin!" Sylvanas richtete ihren Blick auf die betrunkene Elfe, die vollkommen die Kontrolle über sich verloren hatte. „Das reicht jetzt Aphira." „Nein, es reicht nicht! Nichts reicht, versteht ihr? Gar nichts!" Plötzlich brach Aphira in Weinen und Wimmern aus. „Ich will nicht allein sein..",winselte sie, während sie weinend vor Sylvanas stand. „Ich werde euch zerstören!!", rief sie und verpasste der Banshee einen Schubs, die jedoch nur einen Schritt zurück ging. Aphira schlug mit den fahlen Händen auf Sylvanas' Schultern und ließ ihren Frust und ihren Zorn an ihr heraus. „Ich bringe euch zurück.", sagte sie bestimmt, packte Aphira an den Beinen, legte sie über ihre Schulter und ging dann in das Zimmer der krächzenden und gröhlenden Elfe. „Nein! Lasst mich sofort runter!" Aphira schlug geschwächt gegen den Rücken der Banshee, doch nie hätte sie sich befreien können. „Ich will ruuunter!", schrie sie verwahrlost, doch Sylvanas legte sie erst im Zimmer auf ihrem Bett ab. Sie atmete schwer aus und betrachtete die jetzt schweigende Elfe, die sie musterte. Aphira setzte sich auf und beruhigte sich nach einer Weile wieder, während die Banshee sie in ihr Bett verfrachtete. „Das gefällt mir jetzt aber gar nicht..",knirschte Aphira in ihrem angetrunkenen "Akzent". „Mir ebenfalls nicht...",murmelte Sylvanas kaum hörbar.
DU LIEST GERADE
Broken Spirit #Wintertraum 18 | Abgeschlossen
FanfictionIn meiner Fanfiction „Broken Spirit", die auf dem MMO „World of Warcraft" basiert, geht es um eine junge Blutelfe, die durch einen mysteriösen Vorfall nach Unterstadt gelangt und nach der Begegnung mit Lady Sylvanas Windrunner, der Königin des Volke...