Fluchtgedanken

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Er hebt die Hände und setzt ein ernstes Gesicht auf.
"Wehe du lässt jetzt meinen Kopf explodieren!"
Ich weiß, dass er es nicht ernst meint, sondern aus Spaß, es tut trotzdem weh. Ich will Menschen helfen und nicht, dass sie Angst vor mir haben müssen.
Er sieht ungewohnt aus. Bucky hat seine Haare zu einem Dutt gebunden und trägt eine Jogginghose. Ich habe ihn, bis jetzt, immer nur komplett in schwarz gekleidet und bewaffnet gesehen.
Ich steige über die kaputte Tür auf dem Boden und komme ihm näher.
"Selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Ich höre deine Gedanken nicht und komme nicht in deinen Kopf rein." Es ist ein unangenehmes Gefühl, mit jemanden zu reden und nicht zu wissen, was er denkt. So etwas hatte ich das letzte mal vor 6 Jahren.
"Dann klappt es also, ich hatte schon Angst, ich würde mich hier in den sicheren Tod begeben." Er lässt die Arme sinken und wendet sich wieder dem Rührei in einer Pfanne vor ihm zu.
"Was tust du jetzt hier und warum bist du imun gegen meine Telepathie?"
Da er die erste Frage noch nicht beantwortet hat, stelle ich sie nocheinmal. Er schaltet den Herd aus und nimmt die Pfanne von der heißen Herdplatte. Er holt wortlos einen Teller aus einem der Schränke, schaufelt das Rührei darauf und geht an mir vorbei in das Esszimmer. Ist das sein Ernst? Ich bin noch nie wirklich gut mit ihm ausgekommen, wir hatten bis jetzt ein paar Missionen gemeinsam. Da er in einer Wohnung am anderen Ende der Stadt wohnt, kenne ich ihn nur von den Missionen. Wir erledigen stets stumm unsere Arbeit und reden nur das nötigste miteinander. Symphatisch war er mir noch nie.
Ich laufe ihm geduldig hinterher und setze mich auf die andere Seite des Esstisches. Immer wieder versuche ich, Gedanken zu empfangen. Erfolglos.
Er stopft sich eine volle Gabel in den Mund, ich beobachte ihn dabei und spüre, wie mein Magen knurrt. Er wusste, dass ich auch im Haus bin, er hätte ruhig eine Portion mehr machen können. Aber wir sind ja keine Freunde, also sage ich nichts.
Er schluckt und legt die Gabel zur Seite. "Sie haben so einen Chip entwickelt, welcher meine Gedanken und somit auch mein Leben vor dir schützt. Ich hab das Ding eingesetzt bekommen und wurde als Versuchskanninchen hergeschickt. Und wie es aussieht, funktioniert es."
Ich bin ziemlich erleichtert. Ich habe meine Telepathie also noch. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich ohne sie nicht mehr leben könnte. Es ist ein Teil von mir. Ich habe gelernt, damit zu Leben.
"Wo hast du diesen Chip?" Interessiert schaue ich ihn an.
"Oh nein, dass sage ich dir nicht. Am Ende entfernst du ihn mir, wenn ich schlafe und bringst mich um." Da hörte ich nun Sarkasmus heraus und es schmerzt.
"Ich habe aus reinem Interesse gefragt und wenn du mich weiter in das schwarze Loch drücken möchtest, in dem ich eh schon bin, kannst du auch wieder gehen. Die wissen doch jetzt, dass es funktioniert."
Ohne eine Antwort abzuwarten, stehe ich auf und gehe in mein Schlafzimmer. Soll er mich doch am Arsch lecken. Ich spüre, wie die Tränen kommen und ich halte sie zurück. Es ist heute schwerer als die letzten Male, da ich nun weiß, wie gut es sich anfühlt, alles rauszulassen.
Ich starre auf den Wald, auf der anderen Seite meines Fensters. Wie gerne würde ich hinausspringen und ins Nirgendwo rennen. Ich habe so schon mit mir zu kämpfen und dann macht er es einfach noch schlimmer.
Ein Klopfen reißt mich von meinen Fluchtgedanken los. Ich sage nichts und sehe einfach nur die Türe an.
"(D/N)?" Als ich wieder nicht antworte, höre ich, wie sich seine Schritte entfernen. Dieser blöde Chip macht mir das Leben schwer. Ich hätte schon vor einigen Minuten gewusst, dass er kommen würde und klopft. Ich hätte gewusst, ob ich schweigen soll, ihn anschreien oder so tun soll, als ob nichts gewese wäre. Schweigen erscheint mir als die schwächste Reaktion und trotzdem tat ich es. Ich war nicht vorbereitet und ich hasse es.
Ich lege mich auf das Bett und blicke an die Decke. Wie konnte es nur so weit kommen, dass ich mich und mein Leben so in Frage stelle. Ich rolle mich in die Decke und drehe mich auf die Seite. Ich sehne mich nach den Stunden, die ich alleine in diesem Haus verbringen konnte. Jetzt fühle ich mich noch eingesperrter, als sowieso schon. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mich nicht ewig in meinem Zimmer verstecken kann.

Zwangsurlaub (Bucky FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt