Chapter 47

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Ich konnte mich den ganzen Unterricht lange nicht konzentrieren, weil sich in mir einfach zu viel Wut angestaut hatte. Als ich das, was Mrs Miller an die Tafel geschrieben hatte, abschreiben wollte, brach sogar zwei mal meine Bleistift Miene ab, weil ich so fest auf das Papier drückte. 

"Hey, beruhig dich mal ein bisschen, es wird alles wieder gut", flüsterte Linus und legte eine Hand auf meinen Arm, um mich zu beruhigen. Fast wären mir wieder die Tränen gekommen, aber ich konnte sie noch zurück halten. Ich atmete tief durch und versuchte mich zusammen zu reißen. 

"Nein Linus, das ist ja das Problem. Nichts wird wieder gut. Ich habe Silas geliebt, und ihm Vertraut, aber er hat mich einfach nur benutzt", gab ich zurück und schüttelte angewidert den Kopf. 

Warscheinlich hatte er begriffen, dass es nichts brachte auf mich einzureden, und lies mich in Ruhe. Das war mir auch das liebste. Wenn er noch weiter von ihm reden würde, würde ich warscheinlich hier lauthals zum Schreien beginnen, damit er aufhörte. 

Kurz vor Unterrichtsende der zweiten Stunde packte ich schnell meine Sache in die Tasche und als es klingelte, versuchte ich so schnell es ging aus diesem Klassenzimmer heraus zu kommen. Ich konnte nicht weiterhin so nah bei Marie sitzen, ich brauchte eine Pause. 

Vor der Tür standen bereits Melina und Finja, bei denen mir gleich ein Stein vom Herzen fiel als ich sie sah. Ich lief gleich zu ihnen hin und umarmte sie kurz. Danach liefen wir zur Toilette, weil ich kurz mein Aussehen überprüfen wollte, dass nicht meine Wimperntusche komplett verschmiert war und ich wie ein Panda aussah, auch wenn ich nicht geweint hatte. Man konnte ja nie wissen. 

"Musstest du jetzt eigentlich neben Marie sitzen? Weil ich glaube wenn ich du wäre, hätte ich mich nicht zurück halten können und ihr sofort eine reingehauen", stellte Melina fest und schaute mich mit neugierigen Augen an.

"Nein, zum Glück war Linus da und hat sich zwischen uns gesetzt, ansonsten wüsste ich auch nicht was ich gemacht hätte. Ich konnte mich aber auch so die ganzen zwei Stunden lang nicht konzentrieren, wenn ich so nah neben ihr sitzen muss", erklärte ich. 

Als wir fertig waren gingen wir wieder nach draußen und wollten ein wenig herum laufen, nur um nicht Marie, geschweige denn Laura und Selina über den Weg zu laufen, doch genau das war die falsche Entscheidung. Die drei kamen uns draußen auf dem Pausenhof entgegen und als sie uns sahen direkt auf uns zu. 

"Musste die kleine dumme Veni wohl weinen, weil Silas sie sitzen gelassen hat?", kam es von Selina und sie fuchtelte vor meinen Augen herum, um mich nachzumachen, wie ich geweint hätte. 

"Ja, das ist echt traurig, wenn man von jemanden wie Silas betrogen wird. Wieso er überhaupt Aufmerksamkeit für dich aufbringen konnte, bleibt mir ein Rätsel", sagte nun Laura ironisch und verdrehte danach die Augen. 

Jetzt war mein Geduldsfaden gerissen. Jetzt hatten sie es übertrieben. Ich drückte Finja unsanft zur Seite und ging auf Marie los. Die anderen beiden waren mir sowas von egal, aber Marie hatte mir genommen, was mir alles bedeutet hatte. Sie hatte mir Silas genommen. 

Ich schubste sie nach hinten, und als sie fast das Gleichgewicht verlor, schubste ich sie nochmal an der Schulter, doch sie konnte sich fangen ging auch auf mich los. Meine ganze Wut ballte sich zu einem gewaltigen Knoten in meinem Magen, den ich nicht mehr los waurde, der aber immer mehr meine Wut befeuerte. Ich schlug sie sogar mit den Füßen, denn das einzige, was ich wollte, war sie am Boden liegen zu sehen.

Um uns herum hatte sich schon ein kleiner Kreis gebildet und sie schauten uns alle an. Doch die waren mir egal, ich konzentrierte mich ganz alleine auf diesen Kampf. 

Finja und Melina versuchten mich von Marie wegzuzerren, aber ich riss mich immer wieder von ihnen los. Ich versuchte sie nach unten zu drücken und an ihren Haaren zu ziehen, aber sie versuchte das gleiche.

Plötzlich wurde ich hochgehoben, ruckartig von ihr weg, und nach hinten gezogen. Ich strampelte herum und versuchte wieder loszukommen, um ihr eine reinzuhauen, aber ich konnte mich nicht befreien. Die Arme fest um meinen Bauch geschlungen, trug  mich jemand von der Menschenansammlung weg. 

"Lass mich sofort los", schrie ich und strampelte immer mehr herum. Ich musste warscheinlich aussehen, wie eine wilde Furie, so wie ich hantierte. 

"Was machst du denn da? Beruhig dich doch mal", hörte ich eine tiefe Stimme von hinten sagen, und natürlich erkannte ich sofort wer es war. 

"Lass mich sofort los, du ekelhaftes Arschloch", schrie ich und strampelte noch mehr als zuvor um von Silas loszukommen. 

"Ich lasse dich nicht los. Wir reden jetzt, und zwar sofort", sagte er und öffnete dann den Raum, in dem normalerweise immer die Schüler aus der Oberstufe saßen und trug mich hinein. Mitten im Raum ließ er mich dann runter und ging dann wieder zur Tür. Er schloss sie ab und zog den Schlüssel ab. Mein Puls erhöhte sich sofort und ich hatte Angst, dass er es hören konnte. Jedes Mal wenn ich mit ihm in einem Raum eingesperrt war, nahm es kein gutes Ende. Und dieses Mal wollte ich wirklich nicht mit ihm eingesperrt sein. 

"Mach sofort die Tür wieder auf, du kannst mich hier nicht einsperren, das ist Freiheitsberaubung", keifte ich und lief sofort zu der Tür und riss an der Türklinke runter. 

"Hilfe", rief ich und klopfte dann hart gegen die Tür. Das war doch nicht sein ernst, dass er mich schon wieder in einem Raum einsperrte.

"Bist du komplett durchgedreht?", wollte er wissen und zog mich von der Tür weg und drehte mich zu sich um. 

"Was willst du überhaut jetzt von mir? Warum ziehst du Marie nicht weg, sondern mich? Und jetzt sperrst du mich auch noch hier ein! Du hast sie doch nicht mehr alle!", schrie ich wieder und drehte mich wieder zur Tür um zu probieren ob ich sie auftreten konnte. 

"Was redest du da, wieso sollte ich zu Marie gehen?", entgegnete er mir und schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an. Ich antwortete ihm nicht und gab auch die Tür auf. 

Ich drehte mich langsam um und sah ihm einen Moment hasserfüllt an. Dann bemerkte ich das Fenster hinter ihm und wollte sofort dorthin gehen und probieren ob es sich öffnen lassen würde. Als ich gerade an ihm vorbei laufen wollte griff er fest an meinem Handgelenk und zog mich wieder auf die Stelle zurück 

"Hör mir zu Venice", sagte er mit überraschend ruhiger Stimme und sah mir intensiv in die Augen.

"Du hast mir versprochen, dass du nicht mehr von mir davon läufst. Du hast es mir verdammt noch mal versprochen Venice, also halte es auch ein. Sag mir jetzt was passiert ist und ich bringe das in Ordnung!" Ich konnte es ihm nicht sagen. Ich würde erneut wieder in Tränen ausbrechen, und das wollte ich nicht. Ich war gerade dabei es zu verdrängen, und er zwang mich gerade das alles wieder hervorzuholen. Ja, ich wollte ihn zurück, aber mit der Tatsache, dass er mich mit Marie betrogen hatte, konnte ich es einfach nicht. 

Meine Lippen bebten und ich wusste nicht mehr wie ich mich beruhigen sollte. Ihm so in die Augen zu sehen, brachte alles in mir durcheinander. Und doch kamen mir die Tränen in die Augen und in kürzester Zeit war meine Sicht komplett verschwommen, von der Nässe in meinen Augen. Er zog mich mit der Hand, die er immer noch an meinem Handgelenk hatte, zu sich und in eine feste Umarmung. Ich legte meine Arme gegen seine Brust und wollte ihn von mir wegdrücken, doch ich hatte keine Kraft mehr. Keine Kraft mich zu wehren, mich zu kontrollieren und meine Gefühle zurück zu halten. Als er merkte wie ich mich wehren wollte, hielt er mich nur noch fester an sich gedrückt. 

Ich atmete seinen Geruch ein und mir kam wieder alles hoch. Zärtlich ließ er seine Hand über meinen Rücken gleiten. Ich wollte nicht vor ihm weinen, ihm nicht meine Schwäche zeigen, aber nur er konnte solche starken Gefühle in mir auslösen, und das war meine Schwäche. Wenn er in meiner Nähe war sah ich nur noch ihn und fühlte nur noch ihn.  


Ich Hab Noch NieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt