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Da sitzt sie wieder. Drei Tische von mir entfernt. Sie hat ihr Buch vor sich aufgeschlagen und hört Musik aus ihren kleinen, zierlichen Kopfhörern. Ihr langes kupferrotes Haar fällt ihr dabei ins Gesicht, doch sie macht sich nicht die Mühe es wegzustreichen. Vor ihr stehen ein Cappuccino und ein Bagel.

„Hörst du mir zu Cal?" fragt Edward plötzlich und stößt mich an der Schulter an.

„Was?" antworte ich und reiße den Blick von ihr.
„Oh, klar." sage ich dann.

Ed zieht eine braune Augenbraue hoch. „Ach ja, und was hab ich gesagt?" lacht er.

„Ähm... du warst in... Schottland?" rate ich.

Alicia prustet los.
„In... Schottland!" japst sie.
„Cal, ernsthaft, wie kann man so verträumt sein? Was hast du denn als mit diesem rothaarigen Mädchen da hinten?" grinst sie und sieht zu ihr hinüber.

Ich sehe sie geschockt an.
„Woher...?"
„Ach komm schon, dass hat in diesem Café mit Sicherheit schon jeder gesehen, der halbwegs normal im Kopf ist. Kennst du sie?" unterbricht mich Edward.

Alicia wackelt anzüglich mit den Augenbrauen, doch keine Sekunde später japst sie wieder vor lachen.

Ich verdrehe die Augen.
„Haltet die Klappe, alle beide." entgegne ich.

„Uhhhhh." machen meine Freunde.

Ich stehe wütend auf.

„W-wo willst du hin?" fragt Alicia mit großen Augen.

„Zu ihr. Sie ist garantiert 'ne viel bessere Freundin als ihr zwei." antworte ich bissig. Sie starrt mich an.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wechsle die Musik zu Fool around and fell in love von Elvin Bishop.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, immer weiter, bis ich vor ihrem Tisch stehe. Eine kurze Zeit liest sie weiter, doch als sie den Schatten, den mein Körper auf ihr Buch wirft bemerkt, sieht sie auf. Verwirrt und gleichzeitig lächelnd sieht sie mich an. Sie hebt beide Arme und zieht sich langsam die Kopfhörer aus den Ohren. Mitten in der Luft bleibt sie mit ihren Händen stehen und lächelt jetzt breiter.

„Jaa?" fragt sie. Sie hat eine schöne Stimme. Eine Stimme, die absolut wunderbar zu ihr passt, etwas leichtes und freies und ehrliches liegt darin.

„Äh ich... ähm... bin Cal-Callum." stottere ich und hätte mich am liebsten gleich selbst verprügelt. Was war das denn Cal?!

Sie grinst freundlich.
„Callum? Wie Callum Scott, der Sänger?" fragt sie.
„Ja. Ja genau." antworte ich lächelnd.
„Ich hab gerade ein Lied von ihm gehört. Ist das echt Zufall, oder schon Schicksal?" lacht sie. Ihr Lachen ist noch schöner als ihre Stimme.

„Ich bin Lyra" sagt sie dann. Ihre dunkelblauen Augen sprühen nur so vor ehrlicher Freude. Lyra. Lyra, Lyra, Lyra. Wunderschön.

„Möchtest du dich setzten?" bietet sie mir dann an. Ich nicke.

„Was hörst du?" fragt sie. Ich seufze innerlich auf. Endlich etwas, dass ich einfach so beantworten kann. Musik.

„Oh, äh... Fool around and fell in love." sage ich.

„Ah, du magst eher so alte Musik? Finde ich auch besser. Heutzutage gibt es kaum noch jemanden, der von Natur aus gut singen kann." entgegnet sie.

Ich nicke.

Eine Weile lang grinsen wir uns schüchtern an. Dann frage ich:„Auf welche Schule gehst du?"

„Die einzige hier in der Stadt, denke ich, die einzig gute." sie grinst. „Martin Luther King High?" setzt wie dann hinterher.

„Echt? Cool! Ich auch!" antworte ich lächelnd.

Lyra stützt ihren Kopf auf ihre angewinkelten Arme und legt den Kopf schief. Ihr filigranes Gesicht ist von Sommersprossen übersäht, sie hat hohe Wangenknochen, buschige Augenbrauen und wunderschöne, vor Leben sprühende, dunkelblaue Augen. Dunkelblau ist ganz offiziell meine neue Lieblingsfarbe.

„Ich hab dich noch nie irgendwo gesehen, Callum. In welchem Jahrgang bist du?" fragt sie dann.

Ich grinse innerlich, bei der Art wie sie meinen Namen ausspricht. Ich habe meinen Namen irgendwie immer gehasst, doch wenn Lyra ihn ausspricht, klingt er wunderschön. Ich denke, alles würde wunderschön klingen, wenn sie es sagt.

„Letztes Jahr. Halleluja." antworte ich. Sie grinst, und zeigt wieder ihre geraden Zähne.

„Dann bin ich wohl ein Jahr unter dir." schlussfolgert sie.

„Willst-ähm... bekomme ich deine Nummer?" frage ich dann plötzlich. Ich hätte mich Ohrfeigen können.

„Klar." entgegnet Lyra, als wäre das nicht die dümmste, unangebrachteste Frage, die sie jemals gehört hat.

„Gibst du mir dein Handy?" fragt sie dann. Ich nicke und entsperre mein Handy schnell. Nachdem ich auf neuen Kontakt erstellen gegangen bin, halte ich es ihr hin.

Sie hat ihr eigenes Handy rausgeholt. Davon tippt sie ihre Nummer ab.

„Ich bin so schrecklich vergesslich, weißt du? Ich verstehe diese Menschen nicht, die ihre komplette Nummer und die von hundertfünfzig anderen auswendig können. Ich kann mir nicht mal die Nummer von uns zu Hause merken." erklärt sie lachend.

Als die fertig ist, hält sie mir mein Handy wieder hin.

„Aus reinem Interesse, wer ist das auf deinem Hintergrund?" fragt sie und sieht mich mit ihren großen Augen neugierig an.

„Meine kleine Schwester, Jade." antworte ich.

„Wie süß." kommentiert sie. Wir sehen uns für ein paar Sekunden in die Augen, dann räuspere ich mich und sehe auf mein Handy.

„Oh, schon zehn vor acht! Also- Lyra, wir sehen uns, denn wenn ich zu spät komme, bringen mich meine Freunde dahinten" , ich deute wage zu Alicia und Edward hinüber, „um."

Sie nickt verständnisvoll.

„Na dann, bis dann." verabschiedet auch sie sich.

„Ich schreibe dir! Tschüss!" sage ich und winke ihr, während ich zu meinem Tisch laufe.

„Tschau!" ruft sie, und sieht mir eine Weile nach. Dann widmet sie sich ihrem unberührten Bagel.

„Und wie lief's, Casanova?" fragt Alicia sofort.

„Ganz gut." sage ich.

„Ja hast du ihre Nummer, oder hat die dich abblitzen lassen, was ich komplett verstehen würde." wirft Edward dazwischen.

„Haha." mache ich.
„Ja ich habe Lyras Nummer bekommen."

„Wow, sie hat sogar einen Namen." spottet Alicia lachend.

„Lasst uns los gehen." sage ich und schultere meinen Rucksack, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.

Im Hinausgehen werfe ich Lyra noch einen letzten Blick zu. Genau in dem Moment sieht sie auf. Ich grinse, sie grinst zurück.

Und dieses Grinsen kann ich mir den ganzen Tag nicht aus dem Gesicht wischen.

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The Beats of lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt