Der Hauch einer Hoffnung.
Kapitel 1
Meine Hände frieren. Ich spüre sie kaum noch. Ein kalter , aber trotzdem warmer Herbstwind zieht durch mein Gesicht und gibt mir das Gefühl von Geborgenheit. Meine Jeans , an den Knien mit Dreck verschmiert und meine Füße wie eingefroren. Mir geht es nicht gut , doch trotzdem könnte mich nichts auf der Welt davon abbringen , diesen Ort in der nächsten Stunde zu verlassen. Die Bäume schwingen hin und her. Blätter fallen vor meine Knie. Dieser Ort ist einsam , genau wie ich. Das muss einer von vielen Gründen sein , wieso dies mein Lieblingsort war. Die Kerze geht aus. Plötzlich fühlte ich mich kalt. Die Erde vor meinem Körper.. ausgetrocknet und gefroren. Es ist eine traurige Gegend , jedoch freute ich mich jedes mal mehr , mich hier 'verstecken' zu können. Als ich vor knapp 2 Stunden hier ankam , hatte ich eine Rose dabei. Diese liegt nun vor mir. Einsam. Nur eine Rose. Unter dieser Rose liegt meine Mama. Sie wurde und wird bewundert. Sie war eine dieser Menschen , die nur an andere dachten und selten an sich. Häufig wissen andere Kinder nicht , was ihre Eltern alles für sie tun. Doch ich weiß es. Sie hat vorbildlich gekämpft. Sie war eine echte Kämpferin und ich bin das genaue Gegenteil. Ich bin einfach ein zu schwacher Mensch um so lange und so stark zu kämpfen. Deswegen bewundere ich sie. Meine Mama hatte nicht viel. Alleinerziehend mit zwei Kindern in einer Wohnung , dessen Miete sie kaum bezahlen konnte. Mein Vater verließ uns als ich zwei war ,weil er anscheinden irgendwo auf der Erde einen wichtigeren Platz hatte. Also blieben nur noch meine Mama , mein Bruder und ich. Wie bereits gesagt , hatte Mama kaum etwas , außer zwei Kinder die sie innig lieben. Leukämie. Das böse Wort , dass niemand zu hause mehr aussprechen darf. Mama hatte akute lymphatische Leukämie. Das habe ich jedoch erst erfahren , als es schon zu spät war. Wieso sie es uns , oder bzw. mir nicht erzählt hat? Ich weiß es nicht. Habe keine Ahnung. Hätte ich die Chance , sie nach dem Grund zu fragen , wäre bestimmt etwas wie "Ich wollte nicht , dass du dir Sorgen machst" , oder ähnliches aus ihrem Mund gekommen. Momentan würde ich alles geben , nur um ihre Stimme nochmal zu hören. Das letzte "Gespräch" war nur eine Verabschiedung , weil sie einen Termin bei einem Frauenarzt hatte. Danach rief das Krankenhaus an. Und dann war meine Welt zerstört. Was heißt "war"? Sie ist es. Außer meinen Bruder gibt es niemanden , den ich lieben kann. Oder "darf". Gott entscheidet , wen wir lieben und wen wir hassen. Mir müsste er vielleicht noch ein paar liebenswerte Personen ins Leben schicken. Mein Bruder ist 19. Zwei Jahre älter als ich und somit ist er derjenige , der in dieser Zeit stark sein muss. Freunde? Ich besitze so etwas nicht. Ich bin anscheinend ein Mensch , der ziemlich oft alleine ist und nachdenkt. Die "Außenwelt" betrete ich kaum. Nur um in die Schule zu gehen. Ich mache gerade mein Abitur , für das ich sehr gekämpft habe ,denn ich hatte früher eine ziemliche Lernschwäche und konnte somit nicht besonders gute Noten schreiben. Trotzdem habe ich darauf aufgebaut und bin momentan in der Klausur-Phase. Total passend , meine Situation gerade. Mein Bruder ist ein Mensch , der genau so wenig Kontakt zu anderen Menschen hat. Ich bin froh , dass wir uns nicht jeder Person anvertrauen , aber es ist auch ziemlich schade. Es gibt so viele tolle Menschen auf der Welt , doch ich vertraute jetzt nur noch meinem Bruder. Er hatte sich früher auch schon gut um mich gekümmert , weil Mama sehr oft weg war. Mein ganzes Leben spiegelt sich an diesem Ort wieder. Also zumindest das Ende meines Lebens. Ich bin oft auf diesem Friedhof. Ich knie mich für ein paar Stunden an das Grab meiner Mama und rede mit ihr. Ja , und ich hoffe , dass ich irgendwann mal ein Zeichen kriege. Ein Zeichen , damit ich weiß , dass sie mich hört. Eine Stimme zerstört meinen schon 2 Stündigen Tagtraum. ,,Alles in Ordnung?" , fragte ein etwas älterer Mann. Ich schwieg kurz , doch antwortete dann nach einer kleinen Weile mit einem einfachen ,,Ja." Er ging weiter. Mh.. Jemanden auf einem Friedhof zu fragen , ob alles in Ordnung ist , ist schon ziemlich schwachsinnig. Ich meine , ich wäre nicht hier , wenn ich nicht etwas auf der Seele hätte oder? Naja , er meinte es bestimmt nur gut. Eigentlich habe ich auch nichts auf der Seele. Es ist auch wirklich alles in Ordnung. Ich meine , nur weil meine Mama nicht mehr vor mir steht , heißt es ja nicht.. dass ich sie nicht mehr lieben , oder ihr nicht mehr meine Probleme erzählen darf , oder? Ich überlegte kurz aufzustehen..blieb jedoch noch einige Zeit sitzen und dachte ein wenig nach. Ich schaute auf mein Handy. 16:23 Uhr. Ich bin schon einige Zeit hier .. ich stehe auf. Zumindest versuche ich es. Meine Beine sind ziemlich taub wahrscheinlich , weil ich stundenlang auf ihnen saß und die kleinen Steine von dem Kies in sie schneideten. Einige Sekunden musste ich auf der Stelle stehen bleiben , um mein Gleichgewichtssinn wiederzufinden. Ich klopfte mit meiner Hand den Dreck von meiner Hose und ging los. Über den halben Friedhof. Ich könnte ihn wahrscheinlich schon blind durchlaufen , da ich seit knapp einem Jahr jeden zweiten oder dritten Tag hier bin. Meine braunen , schulterlangen Haare flogen durch den Wind. Er wird bei jedem Stoß stärker. Ich hatte nur ein Top und darüber eine dünne Jacke an , deswegen fror ich ein wenig. Die Entfernung von meinem Haus und dem Friedhof ist sehr weit , deshalb genoss ich den Moment , indem ich mich einfach auf mein nicht gemachtes Bett schmeißen konnte.
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Der Hauch einer Hoffnung
Historical FictionMarie ist 17. Ihr Vater verließ die Familie , als sie zwei war. Ihre Mutter starb vor einiger Zeit an Krebs und nun bleiben nur noch sie und ihr Bruder übrig. Beide haben nicht viel Kontakt zu anderen Menschen und kommen einigermaßen gut damit klar...