Kapitel 3
Eine halbe Stunde lang musste ich mir nun die Tipps von einer Frau anhören , dessen Leben noch zerstörter war als meins. Glaubt mir , sie hat wirklich 8 Katzen. Niemanden außer ihnen 'darf' sie lieben. Tut mir leid , aber von einer Frau Ratschläge zu bekommen , die ihr ganzes Leben schon alleine ist , kommt mir ziemlich hirnlos vor. Ihr denkt jetzt bestimmt , wenn sie das schon durchgemacht hat , weiß sie sicher wie man das durchsteht , aber diese Zeit steht man nicht durch. Man muss damit leben. Sein Leben lang. Für immer. Naja , an manchen Tagen tut es gut mir ihr reden zu können , weil sie wahrscheinlich die einzige Person auf der Erde ist , die es aushält länger als 20 Minuten meine Geschichte zu hören. Ich jammer sehr rum , stimmts? Ja. Mir wurde nie gezeigt wie man 'kämpft'. Es wurde mir vorgemacht , doch wie es funktioniert bleibt mir für immer ein Rätsel. 15:56 Uhr. Heute Abend kommt Marvin. Ein Stein sitzt in meinem Magen , aber wieso? Natürlich ist man immer nervös , wenn man sich mit jemanden trifft. Ich jedenfalls. Ich hatte nie sonderlich mit Jungs zu tun. Wie auch? Schule und danach zuhause rumsitzen. Es war meine Schuld , ich kann einfach keine Freunde finden. Jegliche Verabredungen sagte ich immer 10 Minuten vorher ab. Aber diesmal wird es anders sein. Das schwöre ich mir. Wieso es gerade Marvin ist , weiß ich nicht. Wir sind schon seit der Grundschule in einer Klasse und in der Abiturzeit , sitzen wir in Mathe an einem Tisch. Er ist eigentlich ganz okay. So wie ich das mitbekommen habe. Manchmal ein wenig laut im Unterricht , aber das ist jeder , oder? Naja , ich nicht..Schonwieder zerbrach ich mir den Kopf darüber , was heute Abend passieren wird , bis ich zu dem Schluss kam , dass ich es einfach auf mich zukommen lasse. Eine halbe Stunde liege ich jetzt schon auf meinem Bett. Ich konnte ein wenig schlafen , aber durch meinen Bruder wurde ich geweckt. Er entschuldigte sich 1000 mal , mich geweckt zu haben. Er ist zu gut. Das meine ich. Er möchte , dass es mir gut geht und schon alleine deswegen liebe ich ihn so sehr. Natürlich auch wegen ziemlich vielen anderen Gründen. Er war mein 'Beschützer'. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich irgendwo auf der Straße und müsste um Geld betteln. Schwäche. Ob ich mir das nur eingeredet habe oder ob ich wirklich zu schwach zum leben bin. Schonwieder plagen mich jegliche Gedanken , die ich nicht einfach ausschalten kann. Manchmal ist es gut sich über alles den Kopf zu zerbrechen , aber meistens bekomme ich einfach nur Kopfschmerzen. Niemand versteht meinen Kopf , geschweige denn mich. Das wird jetzt aber zu Ende gehen. Ich werde mir heute Abend mit Marvin einen schönen Film anschauen und werde mal wieder nach langer Zeit glücklich sein , verstanden Marie?! Mein Bruder musste schonwieder weg. Einkaufen. Irgendwie muss ich ihm ja mal eine Last abnehmen , damit er merkt , dass es mir besser geht und er sich nicht immer so viele Gedanken machen muss. ,,Ich komme mit , Sven." meinte ich. ,,Geh schonmal ins Auto , ich hole noch schnell Geld." Ich öffnete die Haustür. Es regnet , stürmt und ein starker Windstoß kommt mir entgegen und flüchtet in den Hausflur. Das Auto steht auf der anderen Straßenseite. Langsam setzte ich einen Fuß in die 'Außenwelt'. Ich setzte die Kaputze meiner grünen Jacke auf und stellte mich in den Regen. Zu spüren , wie hunderte von Regentropfen auf die Erde fielen entspannte mich in einer Art und Weise. Es war kein kalter Regen , eher lauwarm. Mein Bruder steht nun hinter mir und schiebt mich zum Auto. Mittlerweile bin ich ziemlich nass. Ich gehe nicht oft einkaufen. ich versuche eigentlich mein Leben zuhause zu regeln , doch verstecken bringt uns nichts ,wenn wir wollen , dass wir gefunden werden. Sven muss oft alles alleine schaffen , aber in der Sprechstunde habe ich mir vorgenommen mich mehr auf meinen Bruder zu konzentrieren. Ich möchte nicht , dass seine Phsyche darunter leidet. Im Supermarkt sind viele Lampen kaputt , fast schon wie in einem schlechten Horrorfilm. Die Kasse macht laute Geräusche und die Kassiererin streitet sich gerade mit einem Mann an der Kasse. Anscheinend ist es ihr Freund. Sie ist nicht älter als ich , ziemlich jung. Unser Wagen füllte sich schnell. Ein Junge starrte mich an. Ich drehte mich mehrmals um , damit ich mir auch sicher war , dass er mich meinte. Irgendwoher kannte ich ihn. Kurze schwarze Haare , dunkel blaue Jacke , Chucks. Achja , und fast einen Kopf größer als ich. Denk nach , Marie. An der Kasse angekommen legten wir die Ware auf das Kassenband. Der Junge machte mir komischer Weise ein wenig Angst , aber kaum waren wir wieder zuhause wusste ich wer er ist. Ich sehe ihn häufig auf dem Friedhof , wenn ich meine Mutter besuche. Zwei Reihen weiter ist ein Grab , an dem er andauernd steht. Manchmal treffen sich unsere Blicke , wenn wir uns hinsetzen , aber ich wende mich schnell wieder von ihm ab. ,,Ich räume ein , Sven. Leg dich hin und schlaf' ein wenig , das würde dir jetzt gut tun." rief ich Sven zu , der sich schon in seinem Bett befand. Eine Antwort bekam ich nicht , wahrscheinlich war er schon am Schlafen. 17:46 Uhr. Eine genaue Uhrzeit hatte Marvin nicht gesagt , na toll. Ich wollte fertig sein wenn er klingelt , deswegen ging ich jetzt schon duschen. Meine Haare ließ ich offen und ich schminkte mich ein wenig. Mascara , mehr nicht. Ich halte nicht viel von Schminke , jedoch hatte ich vor ein paar Jahren das starke Bedürfnis danach , es auszuprobieren. Weiße Hose , meine blauen Chucks , ein graues Oberteil und meine hellbraune Lieblingsjacke. In der Küche schrieb ich einen Zettel , damit Sven bescheid weiß. " Hi Sven , hast du gut geschlafen? Ich bin mit jemanden aus meinem Mathe-Kurs im Kino. Ich komme nicht spät wieder , bin heute sowieso ziemlich müde. In Liebe , Marie." Einige Zeit saß ich nur am Küchentisch und schaute nach draußen. Es regnete immernoch sehr stark. Ich nahm mein Lieblingsbuch und las ein wenig. "Vorbildlich Gelitten" von Franz de Soé. Es geht um eine unwerfende Liebesgeschichte von zwei Krebskranken Teenagern. Bei jeder Seite fließt mir eine weitere Träne aus meinem Auge. Aber nicht jetzt. Ich bin geschminkt und möchte mich nicht blamieren. 19:36 Uhr. Langsam könnte er mal kommen. Ich meine , es ist jetzt Abend und er meinte er würde kommen.. Zwei weitere Stunden saß ich an dem Küchentisch. Das Licht der Lampe in der Küche wurde immer dunkler' und ein kalter Wind zog von dem Fenster aus in unser Wohnzimmer. Hatte er mich vergessen? Das erste Treffen , und ich werde nicht abgeholt. Wollte er mich überhaupt nicht treffen? Er hatte vorher auch noch kein Interesse an mir. Wieso auch? 22:24 Uhr. Er kommt nicht. Ich hatte nichts erwartet , doch trotzdem war ich enttäuscht. Tränen liefen über mein Gesicht. Ich bin sehr nah am Wasser gebaut und deshalb hatte ich mir vorgenommen nichts mehr zu erwarten. Wenn wir zu viel Erwarten , dann ist die Enttäuschung umso größer. Ich weiß nicht wieso ich weine , ich 'empfand' nichtmal etwas für ihn , doch trotzdem konnte ich meine Tränen nicht stoppen. Ich wollte nur hier weg. Auf die Rückseite von dem Zettel an Sven schrieb ich folgendes: " Bin bei Mama. Bis Morgen." Hoffentlich kommt es nicht falsch rüber. Ich rannte in mein Zimmer , holte mein Handy und lief los. Der Friedhof ist bei Nacht noch gruseliger , aber ich fühlte mich geborgen , denn überall leuchteten Kerzen. Da war er wieder. Der Junge. Er saß vor dem Grab und war fürchterlich am weinen. Ein wenig Leid tat er mir schon. Das gleiche dachte er sich wahrscheinlich auch bei mir denn ich stand vor dem Grab meiner Mama , unsere Blicke trafen sich und ich hatte ebenfalls Tränen in den Augen. Nach ein paar Sekunden oder eher Minuten saß ich mich auf den kalten Kies-Boden und fing an in meinem Kopf zu beten. Immerwieder hatte ich den Gedanken , ihn zu fragen , wie es ihm geht. Nach längerem denken fiel mir auf , dass ihn etwas bedrücken müsste. Er ist auf einem Friedhof. Ich wollte nicht unhöflich sein , deshalb wendete ich meinen Blick auf den Grabstein. Ich weiß nicht wie lange ich dort war. Ich wusste nur , dass der Junge ein sehr großes Problem hat. Nicht böse gemeint , ich meine ein Problem mit dem Verstorbenden. Meine Handyuhr zeigte 3:47 Uhr. Ich musste morgen zur Schule , deshalb beschloss ich mich auf den Weg nach hause zu machen. Ein letzter Blick traf sich zwischen mir und dem Jungen , als ich aufstand. Mein Gesicht voller Tränen , seins auch. Aus irgendeinem Grund interessierte mich der Junge sehr. Also seine Geschichte. Ich zerbrach mir in meinem Bett den Kopf über ihn , sodass ich kein Auge zu bekam. 6:46 Uhr. Duschen , Essen und dann in die 'Außenwelt'. Sven lag noch in seinem Bett , ich hatte ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Ein wenig Sorgen machte ich mir schon.
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Der Hauch einer Hoffnung
Historical FictionMarie ist 17. Ihr Vater verließ die Familie , als sie zwei war. Ihre Mutter starb vor einiger Zeit an Krebs und nun bleiben nur noch sie und ihr Bruder übrig. Beide haben nicht viel Kontakt zu anderen Menschen und kommen einigermaßen gut damit klar...