Kapitel 2

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Als die Sonnenstrahlen langsam das weiße Zimmer erleuchteten fühlte Rose ihren Kopf schmerzvoll pochen- verbunden mit den Gedanken an den bevorstehenden ersten Schultag. Sie verfluchte die lauten Stimmen ihrer Familie, die durch die Wände drangen und sie geweckt hatten. Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf, um sich vor den hellen Sonnenstrahlen zu verstecken, und starrte gegen die Wand. Aufzustehen würde bedeuten sich fertig zu machen, in ihre neue Schule zu gehen, die neuen Lehrer und Schüler zu treffen und das alles schien ihr viel zu anstrengend. Schließlich zwang sie sich doch dazu, aufzustehen, und mit einem seufzen schlug sie die Bettdecke zurück und blinzelte in das Licht. Rose rieb sich die Augen, riss sich zusammen und stand vom Bett auf. Immer noch im Halbschlaf wusch sie sich ihr Gesicht und trug ein wenig Make-Up auf, um die leichten Augenringe zu überspielen. Ihre Sommersprossen halfen ein bisschen dabei, ihre blasse Haut zu verdecken. Um ihre wilden roten Locken zu bändigen, band sie sie in einen Fischgrätenzopf zusammen. Sie zog sich schnell das Outfit an, das sie sich gestern zurückgelegt hatte, und fühlte sich langsam richtig wach. Eine Mischung aus Aufregung und Angst erfüllte Rose- endlich würde sie in einer Welt leben, wo sie mal die Normale ist, und nicht die Außenseiterin wie früher. Sie ging die Treppe hinunter und betrat die Küche, die gefüllt war mit dem Geruch nach Vanille und Haselnusskaffee.
"Guten Morgen, Rose. Denkst du, du kriegst heute morgen Frühstück runter? Ich habe dir Pfannkuchen vorbereitet." Ihre Mutter zog sie in eine schnelle Umarmung. Rose bedankte sich und setzte sich auf eine der Stühle im Esszimmer. Leo saß ihr gegenüber, er hatte seinen Pfannkuchen schon fast aufgegessen. Rose hörte Jake sich oben darüber beschweren, dass Victoria zu viel Zeit im Bad brauchte. Roses Mutter überreichte ihr einen Teller mit Pfannkuchen übergossen mit Ahornsirup- so etwas bekamen sie normalerweise nur Sonntags. Rose fing sofort an, sie zu essen, aber obwohl das normalerweise ihr Lieblingsessen war, schmeckte sie heute gar nichts. Sie zwang sich trotzdem, es aufzuessen, und spülte es mit einem Glas Orangensaft herunter. Sie beeilte sich, denn sie wollte nicht ausgerechnet an ihrem ersten Schultag zu spät kommen. Nachdem sie fertig mit dem Frühstück war, räumte Rose schnell den Tisch ab und half Leo, seine braunen Schuhe zu binden und den kleinen, bunten Rucksack aufzusetzen. Ihre Mutter schnappte sich die Autoschlüssel und sogar die Zwillinge kamen nun endlich runter und waren bereit, loszugehen. Die Autofahrt war lang und fühlte sich für Rose fast wie in Zeitlupe an. Als sie schließlich ankamen, waren die Zwillinge alles andere als begeistert von der neuen Schule.
"Das ist, bei weitem, die hässlichste Schule, die ich jemals gesehen habe", bemerkte Jake missmutig, als die Familie aus dem Auto ausstieg. Er warf der nur noch ein paar Meter entfernten Schule einen verächtlichen Blick zu. Das Gebäude schien schon ziemlich alt zu sein und war nicht sehr gut erhalten. Die Blumen am Eingang waren verwelkt und vertrocknet und überall lag Müll- Kaffeebecher, Kugelschreiber, zerknülltes Papier- herum.
"Ihr habt es noch nicht mal von Innen gesehen. Ihr solltet es eine Chance geben", sagte ihre Mutter beschwichtigend. Sie versuchte offensichtlich, optimistisch zu bleiben.
"Aber Jack hat Recht. Niemals wird die Schule Innen gut aussehen, wenn es von außen so aussieht. Was haben die sich dabei gedacht, die Wände Blau zu streichen?", fragte Victoria und schob ihre Sonnenbrille auf ihre Haare.
"Es ist eine normale Schule für Menschen", Rose zuckte mit den Schultern.
"Dann haben die wohl nicht besonders hohe Ansprüche", bemerkte Victoria. Rose ersparte sich eine Antwort.
"Ihr solltet gehen, sonst kommt ihr noch zu spät", schlug ihre Mutter vor während sie Leo einen letzten Kuss auf seine goldblonden Locken gab. "Viel Glück!"
Rose schnappte sich Leos kleine Hand und zusammen folgten sie den Zwillingen zu dem Eingang ihrer neuen Schule. Rose wurde wahnsinnig aufgeregt- sie wollte unbedingt ihre neuen Lehrer und Mitschüler treffen und ihr neues Leben anfangen. Als sie endlich den Eingang erreichten, drückte Jake die Türen auf und offenbarte eine überfüllte, große Aula. Die Wände waren in einem grellen Orange gehalten, aber die Farbe blätterte an einigen Stellen schon ab.
"Wir müssen zum Sekretariat gehen, die werden uns sagen, in welchen Klassen wir sind", meinte Jake und zeigte auf die Wegweiser, die die Treppe hoch deuteten. Rose drängelte sich durch die beschäftigten Schülern hindurch und gesellte sich zu ihren Geschwistern auf ihrem Weg. Das Sekretariat war nur ein einfacher Raum mit einem alten Computer auf einem hölzernen Tisch neben einer Plastikpflanze. Hinter demTisch saß eine ältere Dame. ihr graues Haar war zurückgebunden und eine kleine Brille saß auf ihrer Hakennase.

"Und was genau kann ich für euch tun?", fragte sie, sobald sie die Geschwister sah.
"Wir sind neu an dieser Schule und würden gerne fragen, in welche Klasse wir gehen sollen", antwortete Rose.
"Oh richtig, ihr seit die Neuen." Die Sekretärin lächelte und überreichte ihnen ihre Stundenpläne. "Leo Morales wird in die zweite Klasse gehen, sein Klassenraum ist im ersten Stock, der zweite Raum links. Rose, Victoria und Jake Morales, ihr werdet in die elfte Klasse gehen- dritter Stock, vierter Klassenraum." Rose verdrehte gefühlt zum hundertsten mal diese Woche die Augen- sie hatte echt keine Lust darauf, mit den Zwillingen in eine Klasse zu gehen.
"Wir sollten Leo seine Weg zur Klasse zeigen", schlug sie vor und fuhr ihre Hand durch Leos Haare.
Victoria zuckte die Schultern. "Was auch immer mich davon abhält, zu meiner eigenen Klasse gehen zu müssen."
Sie folgten die langen Flure und gingen die Treppen runter in den ersten Stock. Als sie am Raum ankamen, quetschte Rose Leos Hand noch ein letztes mal und beugte sich runter.
"Viel Glück an deinem ersten Tag. Ich bin mir sicher, alles wird gut gehen!", versuchte sie, ihn zu beruhigen. "Denk daran, niemanden von deinen magischen Fähigkeiten zu erzählen."
"Warum? Er ist Sieben. Es würde ihm sowieso niemandem glauben", meinte Victoria, offensichtlich gelangweilt.
"Halt die Klappe."
Während Leo ihnen ein letztes Lächeln schenkte und sich umdrehte, um in seinen neuen Klassenraum zu gehen, fühlte Rose ihre Aufmerksamkeit steigen. Sie war nur ein paar Minuten davon entfernt, ihr neues Leben zu starten- hoffentlich ein gutes.

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