2 - Kaffee

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Am nächsten Morgen beginnt eine neue Woche, weswegen ich mehr oder weniger unmotiviert die Tür zu dem kleinen Café in der Innenstadt aufstoße. „Guten Morgen, Max." Mein Chef, der gerade an der Kaffeemaschine hinter der Theke arbeitet, dreht sich zu mir und schenkt mir ein Lächeln. „Hallo, Mila. Du bist heute die Erste", meint er, mit dem Blick schon wieder auf die Maschine gerichtet. „Das denke ich mir", antworte ich nicht wirklich überrascht, schließlich bin ich über eine halbe Stunde früher da, als notwendig. Aufgrund des Streits gestern zwischen Zach und mir und der Tatsache, dass ich bis jetzt nichts von ihm gehört habe, konnte ich bei Ella kaum schlafen und hatte somit kein Problem früher zu kommen.
Ich helfe Max mit der spinnenden Kaffeemaschine, treffe noch die letzten Vorbereitungen und dann treffen auch schon die ersten Gäste ein. Die Klingel über der Eingangstür lässt mich zu den zwei Mädchen aufsehen, die das Palace betreten. Lachend lassen sie sich an dem kleinen Tisch direkt neben der Tür fallen, von dem man die beste Aussicht durch die große Glasfront auf die gefüllten Straßen Berlins hat.
Das schwarz-weiß eingerichtete Café gleicht tatsächlich einem kleinen Palast mit dem großen, prunkvollen Kronleuchter, den extravaganten Sesseln und den edlen Glastischen. Dennoch ist es klein und gemütlich, weswegen ich mich hier seit knapp über einem Jahr mehr als wohl fühle. Inzwischen ist auch meine Arbeitskollegin Aleyna eingetroffen und bedient die beiden Mädchen.
„Alles gut bei dir?" Max stellt neben mir einen Kaffee auf das Tablett und schmückt die Untertasse mit einem Päckchen Zucker und einem Keks. „Heute ist nicht so mein Tag", weiche ich der Frage aus und reiche ihm aus der Schublade, vor der ich stehe, einen kleinen Löffel, den er ebenfalls auf der Untertasse platziert.
Max ist nicht auf den Kopf gefallen und inzwischen kennt sogar er mich gut genug, denn ich signalisiere es einem deutlich, wenn ich nicht über etwas sprechen will. Also bittet er mich den Kaffee und die Apfelkuchenstücke an den Tisch draußen zu bringen. Tatsächlich haben sich drei Studenten, die öfter herkommen, mit dicken Jacken und Mützen vor dem Café an den Tischen niedergelassen.
Obwohl es heute nicht so stürmisch und kalt wie gestern ist, bin ich froh wieder ins Warme zu können und drin weiter zu bedienen. „Hallo, habt ihr euch schon für etwas entschieden?", frage ich die beiden Jungs, die es sich auf dem Ledersofa bequem gemacht haben. „Für mich bitte einen Schwarztee", sagt der Blondschopf freundlich und mein Blick schnellt zur Tür, als mir die Klingel signalisiert, dass ein neuer Kunde eingetroffen ist. Zach steht mit zerzausten Haaren im Türrahmen und sieht sich um, bis er mich entdeckt hat. Im selben Moment wende ich mich wieder ab und konzentriere mich auf den zweiten Jungen, der um eine Cola bittet.
Mit einem freundlichen Lächeln sage ich, dass die Bestellung gleich kommen würde und laufe dann an Zach vorbei, der mitten im Raum steht. „Mila", seufzt er und setzt sich auf einen der Barhocker an der Theke, hinter der ich gerade den Tee vorbereite. Mein Blick huscht kurz zu Deniz und Luce, die sich an dem Tisch, neben den Mädchen bei der Glasfront, niedergelassen haben und mir kurz zuwinken. Ich lächle zurück und schaue dann wieder zu dem heißen Wasser, das gerade aufkocht. „Es tut mir leid." „Das weiß ich, aber das macht es nicht besser, weil du das jedes Mal sagst", erwidere ich, ohne ihm einen Blick zu schenken. „Aber es ist nun mal so." „Ja, genau", beginne ich mit einem nun deutlich genervteren Ton und verschränke die Arme. „Es ist so. Es ist immer so. Du baust scheiße, du entschuldigst dich, ich bin sauer, merke dann aber doch, dass ich dich viel zu sehr liebe, alles ist wieder gut und dann dasselbe wieder von vorne." Darauf erwidert er erstmal nichts, weswegen ich mich der Cola widme und nach dem Flaschenöffner greife. „Ich weiß doch, dass ich echt scheiße bin manchmal. Aber ich hasse es mit dir zu streiten und du fehlst mir jetzt schon. Ich bemühe mich, versprochen." Ich halte seufzend inne, sehe kritisch zu ihm auf und verdrehe dann die Augen, bevor meine Mundwinkel kurz nach oben zucken. „Habe ich da gerade ein Lächeln gesehen?" Er grinst wie ein kleines Kind, das gerade die Mutter doch dazu überredet bekommen hat ihm ein Eis zu kaufen. Tatsächlich kann ich mir mein Lächeln nicht mehr verkneifen, also platziere ich den Tee und die Cola auf dem Tablett, das ich dann einhändig zum Tisch balanciere.
„Jetzt komm mal her", grinst Zach mir mit offenen Armen entgegen, als ich mit leerem Tablett wieder zurück zur Theke laufe und zieht mich im Vorbeigehen in eine innige Umarmung. „Ich liebe dich." „Ich dich leider auch zu sehr", flüstere ich schmunzelnd über die Tatsache, dass ich dem Drang dazu, ihn einfach zu umarmen, anstatt das Thema wieder auszudiskutieren, nachgegeben habe. Mal wieder. Es scheint tatsächlich mein hundertstes Déjà-vu zu sein.
Wie oft hat er nun während einer Umarmung Ich liebe dich gesagt, nachdem ich ihm aufs Neue verziehen habe, dass er mich enttäuscht hat? Ich kann es nicht mal an zwei Händen abzählen. Im Endeffekt liebe ich ihn viel zu sehr, als dass ich so einen Streit länger als einen Tage durchhalten könnte. Ich werde schnell sauer und laut, und das lasse ich ihn auch spüren. Gleichzeitig gebe ich aber genauso schnell auch wieder nach, was ich manchmal vielleicht lieber nicht tun sollte. „Fürs Kinder machen wird hier keiner bezahlt", ruft Max, während er hinter die Theke eilt und ich löse mich, lachend aus der Umarmung. Auch Zach ist amüsiert und schlägt Max zur Begrüßung ein. „Hey, Kumpel", erwidert mein Chef und bereitet dann den nächsten Cappuccino vor. Von den zehn Jahren Altersunterschied zwischen ihm und Zach und mir merkt man absolut nichts. Max scheint auf ewig zwanzig geblieben zu sein.
„Bekommen wir jetzt auch mal was, Mila, oder vernachlässigst du jetzt schon Kunden wegen Zach?", ruft Deniz schmunzelnd vom Tisch aus und ich kuschle mich extra an Zach, was die beiden zum Lachen bringt.
„Kaffee?", rufe ich durch den kleinen Raum und bekomme ein zustimmendes Nicken von Luce. „Kaffee."

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