„Mein Schatz!" Voller Freude zieht mich meine Mutter in eine feste Umarmung und ich balanciere den Kuchen auf meiner Hand, um ihn nicht fallen zu lassen. „Wo ist denn Zacharias?" Mit zusammengezogenen Augenbrauen linst sie über meine Schulter, doch ich zucke mit ihnen. „Ich bin heute allein hergefahren, aber er sollte auch gleich da sein. Und nenn den Armen doch nicht immer Zacharias, er hasst das", sage ich schmunzelnd und weiß genau, dass sie ihn weiterhin so nennen wird.
Auch mein Vater begrüßt mich herzlich und ich bringe den selbstgemachten Lieblingskuchen meiner Mutter in die Küche, bevor ich meine Jacke zur Garderobe bringe und mein Vater und ich uns schon an den großen Holztisch im Esszimmer setzen, der reichlich gedeckt ist. Der Auflauf meiner Mutter bleibt einfach unschlagbar.
Kaum habe ich mir Wasser eingeschenkt, klingelt es schon und ich höre die Schritte meiner Mutter, bevor Zachs Stimme durch den Gang und bis ins Esszimmer hallt.
„Jack!", ruft er freudig, als er mit meiner Mutter durch die Tür tritt, schließt meinen Vater in die Arme und sie klopfen sich gegenseitig auf den Rücken, bevor sich meine Eltern mir gegenübersetzen.
„Hallo, mein Schatz." Zach drückt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt sich dann neben mir nieder. Ich rieche den Zigarettengestank sofort und werfe ihm einen bösen Blick zu, den er entweder nicht wahrnimmt, oder absichtlich ignoriert. Seit wann raucht er denn wieder?
„Es freut mich so, dass ihr beiden endlich wieder hier seid", freut sich meine Mutter und fängt an unsere Teller zu füllen. „Wie sieht es mit der Wohnung aus?" Ich zucke mit den Schultern. „Schwierig, momentan etwas bezahlbares in Berlin zu finden, wo wir beide Platz haben und was sowohl in der Nähe des Cafés, als auch in der Nähe von Zachs Uni ist", erkläre ich und denke an unsere kleine Wohnung, in der ich eigentlich schon wieder beinahe allein lebe, da sie recht weit von Zachs Uni entfernt und viel zu klein ist. Oder vielleicht hat es auch seit ein paar Monaten einen anderen Grund, den ich mir nicht eingestehen will. Zu klein für zwei Streithähne.
„Und das Studium, Zacharias? Klappt soweit alles?" Er nickt eifrig und schluckt den Salat runter, bevor er sagt: „Ja, absolut. Es macht immer noch unheimlich Spaß, vor allem das Schreiben." „Schade, dass du dann kaum noch schreibst." Zach hält mitten in der Bewegung inne und sieht mir perplex entgegen, da er meinen ironischen und gleichzeitig vorwurfsvollen Unterton ganz genau gehört hat. Auch meine Mutter stellt ihr Glas langsam ab und sieht zwischen uns hin und her, bis Zach beginnt gespielt zu grinsen. „Ach, ja, so ist das eben. Schreibblockaden gibt es immer wieder. Kreative Pausen sind immer förderlich." Verunsichert greift er nach dem Weinglas und nimmt einen Schluck. Oder auch vier. „Achtung, nicht, dass das wie deine kreativen Pausen endet", meine ich ruhig und er stellt das Glas mit viel zu viel Schwung wieder auf die weiße Tischdecke, auf der sich ein roter Tropfen breitmacht. Er sieht mich nicht an, stattdessen lacht er wieder auf und schüttelt bloß mit dem Kopf. „Immer alles in Maßen halten, natürlich. Schließlich kann ich froh sein, dass mich die Uni überhaupt angenommen hat." Selbst mein Lieblingsgemüse bleibt mir dabei im Hals stecken, doch Zach grinst weiter vor sich hin und trinkt genüsslich einen weiteren Schluck, ohne mich anzusehen. Mein Vater schluckt hörbar den Auflauf runter und meine Mutter legt ihr Besteck zögerlich beiseite. „Ich gehe mal noch das Salz holen." Damit steht sie auf und verlässt das Wohnzimmer und auch mein Vater entschuldigt sich, um auf die Toilette zu gehen. Zach und ich lächeln den beiden freundlich hinterher, bis wir aus ihrem Blickfeld verschwunden sind. Kaum sind sie weg, drehen wir uns zueinander und die Blicke könnten nicht tödlicher sein. „Was soll das? Extra Salz in die Wund streuen, weil ich für kein Studium angenommen wurde?", flüstere ich, aber klinge dadurch nicht weniger sauer. „Was das soll? Du hast doch angefangen mich vor deinen Eltern für irgendwelche Dinge indirekt zu beleidigen!" „Warte ab, wenn wir hier weg sind", drohe ich, doch er beginnt zu lachen, was mich umso mehr provoziert. „Also, ich bin jetzt weg. Schreib mir doch eine Nachricht, denn ich muss nun los." Er leert sein Glas und steht seufzend auf. Mit geöffnetem Mund sehe ich ihm nach, als er sich mit einem Schulterzucken abwendet. Ich höre ihn noch sich von meinen Eltern verabschieden mit der Ausrede, er müsse noch dringend zu einem Termin, bevor die Haustür ins Schloss fällt.
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Kartenhaus
Teen Fiction„Unser Leben ist wie ein Kartenhaus, Mila. Wir haben so lange daran gebaut und dann hast du die Dame rausgezogen. Und in nicht mal einem Tag zerfällt der Stapel wieder." Man baut sich jahrelang etwas auf, doch wenn das Leben einen fünf Jahre aus d...