Kapitel 2

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„Harry! Hey, Harry!" Penelope Clearwater, Professor für Verwandlung und nur zwei Jahre älter als er, hatte vor seiner Klassegewartet, bis er den Unterricht beendet hatte. „Was gibt es, Penelope?" „Da sich die Beschwerden wegen den Davis-Kindern, insbesondere Scorpius, schon wieder so gehäuft haben, hat Minerva selbst zu ihnen nach Hause geeult, und für heute ein Gespräch angesetzt. Sie hat uns gebeten, diesen Termin wahrzunehmen." „Oh." Überrumpelt blieb er stehen. Er wollte nicht mit den armen Eltern reden und ihnen sagen, wie schrecklich ihre Kinder waren. „Kommst du?", rief sie ihm zu, schon halb auf ihrem Weg zum Ausgang. Verwirrt schloss er zu ihr auf. „Wo treffen wir sie denn?" „Sie?" „Die Eltern." Sie lachte, während sie den Weg hinunter zu Hogsmeade gingen. „Der Vater ist alleinerziehend. Und da er ein Muggel ist, können solche Gespräche nicht innerhalb von Hogwarts stattfinden." „Ach so." Nervös knetete Harry seine Hände.„Keine Sorge, er ist ein sehr ruhiger Mensch. Wird dich nicht anschreien." Kunstvoll atmete sie aus, sodass der Atem in der kalten Winterluft verschiedene Formen annahm. „Die Gespräche sind vor allem bei den weiblichen Professoren sehr beliebt. Mr Davis ist sehr gutaussehend, wenn du auf so etwas stehst." „Ich hab eine Freundin." Sie lächelte ihm zustimmend an und führte Harry zu einem großen Mann, der mit dem Rücken zu ihnen gewartet hatte. „Guten Tag", begrüßte Penelope ihn. Der Mann fuhr herum und Harry starrte in das Gesicht von Draco Malfoy. Erstarrt blieb er stehen. Penelope sah seinen Blick und begann mit den Vorstellungen. „Mr Davis, das ist Professor Potter, mich kennen Sie ja bereits. Harry, das ist..." „Nathan Davis", unterbrach der Mann sie behutsam und reichte Harry seine Hand. „Schön, Sie kennenzulernen." „Ja...", erwiderte der, als er sie misstrauisch ergriff. Zu seiner Überraschung war der Händedruck des Mannes sanft, was ihn ein wenig überrumpelte. Schnell räusperte er sich. „Ich möchte mich für meinen Brief entschuldigen. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht ganz im Bilde der Situation und habe unprofessionell reagiert." Der Mann lächelte leicht. Alles, was er tat, geschah mit einer Ruhe und Eleganz, die Harry von seiner Malfoy-Theorie abbrachten. Zumindest die Ruhe. Je mehr er darüber nachdachte, hatte sich Malfoy schon immer grazil bewegt. Die Theorie wollte er trotzdem noch nicht aufgeben. „Das macht nichts. Wir alle machen Fehler oder reagieren über. Im besten Fall habe ich mich über Ihren Brief gefreut." Verwirrt blinzelte Harry. „Wieso?" „Nun, zum einen bin ich ein wenig unruhig gewesen. Es ist sehr ungewöhnlich, dass sich die Vier über einen längeren Zeitraum so gut benehmen. Fast ein halbes Jahr,immerhin. Und andererseits freut es mich natürlich auch, dass Sie diese Ansichten an Schüler zu vermitteln versuchen." „Sind Sie wirklich deren Vater?", platze es aus Harry heraus, der nicht glauben konnte, dass so ein Unterschied in der Verhaltensweise und Artikulation zwischen Vater und Kindern vorliegen konnte. „Oh, Entschuldigung." Mr Davis winkte ab. „Diese Frage bekomme ich öfter, als Sie sich vorstellen können." Aber das leichte Lächeln war von seinen Lippen verschwunden. „Also, was haben sie dieses Mal angestellt?"

Penelope hatte früher gehen müssen, um eine Gruppe Schüler beim Nachsitzen zu beaufsichtigen. Das ganze Gespräch über hatte Harry den vermeidlichen Mr Davis beobachtet. Alles, was er sagte, war so unmalfoyhaft, wie es nur sein konnte.  Aber die Art, wie er sich bewegte, würde Harry überall erkennen. „Du hast alle anderen vielleicht überzeugt, Malfoy, aber mich kannst du nicht täuschen." Sein Gesprächspartner hob seinen Blick, der zuvor auf seine Tasse Tee gerichtet gewesen war, und blickte ihm direkt in die Augen. „Du hast mich erwischt, Potter", antwortete er, ohne seine Ruhe zu verlieren. „Und jetzt?" Darauf hatte Harry auch keine Antwort. „Alles, was du über mich wissen solltest, weißt du bereits: Ich bin Nathan Davis, ein alleinerziehender Muggelvater, dessen Kinder alle verhaltensauffällig sind und merkwürdigerweise auch alle nach Hogwarts gehen werden." Er erhob sich ohne ein Zeichen von Genervtheit. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Professor, ich würde gerne noch eine Aufnahme beenden können, bevor mir derBabysitter kündigt." Harry starrte ihm lange hinterher.

Scorpius hatte sich wieder beruhigt, nachdem Harry sich bei ihm für sein Verhalten entschuldigt hatte, und kam wieder zu den Extrastunden. „Mein Dad ist ernsthaft cool, sir", erklärte er zu Beginn der letzten Stunde vor den Winterferien. Harry würde Ginnys Wunsch, gemeinsam Weihnachten zu feiern, nachkommen, und mit Teddy, der eigentlich abwechselnd bei ihm und seiner Großmutter wohnte, nach Hause kommen, sehr zu Teddys Unlust. Ihm graute davor, die ganzen Ferien mit Ginny zu verbringen. Und da seine Großmutter vor wenigen Monaten gestorben war, hatte er alle kommenden Sommerferien bereits als Hölle deklariert. „Was hat er denn gemacht?", fragte Harry, gut gelaunt über Scorpius Enthusiasmus. Natürlich hatte Professor McGonagall gewusst, dass Mr Davis eigentlich Malfoy war. Aber „er hat seinen Namen offiziell geändert. Ich sehe keinen Grund ihn Malfoy zu nennen, Harry." Er hatte sonst nur Hermione davonberichtet. Harry konnte ihre Stimme förmlich hören: „Harry, überleg mal. Wenn Scorpius so alt ist, wie Teddy, dann wurde er um die Zeit der Schlacht um Hogwarts herum geboren. Und wenn der Älteste drei Jahre älter ist..." „Seit ich von anderen Fächern auch gute Noten bekomme und ihm schreib, antwortet er so fast jeden Tag. Und er war voll nicht sauer, dass er kommen musste." Scorpius grinste. „Und er schreibt auch Fynn, Paul und Alannys oft, obwohl zu Haus mega viel los ist." „Du kriegst Noten in Fächern und von Professoren." Harry konnte sich nicht verkneifen, ihn zuberichtigen. „Sorry sir. Aber er sagt, er freut sich, uns zu sehen." Fröhlich rannte er aus dem Büro, die Nachhilfestunde völlig vergessen. Kopfschüttelnd sah Harry ihm nach und packte seine eigenen Sachen für die Ferien.

Als er sich in das Abteil gesetzt hatte, war es leer gewesen. In Anbetracht eines fehlenden leeren Abteils hatten sich nun auch Teddy und Scorpius, sowie ein Freund der beiden, Ryan, in ihm niedergelassen. An die von Harry eigentlich erwünschte Stille war nicht mehr zu denken, als die Jungen begannen, über die Ferien zu diskutieren. „Wir werden leider nicht nach Skandinavien reisen", bedauerte Ryan. „Sondern nur für eine Woche nach Paris. Die andere bleiben wir in London." Dafür erntete er von den anderen beiden nur Spott. „Ryan ist das typische Stadtkind", wandte Scorpius sich an Harry. „Hey sir, wo wohnen Sie?" „Das ist etwas, das dich nichts angeht." Harry musste angesichts Scorpius enttäuschtem Gesicht grinsen. „Teddy hat gesagt, ihr wohnt in der Nähe von London", wandte Ryan ein. Harry warf seinem Patensohn einen scharfen Blick zu. „Dann hat Teddy vielleicht auch gesagt, dass ich die Wohnung verkauft habe und wir umziehen." „Hey Scorp, wo wohnst du eigentlich?", fragte Teddy schnell, um einer befürchteten Standpauke zu entgehen. „Lamorna." Ryan lachte. „Du Landei, das klingt, als ob es am Ende der Welt liegt. Wie lange dauert es von London dahin?" „Fünfeinhalb Stunden", murmelte Harry mit Grauen. „Warte mal", begann Teddy aufgeregt. „Wir ziehen doch nach Lamorna!" „Wirklich?" Scorpius sprang auf und rannte durchs Abteil. „Ist ja Hammer. Dann können wir uns jede Ferien sehen!" „Harry", warf Teddy auf einmal panisch durch den Lärm von Scorpius ein. „Wir apparieren nach Lamorna, oder?" Mit einem teuflischen Grinsen schlug Harry sein Buch auf. „Nein. Ginny wird uns mit meinem Auto am Bahnhof abholen. Sie war gerade inLondon." Er vertiefte sich in sein Buch, während Scorpius einem leidenden Teddy mitfühlend auf die Schulter klopfte.

Als sie Bahnsteig 9¾ verließen, warteten Scorpius Geschwister schon auf ihn. Sie rannten um ein kleines, hellblaues Auto und Malfoy – oderDavis – herum, der nur gelegentlich in den Tumult eingriff, um die Kinder davon abzuhalten, zu weit wegzulaufen und, nachdem er Scorpius empfangen hatte, damit begann, die Koffer in den Kofferraum zu quetschen. Harry unterdessen hielt Ausschau nach seinem eigenen schwarzen Auto. Oder nach Ginny. Schließlich fuhr ein Lamborghini vor und parkte so eng hinter Davis Auto, sodass dieser für den letzten Koffer nicht mehr an den Kofferraum heran kam. Ginnys Kopf schob sich durch die geöffnete Fahrertür. „Harry!", rief sie erfreut und warf sich in seine Arme. Er starrte auf das potthässliche, silberne Ungetüm. „George hat mir das zum Geburtstag geschenkt. Toll, oder?" „Ma'am?" Ginnys und Harrys Köpfe fuhren herum, um Davis vor ihnen zu sehen, der seine Kinder ins Auto bugsiert hatte und nun mit dem letzten Koffer in der Hand zu ihnen gekommen war. „Ach sieh mal an. Malfoy. Ist das dein Auto? So mickrig, im Gegensatz zu meinem. Und all die Male, die du mich arm genannt hast", sagte Ginny mit einem Gemisch aus Überheblichkeit und Abscheu. „Ma'am, ich wollte Sie lediglich bitten, Ihren Wagen etwas zurück zusetzten, damit ich ausparken kann." „Mr Davis", unterbrach Teddy Ginnys überraschtes Schweigen. „Darf ich Scorpius in den Ferien besuchen? Ich binTeddy. Scorp und ich sind befreundet." Panisch zog Ginny Teddy zurück, als Davis ihm einen Handschlag anbot. „Ginny!" Teddy riss sich los und ergriff die Hand, um sie zu schütteln. „Schön,dich kennenzulernen, Teddy. Scorp hat mir von dir erzählt. Du kannst gerne vorbeikommen, wenn du jemanden findest, der dich den weiten Weg nach Lamorna fährt." „Wir wohnen auch in Lamorna", begann Teddy. „Fass ihn nicht an!", schrie Ginny und warf Davis einen hasserfüllten Blick zu. „Komm Harry, wir fahren!" „Dein Tank ist leer", merkte Harry trocken an. „Was?"

Unexpected Neighbour (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt