Nach einer weiteren Woche Schule waren die anstehenden Sommerferien schon sehr nahe und ein allgemeines Glücksgefühl hatte sich zwischen den Schülern verbreitet. Auch bei mir zeigten sich die „Sommerhormone“, wie wir sie spaßeshalber nannten, sehr stark und die brennende Sonne sowie der abendliche Geruch nach Sommerregen ließen jegliche negativen Gefühle verpuffen.
Die große Jahrgangsstufenparty stand unmittelbar bevor und auch meine Vorfreude war bereits ins Unermessliche gestiegen. Denn wie konnte man ein Schuljahr besser ausklingen lassen, als zusammen mit seinen Freunden, an einer Gaststätte direkt am Fluss, die wir für diesen Abend ganz allein hatten? Vielleicht war es sogar möglich, die dort mietbaren Tretboote zu benutzen und zusammen auf dem Wasser den Sonnenuntergang zu bestaunen!
Auch in meinem Fußballverein war derzeit Sommerpause angesagt und das Vorbereitungstraining würde erst in einigen Wochen beginnen. Die Zeit war perfekt für Ausflüge in die Stadt, einem Tag am See oder einem Treffen mit alten Freunden, denn ab jetzt war Erholung angesagt. Auch ich wollte dies in die Tat umsetzen und einfach nicht mehr an meinen Gefühlen für Laura hängen, da eine Lösung sowieso nicht in Sicht war, sondern mir nur weiteres Kopfzerbrechen bescheren würde.
Ich versuchte, mutig einen Neustart zu wagen, einfach einmal den Reset-Knopf zu drücken und dafür schien die kommende Jahrgangsstufenparty wie geschaffen.
Am Wochenende vor dem großen Fest, traf ich mich wie so oft mit Patrick, oder besser gesagt, Paddy. Seit einem halben Jahr waren wir wie ein Herz und eine Seele. Als beste Freunde wussten wir sofort, was der andere dachte, und somit konnte ich bei ihm einfach ich selbst sein.
Über den Vorfall mit Laura hatte ich aber nicht berichtet, auch wenn es mir Anfangs schwer viel, da eine verständnisvolle Schulter zum Anlehnen mir doch sehr gut getan hätte. Auch wenn ich wusste, dass er ein sehr toleranter und offener Mensch war, zweifelte ich, ob seine Reaktion darauf wirklich positiv sein würde oder ob es sich als ein Störfaktor in unserer Freundschaft herausstellen würde.
Das Risiko war einfach zu groß und so beschloss ich, ihn mit diesem Thema erst einmal zu verschonen.
Wir saßen, wie fast immer, zusammen vor Paddy's Playstation und duellierten uns.
„Dir ist schon klar, dass wir noch ein Entscheidungsspiel machen müssen, wenn dieses Spiel unentschieden ausgeht?“
„Wer redet hier von Entscheidungsspiel?“ antwortete ich. „Es sind noch fünf Minuten, bis dahin hab ich dich mit drei Toren schon länst in Grund und Boden gespielt!“
„Was träumst du eigentlich nachts?“ Erwiderte er spöttisch und blickte mich mit schiefem Grinsen an.
„Auf alle Fälle nicht von dir!“ konterte ich.
Er drückte auf die Pause-Taste und lief aus dem Zimmer.
„Hab ich den Paddy jetzt etwa verletzt?“ Rief ich ihm mit gespielter Verwunderung hinterher.
Aus der Küche war leises Kichern zu hören. „Ich und verletzt? Ausgerechnet von dir? Nie im Leben! Ich wollte mir nur schnell ein Glas Cola holen, damit ich dich gleich fertig machen kann! Willst du auch eins?“
„Oh ja, das wäre nett von dir“ antwortete ich.
„Ich hab aber nicht gesagt, dass ich dir eins mitbringen werde. Lauf ruhig selber, du hast sowieso ein bisschen Sport nötig.“
„Ich war gerade dabei, etwas zu erwidern, als sich seine Schritte näherten und er lässig mit zwei Gläsern ins Zimmer zurück kam. Ich schaute ihn vorwurfsvoll an und eine halbe Sekunde später brachen wir in lautes Gelächter aus.
Nach einer kurzen Verschnaufspause fragte er: „Ich gehe davon aus, dass du auch auf der Jahrgangsstufenparty sein wirst oder? Katha hat nämlich extra Wodka, Tequila und dieses ganze andere hochprozentige Zeug organisiert.“
„Was für eine Frage, der Tag ist schon rot in meinem Kalender umkreist! Aber so richtig volllaufen lassen will ich mich auf keinen Fall, da können sich von mir aus andere zum Gespött des Abends machen...“
„Das hab ich auch nicht gemeint“ entgegnete Patrick hastig. „Aber was ist schon gegen eine etwas angeheiterte Stimmung zu sagen?
„Achso, na klar. Sowas hat noch niemanden umgebracht, ein Schuljahresende muss schließlich auch gebührend gefeiert werden“ stimmte ich ihm zu.
Er klopfte mir auf die Schulter .“Gut, dass wir da einer Meinung sind, Kleines. Wäre ja sonst auch eine echte Seltenheit bei uns. Aber jetzt mach ich dich erstmal fertig!“
„Hey, ich war noch gar nicht bereit! Aber egal, deine faulen Tricks werden dir nicht helfen“ rief ich energisch, während aus dem Fernseher laute Fangesänge und die Stimme eines Kommentators tönten und durch das geöffnete Fenster hinaus in den dunklen Nachthimmel getragen wurden.