1.Kapitel

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»Ich hasse Mathe...«, stöhnte Mike neben mir und fuhr sich mit seiner Hand durch die dunkelblonden, perfekt gegelten Haare. Er schrieb bald seine Abschlussprüfungen und Mathe war das Fach, in welchem er die meisten Probleme hatte und befürchtete tatsächlich durchzufallen. Vor einigen Tagen hatte er sich bei einer Kunstakademie eingeschrieben und ich war mir ziemlich sicher, dass sie ihn so oder so nehmen würden. Mike war richtig begabt, ein Talent was ich beneidete seit ich ihn kannte. Meine Versuche zu Zeichnen waren immer missglückt und irgendwann hatte ich es auch einfach aufgegeben. Neben Mike sah jedes Bild einfach nur schlecht aus.

»Du hast doch noch Zeit bis zu den Prüfungen. Du schaffst das.« Wir betraten das Schulgelände und gingen die Treppen nach oben, ich hielt einen kurzen Moment inne, als ich Ash hörte, der mit vollkommen zerzausten Haaren gerade die Stufen nach oben hastete. Er war heute (mal wieder) nicht mit dem Bus gefahren und war vermutlich zur Schule gerannt um es noch rechzeitig zum Unterricht zu schaffen.

»Hey Takumi? Hast du heute vielleicht Zeit mit mir etwas zusammen zu machen?« Ash sah mich erwartungsvoll an und ich nickte. Ash war mein zweiter bester Freund, groß und sehr dünn, trug beinahe nur schwarz und hatte ein Piercing, was ich ihm damals mehr oder weniger aufgequatscht hatte, genauso wie seinen blauen Pony, den er mittlerweile wieder schwarz gefärbt hatte. So wie er gerade lächelte, war ich mir ziemlich sicher dass er die Nacht nicht allein verbracht hatte, wahrscheinlich war Chris – sein Freund – bei ihm gewesen. Eben diesen bemerkte ich jetzt auch, da er hinter ihm die Treppe hoch kam, seine Haare ebenso strubbelig und seine grünen Augen schauten mich kurz an, ehe er sich wieder abwandte. Das Verhältnis zwischen uns war angespannt, was einfach daran lag, dass er sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen.Außerdem hatte ich schon einmal eine Nacht mit ihm verbracht, was in Anbetracht der Tatsache, dass er nun mit einem meiner besten Freunde zusammen war kein wirklich angenehmes Gefühl bei mir auslöste.

»Wir sehen uns zum Mittagessen. Ich muss jetzt schnell zum Sport.« Damit war ich auch schon im Gebäude verschwunden, wo ich schnell zu meinem Schließfach ging, meine Sportsachen herausnahm und Richtung Turnhalle ging.

Sport war eines meiner Lieblingsfächer und trotz meiner geringen Körpergröße, über die sich gelegentlich jemand lustig machte, hatte ich dennoch Spaß an Ballsportarten und war auch nicht so schlecht darin. Nur fand ich es etwas ärgerlich,direkt in den ersten Stunden Sport zu haben – gerade jetzt im Sommer war es unerträglich, zwar war es morgens recht angenehm, aber man schwitzte trotzdem und das wurde im Laufe des Tages nicht besser.

Die anderen waren schon in der Umkleide, lachten und unterhielten sich, während sie sich umzogen. Ich suchte mir wie immer eine ruhige Ecke aus, zog meine Sportsachen über und ging dann mit den anderen nach draußen in die Sporthalle,wo wir sahen dass in der Mitte ein Volleyballnetz aufgebaut war.Einige stöhnten genervt auf, während andere sich darüber zu freuen schien dass wir zur Abwechslung mal kein Fußball spielten.

Wie immer zog die Stunde unglaublich schnell an mir vorbei und fast schon enttäuscht ging ich in die Umkleide. Auch die restlichen Stunden bis zur Mittagspause zogen vorrüber, doch trotzdem war ich geschafft, als ich mich mit meinem Tablett zu den anderen an den Tisch setzte.

»Takumi du warst doch schon lange nicht mehr weg... Willst du nicht mit uns am Freitag zu Damians Party gehen?«, fragte Mike dann plötzlich und sofort wurde ich hellhörig.Plötzlich war mir der Appetit vergangen und ich begann mein Essen nur noch von einer Ecke in die andere zu schieben.

»Ich weiß nicht so recht, habe eigentlich keine Lust«, antwortete ich dann und Mike verzog das Gesicht.

»Komm schon, mit dir macht so etwas mehr Spaß. Vielleicht kriegst du dann auch endlich mal eine Freundin ab?« Den letzten Teil hatte er zwar nur scherzhaft gemeint, aber trotzdem fühlte ich mich gekränkt. Meine beiden besten Freunde wussten nicht, dass ich eigentlich schwul war und das, obwohl ich es ihnen durchaus hätte sagen können, gerade jetzt wo Ash ebenfalls einen Freund hatte. Keiner der beiden hätte ein Problem damit, im Gegenteil, gerade Mike würde es vermutlich total cool finden, aber irgendwie wollte ich nicht dass sie es wussten. Ohne es zu wollen, schaute ich zu Chris, als würde ich wollen dass er Mike das alles ausredete.

»Das war nicht nett Mike. Wenn er nicht will, dann lass ihn einfach«, murmelte dieser und Mike seufzte nur enttäuscht.

»Vielleicht wäre es doch keine schlechte Idee, wenn du mitkommst«, meldete sich nun auch Ash zu Wort und sah mich mit diesem wissenden Blick an, dass es mir kalt den Rücken runter lief. Vorwurfsvoll und wütend warf ich einen Blick zu Chris, welcher nur kaum merklich mit dem Kopf schüttelte. Wenn er ihm nicht von Damian erzählt hatte, woher wusste er es dann? Zwar waren die beiden meine besten Freunde, aber ich hatte es immerhin die ganzen letzten Jahre geschafft, mein Geheimnis vor ihnen zu verstecken, indem ich darauf achtete was ich in ihrer Gegenwart sagte, damit mir nicht versehentlich herausrutschte, dass mein Schwarm ein Junge war oder ich dummerweise betrunken auf einer Party etwas mit dem jetzigen Freund meines besten Freundes hatte. Es war nicht so, dass ich ihnen nicht vertraute, aber irgendwie wollte ein Teil von mir nicht, dass die beiden etwas so persönliches über mich wussten oder anfingen sich einzumischen, so wie es jetzt der Fall war.

»Wenn ihr mich dann endlich in Ruhe lasst, dann komme ich mit. Wir sehen uns«, damit stand ich genervt auf und verließ die Cafeteria.

Ich wusste das es keine gute Idee sein würde, aber immerhin hatte ich noch ein paar Tage Zeit mich geistig darauf vorzubereiten. Vielleicht konnte ich auch mit einer Ausrede der Party fern bleiben, oder die „mir geht's nicht so gut" Nummer abziehen und deswegen dann einfach eher gehen. Ich konnte gut und gerne darauf verzichten Damian die ganze Zeit mit seiner Freundin zu sehen, es nervte mich schon dass ich es in der Schule ständig tat.

Dabei wusste ich genau, dass Damian für mich unerreichbar war – und trotzdem schwärmte ich schon seit über einem Jahr für ihn, was wesentlich länger war als ich sonst für jemanden geschwärmt hatte. Ich konnte nur hoffen, dass es bald wieder nachließ.  

Decide (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt