5.Kapitel

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Ich atmete einmal tief durch, als ich mit einem eher nervösen Gefühl die große Flügeltür zur Cafeteria aufstieß und meinen Blick umherschweifen ließ. Fast schon rechnete ich damit Damian wie immer an einem der langen Tische zu sehen, wo er für gewöhnlich mit seiner Freundin und den anderen aus seinem Jahrgang saß, doch er saß tatsächlich an einem kleinen Vierertisch nicht weit von seinem üblichen Tisch entfernt. Er hob seine Hand zur Begrüßung als sein Blick den meinen traf und ich nickte ihm kurz zu, ehe ich nach vorne ging und mir mein Essen holte. Aus Gewohnheit warf ich einen Blick auf den Tisch wo ich für gewöhnlich mit Mike und den anderen saß, diesmal saß nur Ash dort, der mich fragend ansah. Ich hatte ihm eine kurze Nachricht geschrieben, dass ich heute nicht mit ihnen Mittagessen würde, und er hatte nicht nachgefragt. Trotzdem spürte ich seinen Blick auf mir, als er bemerkte zu wem ich mich setzte und konnte mir denken was gerade in seinem Kopf vorging. Ich ignorierte das vibrieren in meiner Hosentasche und widmete mich ganz Damian. Wie oft würde sich eine Gelegenheit wie diese wohl noch ergeben?

»Hey. Es freut mich, dass du zugestimmt hast. Ich hatte schon die Befürchtung ich könnte dir zu aufdringlich sein«, meinte er und lächelte mich an, wobei ich spürte wie mein Herz einen kleinen Sprung zu machen schien. Sofort verzog ich das Gesicht, mir wäre es lieber wenn es das nicht tun würde, dann setzte ich mich ihm gegenüber auf den Stuhl und griff nach meiner Gabel, ehe ich aus den Augenwinkeln bemerkte wie jemand sich neben unseren Tisch stellte. Obwohl ich mir durchaus denken konnte wer es war, hob ich dennoch meinen Kopf und sah direkt zu Isabella, welche mich anlächelte und dabei ihre perfekten, weißen Zähne zeigte.

»Hallo! Ich bin Isabella, freut mich. Du bist Takumi, richtig?« Sie reichte mir die Hand, die ich aus Höflichkeit schüttelte, dann wandte sie sich Damian zu und gab ihm einen viel zu langen Kuss, bei dessen Anblick mir fast schlecht wurde und mir der Appetit gründlich verging.

»Du hast deine Chemie Hausaufgaben bei mir liegen lassen, ich war so nett sie dir mitzubringen. Wir sehen uns dann.« Sie gab ihm ein Blatt Papier.

»Danke! Du bist die Beste! Bis später.« Sie schenkte mir noch ein Lächeln, ehe sie verschwand und Damian ihr verträumt hinterher sah. Man sah wie verliebt er in sie war und ich begann lustlos in meinem Essen herumzustochern.

»Ash schaut mich schon ganz böse an, weil ich dich entführt habe«, meinte Damian belustigt und ich seufzte.

»Er wundert sich höchstens, warum ich bei dir sitze obwohl er weiß dass wir uns kaum kennen. Es ist nicht ungewöhnlich, wir sitzen nicht jede Pause zusammen, wir haben in unseren Klassenstufen ja auch noch Freunde«, meinte ich und warf zur Sicherheit nochmal einen Blick zu unserem Tisch, wo Ash gerade von Chris abgelenkt wurde, der sich lächelnd mit einem Tablett neben ihn setzte. Seine ganze Aufmerksamkeit würde nun für den Rest der Pause auf ihm liegen und obwohl ich Chris nur wenig mochte, war ich ihm in dem Moment dankbar dafür, dass er Ash von mir ablenkte. Ich drehte mich wieder zu Damian, der meinem Blick gefolgt war und nun auch nachdenklich zu den beiden schaute, ehe er sich wieder seinem Essen widmete. Ich schob mir ebenfalls eine volle Gabel in den Mund, um wenigstens etwas zu essen.

»Kann ich dir mal eine Frage stellen? Etwas, was mich einfach nur interessiert, auch wenn es mich vermutlich nichts angeht.« Er warf mir einen nachdenklichen Blick zu und ich nickte.

»Sind Ash und Chris eigentlich zusammen?«, fragte er und ich verschluckte mich beinahe, nahm hastig einen Schluck von meiner Orangenlimo.

»Warum fragst du?«, beantwortete ich seine Frage mit einer Gegenfrage, und die Tatsache dass ich nicht einfach mit ja oder nein geantwortet hatte, schien ihm schon Antwort genug zu sein.

»Nun, die beiden sieht man in letzter Zeit häufig zusammen. Ich will damit nicht sagen, dass nur weil sie viel Zeit miteinander verbringen gleich schwul sind, aber ihr Verhalten ist schon ein wenig auffällig. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Chris viel... freundlicher geworden ist, seit er mit Ash befreundet ist. Ich will die beiden nicht verurteilen oder so, ich habe nichts dagegen«, fügte er schnell hinzu, als er meinen zweifelnden Blick bemerkte, wobei es wirkte als wolle er sich heraus reden. Da meine Zunge mal wieder schneller war als mein Gehirn, kam der nächste Satz wie von allein über meine Lippen.

»Nun, ich bin auch schwul.« Im selben Moment wo ich es ausgesprochen hatte, biss ich mir schon auf die Zunge und verfluchte mich innerlich. Ganz toll gemacht Takumi, verrate das Geheimnis, was du dich nicht einmal traust deinen beiden besten Freunden von allein zu erzählen, genau dem Typen auf den du stehst und von dem du weißt dass er hetero ist.

»Oh, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Es gibt doch mehr die so sind, als ich anfangs angenommen hatte. Versteh das nicht falsch! Ich war früher ein ziemlicher Idiot was das Thema anging... aber ich bin erwachsen geworden, und seit mein Bruder sich mehr oder weniger unfreiwillig geoutet hat und ich festgestellt habe, dass er immer noch derselbe Mensch wie vorher auch ist, habe ich gemerkt wie unsinnig meine Denkweise ist und dass jeder ein Recht hat, offen zu zeigen in wen er verliebt ist. Es tut mir richtig leid, dass ich früher immer gesagt habe „Mir egal, solange die das nicht öffentlich machen", weil im ernst, warum sollten sie das nicht?« Er seufzte und fuhr sich durch die Haare, während ich die Augen verdrehte.

»Weil es Leute gibt die so denken, trauen sich so viele nicht offen dazu zu stehen.«

Er verzog das Gesicht.

»Es tut mir leid, wirklich. Ich war damals eben einfach... dumm. Kann ich dich was fragen? Wie hast du festgestellt dass du nun ja... schwul bist?« Er hielt inne und schaute mich neugierig an, während ich noch einen Schluck von der Limo nahm und überlegte, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte oder lieber der Frage ausweichen sollte. Da ich zu dem Schluss kam, dass es sinnlos war darüber zu schweigen, zuckte ich mit der Schulter.

»Mädchen nerven mich einfach. Das taten sie schon immer. Es gab nur wenige Mädchen in meinem Leben, welche ich wirklich längere Zeit um mich herum ertragen konnte und mit denen es nicht schlimm war viel Zeit zu verbringen, aber ich hatte festgestellt, dass ich für keine von ihnen je irgendetwas besonderes empfunden habe, genauso wie für niemanden meiner damaligen männlichen Freunde. Ich habe Mädchen zwar als „gutaussehend" empfunden, aber mein Blick blieb dennoch eher an Jungen hängen, die richtig cool aussahen und sportlich waren. Zuerst dachte ich, dass es einfach nur daran lag dass ich einfach nur gerne auch so cool wäre wie sie, aber als ich dann jemand kennenlernte und ich mich zum ersten Mal verliebte, stellte ich fest dass es einfach daran lag dass ich eben nur an anderen Jungen interessiert bin und dass es sich gut anfühlt. Ich habe auch nie versucht mit einem Mädchen zusammen zu sein, ich weiß einfach dass es sich nicht richtig anfühlen würde.«

»Danke, dass du mir das erzählst, obwohl du mich kaum kennst.«

»Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht warum ich dir das sage«, grummelte ich und in dem Moment ertönte ein Klingeln, welches sagte dass die Stunde in fünf Minuten los gehen würde. Hastig stand Damian auf.

»Ich finde dich wirklich interessant. Hast du etwas dagegen wenn wir die Tage noch einmal zu Mittagessen? Ich würde gerne noch einmal mit dir reden.« Ich nickte und sah ihm nach, wie er zwischen den anderen Schülern verschwand, ehe ich ebenfalls aufstand und zu meinem nächsten Kurs ging.     

Decide (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt