Kapitel Einunddreißig, Havayna

295 35 1
                                    

"Rennt!"

Jemand stieß sie von hinten an und Havayna stolperte. In diesem Moment sah auch sie die Wächter, die im Gleichschritt auf sie zukamen. Sieben Wächter mit erhobenen Waffen und ausdruckslosen Gesichtern. 

Havayna rannte los, Bruchteile von Sekunden nach den anderen beiden und der Gruppe von Passanten, die sich ihnen angeschlossen hatten. Es erschreckte sie ein wenig, dass man gleich sieben von Wächtern auf sie losließ, zumal sie ja nur drei Rebellen waren. Galten sie als so gefährlich?

Gleichzeitig freute es sie. Sollten sich diese Schweine vor ihnen fürchten!

Ein Schuss traf Sheena neben ihr ins Bein und die ältere Frau ging zu Boden. Havayna schnappte nach Luft, doch sie zwang ihre Beine, sich weiter zu bewegen. Sie konnte jetzt nicht stehen bleiben. Sie konnte Sheena nicht helfen. 

Sie hatte die Entscheidung getroffen, bevor sie überhaupt realisierte, dass sie sie treffen musste, und im selben Moment bereute sie es. Sie hörte Sheena schreien, dann brach ihr Schrei abrupt ab, gleichzeitig mit der Musik, die noch immer gespielt hatte. Weitere Leute um sie herum stürzten und schrien; aus dem Augenwinkel sah Havayna die Wächter näherkommen. 

Bitte nicht ... Ich bin zu jung zum Sterben!, ging es ihr noch durch den Kopf, bevor sie flammenden Schmerz in ihrer Schulter spürte. Die Zwanzigjährige taumelte, blieb jedoch auf den Füßen. Sie musste weiterrennen. Wenn sie weiterrante, sagte sie sich, würde sie überleben. Dann würden sie sie nicht erwischen. 

Das Adrenalin ließ sie den Schmerz vergessen. Ihre Füße trommelten auf den Asphalt wie der Rhythmus einer vergessenen Musik. Sie hörte ihren eigenen Herzschlag in ihren Ohren, ihren eigenen keuchenden Atem. 

Schreie zerfetzten die Luft. Havayna schrie selbst. Das war alles zu entsetzlich, um wahr zu sein. 

Irgendwann fiel sie zu Boden. Sie konnte nicht mehr weiterrennen. Erschöpft schnappte sie nach Luft; der Schmerz in ihrer Schulter machte sich wieder bemerkbar. Sie spürte das Blut, das ihr T-Shirt tränkte, immer mehr davon sprudelte aus der Schusswunde. Havayna fragte sich, ob sie sterben würde. 

Sie hatte gewusst, dass es passieren konnte, aber damit gerechnet hatte sie nie. 

Dann packte sie irgendjemand von hinten. Aus dem Augenwinkel sah sie die Uniform eines Wächters, aber sie war zu müde, um sich zu wehren. Also ließ sie sich von ihm zu einem Wagen schleppen, in dem bereits drei andere Leute saßen. Havayna kannte keinen von ihnen; sie mussten Zivilisten sein, die sich ihnen angeschlossen hatten. 

Dann verschwamm die Welt vor ihren Augen. 

DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt