Schädel öffnen, Blutung stillen, Blutergüsse entfernen, säubern, wieder zunähen. In meinem Kopf ging ich die Operation Schritt für Schritt durch, während ich meine Hände unter das eiskalte Wasser hielt. Ich hoffte bloß, dass mich keiner, besonders nicht Jackson, während dieser Operation, ansprach. Ich hatte letztes mal schon fast die Nerven verloren und da hatte ich nur daneben stehen müssen. Oh Gott, ich durfte mir keine Peinlichkeiten an meinem ersten Tag zukommen lassen. Ich drehte denn Wassehahn vorsichtig mit meinem Ellebogen zu, damit meine frisch gewaschenen Hände nicht wieder unsteril wurden. Danach atmete ich noch einmal tief durch und betrat die OP Schleuse, die Tür öffnete ich wieder mit Hilfe meines Ellebogens. Wie auch beim letzten Mal kamen die Schwestern und halfen mir beim Anziehen der Handschuhe und der OP Kleidung. Im OP angekommen, sah ich viele umherlaufende Persönen, ich schätzte etwa 20. Ich stellte mich hinter den Kopf des Patienten versuchte mich mit dem Gedanken, dass ich all dies mehrfach geübt hatte zu beruhigen und schüttelte meine Hände aus. Bei einem letzten Umschauen im Op Saal schien es, als würden alle auf mich warten. Ich streckte meine Hand aus und verlangte nach dem Bohrer, welchen mir die Schwester auch sofort gab. Als hätte ich einen Befehl erteilt oder den Startknopf betätigt, fing auch das restliche Ärzteteam an. Vorsichtig bohrte ich ein Ei großes Loch in den Schädel und hob das Schädelteil mit einer Pinzette an. Vor mir lag ein menschliches Gehirn. In seiner ganzen, wunderschönen Fülle. Okay, jetzt war keine Zeit für melancholische Erinnerungen, der Patient hatte irgendwo Blut im Hirn. Jetzt ärgerte ich mich, dass ich kein CT vorher gemacht hatte, dann hätte ich genauer gewusst, wo das Blut war. "Wilson, halten Sie den Sauger bereit und sobald Sie Blut sehen, saugen Sie das sofort ab. Ich schiebe die Hirnmasse jetzt langsam zurück und suche das Blut. Sie halten sich bereit. Schaffen Sie das?" fragte ich und hoffte, dass ich eine fähige Assistenzärztin erwischt hatte. Immer noch viel zu motiviert antwortete mir die junge Frau: "Klar, bereit halten und Blut sofort absaugen." Nun müsste ich ihr wohl vertrauen. Nicht ganz überzeugt, schob ich die Hirnmasse, mit dem größten Finherspitzengefühl, dass ich zu bieten hatte, mithilfe einer Pinzette nach hinten und sofort kam Blut, welches Wilson direkt absaugte. Nun mit mehr Vertrauen und Überzeugung der Assistenzärztin gegenüber, fragte ich sie: "Sehr gut Wilson, möchten Sie direkt auch die Blutergüsse entfernen?" Überrascht sah sie mich an, ihre Augen erinnerten etwas an die eines Rehs, so wie sie sich weiteten. "Wirklich..?" Ich tauschte mit ihr den Platz und sagte "Okay, also mit der linken Hand schieben Sie das Hirn vorsichtig nach hinten und mit der rechten Hand stoßen Sie den Erguss auf. Ich sauge dann ab." Sie machte es genauso wie ich es ihr erklärt hatte und öffnete direkt auch zwei weitere Blutergüsse, auch fing sie an die dadurch entstandenden Wunden zu säubern. Ich stand nur noch daneben und passte auf, dass sie keinen Mist baute. Anscheinend sahen die anderen Ärzte das genauso, denn auf einmal wurde ich angesprochen von dem Rothaarigen. "Wie gefällt Ihnen Seattle denn bis jetzt?" Prompt ließ ich den Sauger, den ich noch immer in der linken Hand hielt, fallen. "Oh, Entschuldigung ich wollte Ihnen damit nicht zu nahe treten.", entschuldigte sich Dr. Hunt verlegen. "Nein, nein, alles gut. Ich habe mich nur etwas erschrocken. Ich bin anderes gewöhnt. Aber ja Seattle ist schön. Ich bin hier ja quasi aufgewachsen. Es ist schön mal wieder hier zu sein und sich an Vergangenes zu erinnern", beantwortete ich seine Frage und ließ vor meinen inneren Augen eine Art Film meiner ersten 12 Lebensjahre revue passieren. Interessiert mit einem Ansatz an Verblüffung hakte der Unfallchirurg nach, was ich mit "aufgewachsen" meinte und stillte nebenbei mit einer Hand die Blutung an der Leber. Ich war so beeindruckt von seinem Können, dass ich erst einige Sekunden später seine Frage realisierte. Ich starrte ihn an, fing mich aber sogleich wieder und begann zu reden. "Ja also, meine Mutter kommt ursprünglich aus einem sehr kleinen Dorf in Georgia und sie hat einen Mann kennengelernt, als sie in Montana war. Sie ist dann zu ihm gezogen und schwanger geworden. Er hat sie dann im Stich gelassen, als er das erfahren hat. Zurück zu meinen Großeltern konnte sie nicht, denn die sind sehr katholisch und sie hatte ja nun ein uneheliches Kind und war alleinerziehend. Also ist sie dann nach Seattle gekommen, weil ihre Tante hier wohnte. Bei ihr haben wir dann gewohnt bis ich fünf Jahre alt war. Sie ist leider ziemlich unerwartet gestorben. Meine Mutter hat dann geheiratet als ich 11 geworden bin und, da ihr Ehemann Deutscher ist, sind wir ein Jahr später nach Deutschland gezogen. Seitdem war ich nur einmal hier in Seattle, um meinen Vater zu treffen, der ist aber damals nicht gekommen." Nun klinkte sich auch Dr. Avery in das Gespräch ein. "So ist das nunmal mit den Vätern. Hab von meinem auch lange nichts gehört. Hat mich und meine Mutter ebenfalls im Stich gelassen. Soweit ich weiß hat er jetzt eine Bar in Montana." Schulterzuckend setzte er seine Arbeit fort. Obwohl ich wusste, dass Jackson und ich den gleichen Vater hatten, wurde es mir in diesem Moment noch einmal klar, denn mein Vater hatte auch eine Bar in Montana. Zum Glück öffnete sich in diesem Moment die Tür des OPs und Dr. Shepherd trat ein. "Und ist alles gut bei Ihnen oder soll ich übernehmen?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich denke wir sind fertig, oder Wilson?" Ich drehte meinen Kopf in Richtung Assistenzärztin, welche mir ein gut gelauntes Ja zurückrief. Ich wendete meinen Blick jedoch nicht ab, sondern erteilte ihr noch die Aufgabe den Patienten jede Stunde neurologisch zu überwachen und mich sofort anzupiepen, wenn er aufwachte. Dann drehte ich mich zu Dr. Shepherd herum und folgte ihr in Richtung Ausgang des Raumes. Kurz bevor ich durch die Tür trat, rief Dr.Avery meinen Namen. Ich drehte mich blitzschnell um und betete das er nichts von meiner vollkommenen Identität bemerkt hatte. Jedoch lächelte er mich an und sagte: "Schön, Sie bei uns im Team zu haben." Ich lächelte zurück und presste ein Dankeschön hervor um dann schnellen Schrittes meiner Chefin hinaus zu folgen.
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Die 2. Avery
FanfictionDr. Callaway ist neu am Grey Sloan und es fällt ihr schwer sich mit den neuen Kollegen anzufreunden. Denn sie hat ein Geheimnis: Sie ist die Schwester von Jackson Avery. Die Geschichte dreht sich um alle Figuren die Ende Staffel 13 noch da sind, hat...