VII

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Als Jule am Mittag des Tages, an dem der Abschlussball stattfindet, zu mir kommt, um sich mit mir vorzubereiten, findet sie mich auf, wie ich die letzten Tage verbracht habe.
Im Bett, lesend, Schokolade essend  und ab und zu wieder weinend.
"Isabell! Das lass ich nicht zu! Du kommst heute mit, ob du willst oder nicht!"
Ich zucke nur die Schultern.
Es ist doch sowieso alles egal.
Jule befiehlt mir, zu duschen, und ich gehorche einfach.
Wie immer geschickt macht Jule meine Haare, sodass sie nicht in wilden Locken sondern in Eleganten auf meine Schultern fallen.
Auch wie sie mich zu dem Kleid schminkt, ist beinahe genial.
Ihr Makeup und ihre Haare macht sie selbst und sieht fast aus wie ein anderer Mensch, während ich in mir immer noch das dumme kleine Mädchen sehe, das sich in einen Mann verliebt hat, den sie nicht haben kann.
Jule zerrt mich trotzdem zur Schule und dort in die Sporthalle, die festlich geschmückt ist.
Ich seufze auf.
So viele glückliche Paare und ich stehe alleine rum.
Und aus irgendeinem Grund ist es mir egal.
Ich stelle mich irgendwo hinten in eine Ecke und bleibe für mich.
Plötzlich kommt ein Mädchen aus dem Musikleistungskurs auf mich zu und hält mir ein Glas Sekt hin.
"Du siehst aus, als könntest du es brauchen.", sagt sie und hält es mir mit Nachdruck hin.
"Nein, danke... Ich hasse den Geschmack von Alkohol."
"Es geht auch um die Wirkung."
"Ich bin noch nicht achtzehn!"
Sie drückt mir das Glas in die Hand und geht einfach.
Plötzlich fällt mir auf, das sie Recht hat.
Warum sollte ich das nicht trinken?
Man darf ab sechzehn, also los.
Ich nippe daran.
Widerlich.
Trotzdem trinke ich weiter und schon nach kurzer Zeit zeigt sich die Wirkung.
Ich kann mir sogar ein Lächeln abringen.
Die Leute des MusikLK schenken immer mehr Sekt aus und ich nehme an.
Mit dem hübschen, warmen Gefühl im Körper und einem leicht vernebelten Blick geht das ganze sehr viel besser.
Plötzlich glaube ich sogar, Jules Stimme zu hören, wie sie "Aaron ist hier!" ruft.
Ich schaue ins Glas.
Ja gut, das war's dann wohl mit Alkohol für heute.
Doch als ich mich umdrehe, um das Glas wegzustellen, steht Jule wirklich direkt vor mir und hinter ihr...
Aaron.
Ich lege mir die Hand auf die Stirn und atmete tief durch.
Klar, ich bin nicht an Alkohol gewöhnt, aber das ich so schnell anfange zu halluzinieren?
Ich stütze mich auf einen der Klapptische, die rumstehen und kurz bevor er zusammenklappt, packt jemand meine Hüfte und zieht mich hoch.
Ich blinzele einige Male und erkenne schließlich Aarons Augen.
Dann ist das kein Traum?
Er ist wirklich da?
Ich habe keine Ahnung, und doch falle ich ihm um den Hals.
Er umarmt mich zurück und schiebt mich dann plötzlich weg.
"I-i'm sorry.
My grandma told me you came up to her and asked for me and what she explained was bullshit I wasn't in america to see Sam again just to plan the rest of this breakup and I don't know why this was so important to me, I just felt like it would be awful for you!"
Ich starre ihn verständnislos an.
"What?", frage ich.
Er seufzt.
Wir brauchen eine Ewigkeit um uns halbwegs zu verständigen und letztendlich bin ich einfach froh, das er hier ist.
Plötzlich sagt jemand den letzten Tanz an, eine Engtanzrunde.
Aaron fragt mich, scheinbar aus Neugierde, was gesagt wurde und ich versuche es so gut es geht zu übersetzen.
Als die meisten Paare schon auf die Fläche gehen, die am Tanzkuscheln, wie ich das gerne nenne, interessiert sind, schaut Aaron mich an.
Mit einem Mal nimmt er meine Hand in seine und hebt sie, um mir die Hand zu küssen.
"Would you give me that dance, my midnightqueen?"
Ich starre ihn an.
Ich träume doch nur, warum sollte ich den Traum also nicht genießen?
"Sure"
Er zieht mich auf die Tanzfläche, doch schon nach zwei Schritten bemerkt er, das ich sowas von nicht tanzen kann.
Kurzerhand hebt er mich also hoch und stellt meine Füße auf seine, um es uns beiden zu erleichtern.
Mit Aaron zu tanzen ist wie schweben.
Seine Augen sind wie an meine gekettet, während wir mit kontrollierten und leichten Bewegungen über die Tanzfläche wirbeln.
Das warme Gefühl in meinem Bauch kommt nicht mehr vom Alkohol.
Viel zu schnell ist der Tanz vorbei und die Leute des MusikLK jagen alle raus.
Es ist schon fast ein Uhr nachts, doch plötzlich, auf dem Weg zurück in die Gartenkolonie, sagt Aaron:
"Let's go swimming."
Ich sehe ihn verwirrt an.
"What?"
"Let's go down to the lake and go swimming!"
"I didn't bring my swimsuit..."
"You can go in underwear."
Ich seufze, doch um ehrlich zu sein, gibt es nichts, was ich jetzt lieber getan hätte.
Wir gehen zum geheimen Strand und Aaron zieht sofort sein Hemd und seine schwarze Anzugjacke aus, wirft beides in den Sand und kickt seine Schuhe weg.
Ich kann mich nicht abhalten, ihn anzustarren.
Als er mir einen Blick zuwirft, fange auch ich an, an meinem Kleid herumzuzupfen, um den Reißverschluss am Rücken aufzukriegen.
Dämlicherweise ist das eine schwierige Aufgabe.
Aaron bemerkt meine Notlage, kommt zu mir, nur in Boxershort und öffnet den Reißverschluss.
Weil das Kleid es nicht anders erlaubt,  trage ich einen trägerlosen BH, in dem ich wahrscheinlich furchtbar aussehe.
Ich streife das Kleid ab und ziehe mir dann die Schuhe aus.
Vorsichtig lege ich meine Kette und Brille in die Schuhe.
Um die Frisur, die Jule mir gemacht hat, tut es mir leid.
Trotzdem stakse ich in den See, bis Aaron mich hinschubst und ich ins Wasser falle.
Er lacht, kaum das ich wieder auftauche.
"Sorry I needed that!"
Ich seufze auf, dann springe ich ihn an und werfe ihn um.
Prustend taucht er wieder auf, schlägt heftig aufs Wasser und beginnt so einen Krieg.
Ich schlage zurück, und als ich schon die Augen zugemacht habe und den Kopf weggedreht, ist Aaron plötzlich weg.
Verstört sehe ich mich um.
"Aaron?", rufe ich nervös.
Mit einem Mal packt etwas meine Beine, ich quietsche entsetzt, als Aaron auftaucht, mich auf seine Schultern hebend.
Erschrocken halte ich mich in seinen Haaren fest und schaue verwirrt zu ihm herunter, sehe ihn lachen.
Ich habe mir zwar schon Mal gewünscht, Aarons Kopf zwischen meinen Beinen zu haben, aber irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt.
Plötzlich hebt er meine Beine hoch und wirft mich so überkopf ins Wasser.
Ich komme keuchend wieder an die Oberfläche.
Mein BH ist verrutscht und ich ordne ihn hektisch unter Wasser.
Wir schwimmen noch eine Weile herum, necken uns und labern.
Als wir, der Müdigkeit und Kälte wegen, wieder aus dem Wasser gehen , fällt mir auf, das ich so nass bestimmt das Kleid versaue.
Hilflos schaue ich darauf nieder.
Aaron hat sein Hemd schon wieder an und kämpft mit seiner Hose.
"What's the problem?"
"Uhm... The dress... Is..."
Ich habe das Gefühl, das Sprechen verlernt zu haben.
Doch er versteht es trotzdem und kommt auf mich zu, legt mir seine Jacke um die Schultern.
Ich starre ihn an.
An der Gabelung zwischen der Kolonie und der Straße verabschieden wir uns und ich schlendere den Restweg nach Hause, das Kleid über dem Arm, die Jacke eng um mich geschlungen.
Zum Glück ist Aaron ein ganzes Stück größer als ich, sodass mir die Jacke bis zur Mitte der Oberschenkel fällt.
Selbst meine Mutter schläft schon, als ich heimkomme, und sie bleibt immer am längsten auf.
Als ich auf die Uhr sehe, ist es schon halb drei.
Das erklärt die Müdigkeit.
Ich tapse die Treppe hoch und lasse mich sofort ins Bett fallen.
Erschöpft ziehe ich mir noch den BH aus und kuschele mich geistesabwesend in die Jacke.
Sie riecht gut.
Wenn Geborgenheit einen Geruch hätte, würde sie so riechen.
Ich übergehe den Abend noch einmal und erkläre ihn zum Besten meines Lebens.
Dann gleite ich langsam in den Schlaf ab.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 27, 2018 ⏰

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