7. Oswald

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Es war Nachmittag, als die Insel am Horizont auftauchte. Pfeilschatten ging es soweit noch gut, doch ich konnte einfach nicht mit dem Gedanken klarkommen, dass er zum Tode verurteilt worden ist. Das Gift hatte den Nadder sehr geschwächt, jedoch fand ich in seinem Blick immernoch das Licht des Lebens, welches mich Monatelang begleitet hatte.
»Also Leute, die Wächter werden uns durchlassen, aber wenn wir gehen wollen, könnten wir Probleme bekommen«, kündigte Hicks an.
»Ach was! Die kennen uns doch mittlerweile, und mich scheinen sie gemocht zu haben«, erwiderte Dagur.
»Naja, vielleicht. Nichts für Ungut, aber ich glaube, sie werden ihrer Natur folgen«, gab Hicks zurück.
Ich sah die steinernen Drachen sofort, als wir an ihnen vorbeiflogen, und fand es einfach unglaublich, dass das lebende Drachen sein sollten.
Wir landeten am Strand und sobald Rotzbacke meinen Drachen vorsichtig abgesetzt hatte, wurde er von Fischbein untersucht.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich und streichelte Pfeilschatten über den Kopf.
»Das Fieber ist zurückgegangen. Auch die anderen Symptome der Vergiftung. Das ist seltsam...«, antwortete er.
»Heißt das, er ist gesund?«, fragte Rotzbacke, doch Fischbein schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube, dass das an der Art der Vergiftung liegt. Es könnte sein, dass der Körper erst gegen die Erreger ankämpft, aber diese sich dann wie ein Wechselflügler verstecken, und dann, wenn der Körper meint, dass er gesund ist, schlagen sie zurück und geben einem den Rest.«
»Gelber Oleander!«, rief Hicks plötzlich.
»Das ist der Wirkstoff des Gifts!«
»Woher weißt du das so plötzlich?«, fragte Astrid.
»Das hab ich auf einer Drachenaugenlinse mal gelesen. Allerdings auch, dass es kein Gegengift gibt...«
Der kurze Hoffnungsschimmer den ich hatte verflog wieder und ich drückte mich deprimiert gegen meinen Drachen.
»Hicks Bruder, das hätte jetzt echt nicht sein müssen«, meinte Dagur und kam zu mir.
»Komm, lass Pfeilschatten mal seine Ruhe. Ich kann dich zum Grab unseres Vaters bringen. Du hast ihn zwar nicht mehr so gut in Erinnerung, allerdings denke ich, er würde sich in Valhalla freuen dich bei uns zu sehen und wie du an ihn denkst.«
»Deprimierst du sie damit nicht noch mehr?«, fragte Raffnuss, wurde jedoch vollkommen ignoriert.
Meine Schwester und ich folgten Dagur über die Insel zu einem Durchgang bei dem riesigen steinernen Skelett. Was für ein Drache das wohl gewesen sein mag?
»Wow...«, hauchte Heidrun fasziniert, als wir hindurch gingen.
»Das ist schon beeindruckend«, schloss ich mich an.
Als wir durch den Gang gegangen waren, kamen wir in einem fast undurchdringbaren Gestrüpp an, durch welches wir uns erst durchkämpfen mussten. Wir kamen an einer provisorisch zusammengeschreinerten Holzhütte an, vor der ein Grab aufgebaut war.
Ich wusste sofort, dass hier unser Vater bis zu seinem Ende gelebt haben muss und das Grab ihm ist, jedoch wusste ich nicht was ich sagen sollte. Ich kannte ihn wie Heidrun nur noch ganz schwach aus der Erinnerung, im Gegensatz zu Dagur. Ich wusste nicht, ob ich irgendwas sagen oder tun sollte, also standen wir eine ganze Zeit lang nur vor dem Grab rum, bis Heidrun plötzlich das Schweigen brach:»Können wir mal rein?«
»Öhm, klar«, meinte Dagur und öffnete die Tür.
Zusammen gingen wir rein. Es war ziemlich bescheiden gehalten. Hier und dort lagen Holzkisten gestapelt mit Unmengen an Papieren als Inhalt. Doch besonders die Wandmalereien stachen heraus. Oswald konnte das unglaublich gut! Und da viel mir eine besondere Zeichnung ins Auge.
»Hey, schaut mal da!«, machte ich mich bemerkbar und zeigte auf die Stelle an der Wand.
»Das sind ja wir! Nur viel jünger«, kam es von Heidrun.
»Schau mal Dagur, da bist du!«
»Wie alt warst du da? Du hast ja noch nicht dein Tatoo«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Im Verhältnis zu euch zwei würde ich sagen, er hat uns gemalt, da wart ihr zwei oder drei Jahre alt. Also müsste ich da elf oder zwölf sein.«
Irgendwie staunte ich erneut, wie viel älter Dagur eigentlich im Vergleich zu uns war.
»Wer ist eigentlich wer?«, fragte Heidrun und deutete auf unsere Zeichnung.
Wir sahen wirklich aus wie ein die ein und die selbe Person, und ich fing an zu überlegen.
»Das ist gar nicht mal so schwer. Schaut mal. Heidruns Haare sind ein bisschen dunkler und Ragna macht eine komplett andere Pose. Papsi hat es immer sehr gemocht, wenn du ihn mit diesem großen Grinsen im Gesicht angesehen hast«, erklärte unser großer Bruder.
Ich musste lächeln und in  diesem Moment wurde mir eines klar: Egal was auch passieren wird, ich hatte eine Familie. Und egal was auch auf uns zukommen würde, niemand würde irgendwas alleine durchstehen müssen.

Dragons - Brennende WutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt