Natürlich verursachte ein auf mysteriöse Weise verschwundene Fischer und drei schweigende Matrosen, die nach langjährigem Dienste auf See, ihre Arbeit hinwarfen, ein unaufhaltsames Gerede und Getuschel. Gerüchte von Seeungeheuern oder Meerjungfrauen häuften sich und waren in jeder Hafenspelunke Thema. Selbstverständlich glaubte ich solche Ammenmärchen kein Wort. Ich kam zu dem Entschluss, dass der verschwundene Matrose des nächtens betrunken über die Reling gefallen sein musste. Aus Angst vor Vorwürfen und Bestrafungen hielten die übrigen Fischer ihr Schweigen. Aus dieser Erklärung heraus und der Tatsache, dass ich nicht umhinkam, das Geschäft weiter zu führen, entschied ich weiterhin meine Kutter auszuschicken.
Vorerst lief alles wie gehabt, doch dann kam es zu einem ganz ähnlichen Vorfall, bei dem wieder ein Mann von dem Fischerboot verschwand. Auch hier sprachen die zurückgekehrten Fischer kein Wort darüber aus, was passiert sei. Solche Vorfälle häuften sich zunehmend in unregelmäßigen abständen. Wodurch ich mich gezwungen sah, neues Personal einzustellen.
Dies schien sich schwieriger zu gestalten, als gedacht. Bewerbungen, welche mir seit längerer Zeit vorlagen, ich jedoch keine Möglichkeit hatte diese einzustellen, wurden, als ich sie schriftlich einlud zurückgezogen. Gründe, die mir genannt worden sind, waren, dass sie bereits anderweitig untergekommen seien oder nebulöse Aussagen wie sie wären nicht darauf angewiesen, sich solcher Gefahren auszusetzen. Schließlich hätten sie Frau und Kind zu versorgen.
Da es unmöglich schien Personal anzuheuern aus einer ehrbaren Gesellschaftsschicht, beschloss ich meine Suche, auf die Hafenspelunken auszuweiten. Sicher ließen sich die tätowierten rauen Seebären, jene sich in dunklen Kneipen herumtrieben, nicht so leicht von Schauergeschichten einschüchtern. Zwar bin ich bislang um solches Personal herumgekommen. Auch auf den Rat meiner Frau hin, die ihr Ansehen und das des Fischereibetriebes durch so ein unzuverlässiges Gesindel, wie sie es nannte, in Gefahr sah. Aufgrund der misslichen Lage, in der ich mich befand, schlug ich ihren Rat aus und suchte eine Spelunke nach der anderen auf.
Ich nahm die Bakerstreet und von dort bog ich auf die Oldlane. Die erste Lokalität jene ich aufsuchte, war die Portsman. Dunkle Dielen bedeckte den Boden der Gaststätte. Rauch und der Geruch von billigem Whisky erfüllte den Raum und haftete sich an den Mantel und ins Haar. Schnell fand ich das Gespräch zu mehreren Gästen, die auf mich den Eindruck erweckten, dass sie so einige Tage auf See verbracht hätten und Manns genug, um sich nicht vor Ammenmärchen zu fürchten. Ich erzählte ihnen von meiner Fischerei und dass ich ehrliche Arbeit für gutes Geld anböte. Die Antworten waren jedoch enttäuschend. Einige schlugen mein Angebot sofort aus, während ein anderer eine Summe an Geld verlangte, die so lächerlich hoch war, dass ich brüskiert den Männern einen schönen Tag wünschte und das Lokal verließ.
Noch wollte ich nicht aufgeben und nahm den Weg über die Stonersstreet zu einer Schenke, welche ich ursprünglich zu meiden versuchte. Die für zwielichtige Gäste und Treffpunkt so mancher Verbrecherbanden berüchtigte Spelunke Zum ertrunkenen Maat. Über eine schmale Treppe führte der Eingang in einen schwach beleuchteten Kellerraum. Grobe Holzmöbel standen auf kaltem Stein. Männer saßen an verschiedenen Tischen, rauchten, spielten Karten oder betranken sich lautstark. Ich suchte das Gespräch zu der Barkeeperin. Eine in die Jahre gekommene dürre Frau. Wilde Tattoos schlangen sich über ihr faltiges Dekolletee. Ich erklärte ihr, dass ich Matrosen anheuere woraufhin sie mir mit einem wortlosen Nicken eine kleine Schar Seemännern empfahl. Diese saßen am Rand der Schenke und unterhielten sich. Ich gesellte mich zu ihnen und trank mit den Männern, bevor ich mein Anliegen vortrug. Schlagartig verstummten die heiteren Gespräche am Tisch und die Kerle blickten ernst, als wäre jemand aus ihrer Runde soeben verstorben. Zu meiner Zufriedenheit sagten trotzdem vier der Männer zu. Wobei sie sich eine satte Provision aushandelten und direkt klar stellten, dass dies ihr einziger Einsatz wird. Sogar bei einer heilen Rückkehr. Erleichtert für zumindest eine Fahrt, vier tüchtige Seemänner gefunden zu haben, trat ich meinen Heimweg an.
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Das Grauen des Hexenkaps
Cerita PendekAls auf mysteriöse Weise immer wieder Matrosen von Fischkuttern spurlos verschwinden, kann nur eine Fahrt zum berüchtigten Hexenkaps Licht ins Dunkel bringen. Eine unheimliche Erzählung, die den Kurzgeschichten von H.P. Lovecraft nachempfunden ist.