Kapitel 6

177 7 0
                                    

Ich war noch immer wahnsinnig wütend auf Monty. Doch ich konnte es einfach nicht lassen, den Brief trotzdem zu verstecken. Irgendwie hatte ich noch immer die Hoffnung, dass Bellamy ihn finden würde, auch wenn es noch so unwahrscheinlich war. Und dann schrieb ich gleich noch einen Brief, um ihn zu dem anderen zu legen.

Noch immer Tag 39 nach deinem Verschwinden
Ich habe Briefe an dich geschrieben. Ich hatte geglaubt, du hättest sie gelesen. Aber da habe ich mich geirrt. Monty hat die Briefe genommen und mich in dem Glauben gelassen, du hättest sie gefunden. Er wollte mir damit Hoffnung machen.
Ich wünschte, ich könnte ihm das verzeihen, aber ich kann es nicht. Er hätte das nicht tun dürfen.
Und Monty, falls du das jetzt liest und nicht Bellamy: Hör endlich auf, meine Briefe zu lesen! Die sind privat!

Dann legte ich ihn zu dem anderen und ging missmutig nach drinnen. Ich war so enttäuscht. All die Wochen war es Monty gewesen, der meine Briefe gelesen hatte. Monty, nicht Bellamy. An diesen Gedanken musste ich mich erst einmal gewöhnen.
Traurig wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Eigentlich hatte ich angenommen, dass es nicht noch schlimmer werden könnte. Aber da hatte ich mich geirrt.
Und plötzlich wurde mir klar, wie lächerlich das war, dass ich immer noch Briefe versteckte. Bellamy würde sie niemals finden. Und darauf, dass noch jemand sie las, konnte ich wirklich verzichten.
Also lief ich wieder nach draußen, um die Briefe zu holen und sie endgültig zu vernichten. Doch als ich bei dem Felsen ankam, in dem ich sie versteckt hatte, waren sie nicht mehr da. Monty! Hatte er es vorher etwa nicht kapiert?
Verärgert rannte ich zu seinem Appartement und öffnete die Tür, ohne anzuklopfen. Erschrocken blickte mir Monty entgegen, der gerade mit seiner Familie beim Mittagessen saß. „Hab ich mich vorher nicht klar ausgedrückt?", schrie ich ihn an.
„Clarke, wovon redest du?", fragte er völlig perplex.
„Die Briefe!", entgegnete ich. „Ist mein Privatleben etwa so interessant, dass du nicht aufhören kannst, die Briefe zu lesen?"
„Clarke, ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst", meinte er.
„Ich hab noch zwei Briefe in den Spalt gelegt! Und sie sind weg! Erzähl mir nicht, dass du nichts damit zu tun hast!"
„Clarke, bitte glaub mir, das war ich nicht", behauptete er. „Die muss jemand anderes genommen haben."
„Willst du mich verarschen?", fuhr ich ihn an. „Wer außer dir würde auf so eine blöde Idee kommen?"
Er seufzte. „Bitte glaub mir doch. Ich war es nicht."
„Dann gib mir die Briefe", forderte ich ihn auf. „Gib mir alle Briefe, die du je genommen hast."
Also stand er auf. „Komm mit."
Ich folgte ihm in sein Schlafzimmer. Dort kramte er eine Kiste unter dem Bett hervor. „Die Briefe sind da drin", erklärte er und öffnete sie. Doch dann hielt er plötzlich inne. „Das gibt's doch nicht."
„Was ist?", fragte ich.
„Die Briefe sind weg", stellte er fest.
Fassungslos starrte ich ihn an. „Willst du mich vielleicht für dumm verkaufen?"
Da stand Harper hinter mir. „Jetzt beruhigt euch doch alle mal wieder. Was ist denn hier überhaupt los? Um welche Briefe geht es?"
„Frag Monty", entgegnete ich. Dann sah ich wieder zu ihm. „Monty, was heißt, die Briefe sind weg? Wo sind sie?"
„Bellamy hat sie", erwiderte er völlig geistesabwesend.
Stirnrunzelnd blickte ich ihn an. „Wann sagst du mir eigentlich endlich mal die Wahrheit?"
Da drehte er sich zu mir um und drückte mir die Kiste in die Hand. Darin waren tatsächlich keine Briefe, nur ein Zettel mit folgenden Worten:

Sag Clarke, dass ich die Briefe hab.
Bellamy

Zuerst glaubte ich ihm nicht, doch je länger ich auf die Worte starrte, umso sicherer war ich mir, dass das Bellamy's Handschrift war. Das war seine Handschrift. Ohne Zweifel.
„Glaubst du mir jetzt?", fragte Monty.
Ich nickte. „Ja, ich glaube dir."
Das bedeutete, dass Bellamy meine Briefe tatsächlich gelesen hatte. Ich wusste nur nicht wann. Aber jedenfalls konnte ich jetzt weiterhin Briefe schreiben in der Hoffnung, dass Bellamy sie wirklich las.
Plötzlich fiel ich Monty um den Hals. „Danke, Monty." Dann seufzte ich. „Es tut mir leid, dass ich dich so angeschrien hab. Ich weiß, dass du es nur gut gemeint hast. Aber mach sowas bitte trotzdem nie wieder."
Er lächelte. „Nein, das mach ich bestimmt nicht wieder. Versprochen."
Dann ging ich lächelnd zurück in mein Appartement. Dort warteten bereits Lily und meine Mum auf mich. „Clarke, wo warst du denn?", fragte meine Mum besorgt. „Wir haben nach dir gesucht."
„Ich hatte nur etwas zu erledigen", antwortete ich.

Eine Entscheidung fürs LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt