Kampf um Lovlin

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Runter! Lucs Schrei hallte durch ihren Kopf und Sofie reagierte instinktiv. Der Feuerball aus dem Handflammenwerfer des Dorfmagiers sauste dicht über ihren Kopf hinweg. Sofie konnte die Hitze der Flammenkugel spüren und bildete sich ein, versengtes Haar zu riechen.

Sie blieb noch einen Augenblick auf dem Boden liegen und holte angestrengt Luft. Das alles gestaltete sich weniger einfach, als erhofft.

Ihr Plan war es gewesen in das Dorf einzudringen, die Mitarbeiter von Virtus, die für die Bewohner Lovlins Magier waren, auszuschalten und dann Aufklärungsarbeit zu leisten. Sie waren erwischt worden, ehe auch nur einer von ihnen in das Dorf hatte schleichen können. Man hatte sie sogar erwartet. Woher hatten sie nur gewusst, dass sie auf dem Weg waren?

Nun, es spielte keine Rolle. Jetzt galt es erst einmal zu überleben. Ein Rückzug würde nichts bringen und wäre für ihren Plan nicht förderlich. Also mussten sie durchhalten und es erledigen.

Genug ausgeruht!, dachte sie sich und sprang wieder auf die Füße. Sofort stürzte sich eine der Dorfwachen auf sie. Sofie wich aus und griff nach dem Speer, mit dem er sie hatte ausschalten wollen. Mit einer geschickten Drehung entwandte sie ihm die Waffe und hielt sie nun ihrerseits in der Hand.

Als die Wache angriffsbereit zu ihr herumfuhr stutzten sie beide. Es war Sorin, der Hauptmann der Wache.

»Du!«, keuchte er, doch dann erfüllte Hass seine Augen. »Du verschwörst dich gegen deinesgleichen um diesem ... Vieh zu helfen uns auszulöschen?«

Da Sofie sich durch die Waffe in ihrer Hand im Vorteil wähnte, ließ sie sich auf das Gespräch ein. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Nein, niemand soll ausgelöscht werden. Wir versuchen euch zu retten«, erklärte sie fieberhaft.

Das höhnische Lachen, welches der Hauptmann ausstieß, ließ Sofies Zuversicht schwinden. »Retten ... Retten? Wovor wollt ihr uns retten? Die einzige Gefahr weit und breit ist das Vieh in den Wäldern, das uns immer wieder angreift!«

»Du irrst dich! Sie haben mich gerettet. Es gibt etwas viel Schlimmeres als die Wölfe. Nämlich die, die auch für das Verschwinden der Kinder verantwortlich sind. Meine Schwester, Toma ... und all die anderen. Willst du nicht wissen, was wirklich vor sich geht?«

Für einen kurzen Augenblick konnte sie Zweifel in Sorins Augen erkennen. Dann jedoch stürzte er auf sie zu und entriss ihr den Speer.

Diesmal gelang es Sofie nicht vollkommen, ihm auszuweichen und sie nahm wahr, wie die Spitze des Speers sich in ihren Oberarm grub. Sofort schoss ein scharfes Kribbeln durch ihren gesamten Arm und die Geschwindigkeit, mit der die Veränderung sich vollzog, war zu schnell, zu abrupt, als dass Sofie etwas dagegen hätte machen können.

Es war ein instinktives Verhalten. Einer ihrer Tentakel schoss auf Sorin zu – der sie mit schreckensgeweiteten Augen anstarrte – und riss ihm den Speer aus den Händen. Ein kurzer Ruck und die Waffe zerbrach in zwei Teile.

Sofie biss die Zähne zusammen, um Sorin nicht zu verletzen. Ihr Tentakel schien nach Blut zu dürsten, nun wo es derart nah war. Doch ebenso, wie sie die Bewegungen instinktiv steuerte, so wusste sie auch, dass Blut das Böse der Infektion nähren und stärken würde. Sie würde nicht mit den Tentakel töten. Niemals!

»Du bist eine von denen! Du bist auch so ein Vieh!«, schrie Sorin und griff nach dem Dolch, den er in der Scheide seines Gürtels trug.

Es gelang ihm nicht, zum Angriff überzugehen. Luc tauchte auf und rammte gegen den Körper des Wächters. Sie gingen beide zu Boden. Ehe Sofie irgendetwas sagen konnte, gruben sich die Zähne des Wolfes in Sorins Kehle.

Nun würde es noch schwerer werden die Dorfbewohner zu überzeugen. Sorin war hoch angesehen gewesen, als sie noch im Dorf gelebt hatte. Daran würde sich nicht viel geändert haben. Doch es brachte nichts, sich nun darüber zu ärgern. Der Kampf tobte immer noch um sie herum.

Luc und sie tauschten einen kurzen Blick und dann wandte sich jeder von ihnen dem nächsten Gegner zu. Einer der Magier kämpfte mit Gaian. Sofie dachte nicht lange nach und eilte dem Bruder ihres Gefährten zu Hilfe.

Sie sprang den Magier von hinten an, zog im Sprung bereits ihren Dolch und zog ihn über die weiche Haut an seinem Hals. Das Blut, welches aus der Wunder hervortrat nicht beachtend, musterte sie Gaian für eine Sekunde. Er schien unverletzt. Welch ein Glück.

Ohne sie wäre der Jüngling gar nicht hier auf dem Schlachtfeld zu finden. Doch da Sofie darauf bestanden hatte die Krieger zu begleiten, musste man es auch Gaian gestatten. Dadurch hatte sie ihre Entscheidung schnell bereut, war jedoch nicht gewillt gewesen, sie zu revidieren. Nun sah sie es als ihre Pflicht an, zu verhindern, dass er zu Schaden kam.

»Geh zu Luc!«, wies Sofie Gaian an und drehte sich dann um die eigene Achse. Ein Mann in Wächterkleidung kam auf sie zu gerannt. Sofie stellte ihre Beine ein wenig auseinander, um besseren Halt zu bekommen und bereitete sich auf seinen Angriff vor.

Er preschte auf sie zu und zog im Lauf ein Schwert. Sofie zögerte. Sie selbst hatte den Schwertkampf nicht erlernt, also blieb ihr nur der Dolch oder der Handflammenwerfer. Da sie noch nicht gewillt war, den Mann gleich zu töten, stellte sie sich darauf ein zur Seite auszuweichen, eine Drehung zu vollführen und den Mann dann von hinten anzugreifen, sobald er durch seinen eigenen Schwung an ihr vorbeigerannt war.

Als der Moment kam, ging alles schief.

Sofie rutschte auf dem vom Blut durchtränkten Boden weg und fiel schmerzhaft auf den Boden. Der Mann, der sich immer noch im vollen Lauf befand, das Schwert hoch erhoben und bereit zum finalen Schlag, konnte nicht mehr ausweichen und fiel über sie.

Seine schweren Stiefel trafen Sofie an der Schläfe und für einen kurzen Augenblick wurde ihr schwarz vor Augen. Sie versuchte das Bewusstsein zu behalten. Wenn sie nun ihre Sinne verlor, wäre es für jeden Gegner ein Leichtes sie zu töten.

Schwankend und stöhnend drehte sie sich um den Wächter anzusehen, für den Fall, dass er sie erneut angreifen wollte.

Es wäre nicht nötig gewesen. Der Mann hatte sich mit seinem eigenen Schwert aufgespießt, als er über sie gefallen war. Sofie schüttelte sich kurz und rappelte sich schließlich auf.

Sie sah, wie die Wölfe die restlichen Wächter zusammentrieben und umzingelten. Magier konnte Sofie keine lebenden mehr entdecken. Es sah aus, als wäre das Schlimmste vorerst vorbei. Nun galt es, die Dorfbewohner zu überzeugen, dass sie nichts Böses im Sinn hatten. Ein schwieriges Unterfangen, nachdem sie derart viele von ihnen getötet hatten.

Fedora Chroniken III - Keim der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt