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"Ey diggah das is jetzt nich dein Ernst oder?", blickte ich auf meinen Kumpel herab der gerade vor mir auf meinem Bett saß.
Er hat gerade meinen letzten Schluck Mountain Dew weggesoffen.
Gooott.... wie ich es hasste wenn jemand mir meinen letzten Schluck, Happen.... piece of Lebensmittel... was auch immer... wegfrisst. Vor allem wenns meins ist. Alter warum teile ich überhaupt noch mit dem Spassten.

"Sei mal froh dass ich dir Kalorien gespart habe", sagte er neckend und sah zu mir hoch.

"Halts maul Monobraue", meinte ich nur schmunzelnd, und boxte ihn freundschaftlich auf die Schulter, während ich meinen Blick nicht von seinem Gesicht abwenden konnte.

Ich konnte es nie. Ich bin einfach jedesmal fassungslos wenn ich seine Augenbrauen sehe.

Er hatte halt wirklich fast eine Monobraue, und ich weiß nicht warum er sich seinen Tripple - brow- Kumpel der genau zwischen seinen beiden anderen Augenbrauen wächst mal abrasiert oder so. Heilige Scheiße, jedesmal wenn ich dahingucke und diesen dreieckig geformten Büschel sehe, krieg ich'n Bedürfnis Miniwaxstreifen zu kaufen.

Jacob guckte uns nur amüsiert zu. Er war das ja schon länger gewohnt als Monobraue, alias Anthony.

Das neu geöffnete YouTube Video begann zu spielen. Ich bestand drauf eine Folge einer Polizeiserie zu gucken. Also ernst nehmen konnte mans nicht wirklich aber lustig ist es ja alle male. Entweder weil die Schauspieler schlecht sind oder weil die Story einfach ultra banal ist.
"Aha... ein Überfall. Klarer Fall für Clara Fall!", sagte ich pseudo-besserwisserisch, weshalb ich jetzt einen 'what the fuck' Blick von meinen beiden Kumpels erntete.

"Oh mein Gott kann mich jemand erschießen", murmelte einer von beiden in sich rein. Mensch man kann doch mal versuchen witzig zu sein oder?! Das war ein Buch was mir meine Mutter mal geschenkt hatte als ich 14 war oder so.

Ihr wisst schon. In der Zeit wo man die ganze Zeit in seinem Zimmer einsperrt, oder nie zuhause ist, die Eltern sich fragen was mit einem los ist und man sagt es ist alles in Ordnung und sie glauben's einem nicht.
Man pubertiert so vor sich hin und die Eltern denken immernoch man ist ihr kleines Mädchen, bevor sie irgendwann merken "Au scheiße die hat ja Titten!", und einem dann anfangen Verhütungstipps zu geben.
Oder jedliche männliche Präsenz kritisch zu beäugen. Komischerweise kam das eher von meiner Mum. Das Klischee besagt ja, dass Papa auf sein kleines Mädchen aufpasst, aber ihn hats nicht so viel gejuckt oder eher nicht so viel gestört.

Meine Mutter war da anders. Heilige scheiße jedesmal wenn ich bei einem Jungen war warf sie mir giftige Blicken zu. "Mimimi schon wieder so spät zuhause mimi" oder "Wo warst du denn heute schon wieder? Scheinst ja nicht viel am Familienleben interessiert zu sein." Übrigens durfte niemand bei uns in der Wohnung übernachten. Nicht mal meine weibliche beste Freundin. Nene und Jungs schonmal garnicht, und vor allem nicht im selben Zimmer wie ich. Naja, als ich 19 war und mein Abi hatte, beschloss ich mich aus dieser Verklemmtheit zu lösen. Ich bin schließlich in Deutschland im 21.Jahrhundert aufgewachsen und nicht in Südostasien vor 70 Jahren, wo asiatische Frauen noch teilweise zwangsverheiratet wurden und Sex vor der Ehe oder eine platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau nicht möglich war.

Jedes Mal. Jedes verfickte Mal wenn wir bei meinen Verwandten mütterlicherseits in Vietnam waren, wurde darüber diskutiert ob ich nicht wie 'normale' Mädchen mich schminken, hübsch machen und mit Mädchen meine Zeit verbringen konnte. Seit dem 4 Jahre alt war und mit Jacob befreundet war. Ich mein das muss man sich mal vorstellen! Mit vier. Mit vier soll ich sexuell aktiv mit dem werden oder was?! Da wusste ich doch nichtmal was ein Penis ist!!
Die waren alle krank. Oder zumindest extrem verklemmt.

Ihrer Meinung nach sollte ich keinen Kampfsport machen, nicht HipHop sondern Jazz tanzen und am besten noch alle Kleider der Welt anstatt gemütliche Jogginghosen anziehen.

Und so kam es, dass sich klein Neece nicht mehr wirklich zu denen hinwollte. Mein Vater, welcher Amerikaner war, verstand es. Meine Mutter eher weniger. Deshalb hat sie meine Beschwerden, welche ich seit dem ersten Tag an hatte einfach als Kleinkindkacke, und zwang mich mit.
Wir konnten uns nicht mal ein Hotel nehmen oder so. Wäre ja 'unhöflich' gewesen. Achja und dass sie mich in ne Schublade steckten und vor meinen Augen über mich lästerten war nicht unhöflich oder was?!

Anyways.
Mein Vater wurde von der Familie eh nie mit dem Arsch angeguckt. Er war schließlich kein krasser Reallife-Monopoly Spieler, sondern hat sich in Deutschland ein Lebensunterhalt als Industriemechaniker verdient.
So beschlossen wir die 4-Jahres Routine zu unterbrechen, weil wir beide die Nase voll hatten. Meine Mutter war nicht besonders erfreut, aber als ich 12 war, blieb ich zum ersten mal die Sommerferien über Zuhause mit meinem Vater, während meine große Schwester, welche das Vorzeigekind schlechthin war, mit meiner Mutter alleine nach Vietnam flog.
Meine 4 Jahre ältere Schwester war das komplette Gegenteil von mir. Sie war ein richtiges Klischee-Mädchen. Immer gut gekleidet, aufgetakelt, super Noten in der Schule, konnte nicht viel mit Jungs anfangen und tanzte gerne Paartanz.
Und ich weiß, was ihr jetzt denkt: Boah sie müssten sich so richtig gehasst haben. Nee. Ganz im Gegenteil: Wir haben uns immer lieb gehabt und gut verstanden. Das, was sie nicht konnte, konnte ich, und andersrum. Also alles ziemlich easy.

Jedenfalls waren es die besten Sommerferien meines bisherigen Lebens. Da Jacobs Familie auch verreiste und er keine Lust hatte im fucking Sommer Skifahren zu gehen, was man denke ich sehr gut nachvollziehen kann, haben wir jeden Tag bei uns zuhause gechillt oder sind mit meinem Vater an den See gefahren. Und ins Disneyland. Sechs Wochen ohne nervige Verwandte, die einem sagen wollten, was man zu tun hatte, sondern mit Menschen die einen so akzeptierten wie man war. Ich war eh schon immer das Vaterkind schlechthin. Unsere Einstellung war einfach gleich, während meine Schwester eben mehr das Mutterkind war. Ihre Einstellung war auch dementsprechend ähnlich, wobei sie doch etwas liberaler war als die meiner Mutter. Und seit dem sie einen Freund hat, ist sie eh ganz chillig drauf. Sie ist jetzt 26, verheiratet und hat nen Kind. Heilige Kacke.

Aber bevor ich Euch jetzt mit Geschichten meiner Familie zulaber, was ich wirklich den ganzen Tag machen könnte, werde ich jetzt wieder zurück an den Punkt springen, wo wir noch nicht abgeschweift sind.

Back to reality....

Neece. ✔️ | #WaveAward2019 #GlamBookAward2019 #iceSplinters19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt