Vier Wachen (Kapitel 4)

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Die Person musste Jahre lang nicht geduscht haben, der Schweiß und die fettigen Haare konnte man sowohl riechen als auch sehen. Als der ungewaschene Kerl endlich ausstieg, war ich erleichtert, doch das hielt nicht lange.

Vorne in der Straßenbahn stiegen ausgerechnet Danny und sein Freund ein, was mich zum Aussteigen brachte, nur dass die Tür vor mir zuging. Ich zog mir meine Baseball-Cap nur noch tiefer ins Gesicht und war umso froher, dass die beiden besseres zu tun hatten und mich ignorierten. Langsam wurde ich nervös. Selbst wenn sie mich nicht sahen, konnte sich das jederzeit ändern.

Kurz vorm Midway verließ ich zum Glück die Straßenbahn, doch das taten auch Danny und sein Freund. So schnell es ging machte ich mich auf den Weg zum Kramladen von Hion, der mir die Beute abnehmen sollte.

Die kleinen Glöckchen klimperten, als ich den Laden betrat und der Mann hinterm großen Tresen horchte auf. Erst sah er hoffnungsvoll zu mir, doch als er mein Gesicht sah, wurde er ernst.

„Hast ja lange gebraucht, Mädchen", murmelte er und blätterte in der Zeitung, die ihn beinahe vollkommen versteckte. „Hör auf zu meckern, ich bin ja jetzt hier und außerdem hast du ja eh nie was zu tun."

Ein Grinsen schlich sich auf das braungebrannte Gesicht und Hions graue Augen glitzerten listig. Langsam legte er die Zeitung nieder und sah zu mir auf. „Na dann zeig mal, was du so hast."

Ich entleerte meinen Rucksack und sah zu, wie Hion seine Lesebrille zurechtrückte. „Achthundert." Ich lachte auf, wurde aber sofort wieder ernst. „Du spinnst ja wohl! Allein für den Füller würde ich das Doppelte bekommen. Und wenn man dann noch die Typen von der Bridger-Familie dazu nimmt, wird's mindestens das Dreifache." „Eintausend" „Dreitausend" „Eintausendeinhundert" „Zweitausendneunhundert"

So ging es immer weiter, bis wir uns auf der Mitte begegneten. „Na schön Zweitausend, aber nicht mehr." „Deal." Ich streckte ihm meine Hand hin und lächelte, als er sie ergriff. „Dann muss ich aber noch einmal ins Lager."

Ich nickte und er verschwand im hinteren Bereich des bunt gestrichenen Ladens. Mein Onkel übertraf sich immer wieder selbst, was sein Allerheiligstes anging. Mal war der Laden grün, mal orange oder himmelblau. Ständig sortierte er die Ware neu. Ob das alles nur dazu da war, Kunden anzulocken, oder nur, weil ihm langweilig war, war eine Frage, die ich mir ständig stellte.

Ich sah mich weiter um, einfach nur, weil der Laden nie lange so blieb wie er war. Mit einem Glockenklingen ging die Tür auf und zwei Jungen traten ein. Ich wandte meinen Blick ab. Ausgerechnet Danny Bridger und sein Freund standen in der Tür und schauten sich die Verkaufssachen an.

Ich musste Schlucken und zog mir die Cap tiefer ins Gesicht. Mit einem Seitenblick sah ich, dass Danny's Freund als einziger ein Schwert bei sich hatte. Gar nicht schlau, als Familienmitglied ohne Schwert auf dem Midway unterwegs zu sein. Und ich hatte eine dunkle Vorahnung, dass er es noch heute bereuen würde.

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich beide und merkte, dass sie nach etwas Speziellem suchen mussten. „Das Kästchen!", kam mir in den Sinn, aber das hatte ich ja nicht mit. Wenig erleichtert seufzte ich leise und konzentrierte mich auf Danny. Oder besser gesagt seinen Oberkörper.

Wieso war es so toll, da hin zu starren?

Bevor ich weiter gaffen konnte, flog die Tür scheppernd auf und vier Männer mit Klingen stürmten die Pfandleihe. Wieder schluckte ich. Eine Familienfehde. Danny und sein Freund starrten die Männer an, doch alles ging zu schnell.

Eine Faust flog durch die Luft und traf Danny im Gesicht, sodass er bewusstlos zusammensackte. Mit seinem Schnelligkeitstalent wich sein Freund immer wieder aus, aber hier galt es einer gegen vier.

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