Kapitel 4 - Aller Anfang ist schwer

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Kapitel 4 - Aller Anfang ist schwer

Beim Abendessen gingen die Lehrer am Tisch der Novizen entlang und verteilten Stundenpläne.

Lyca schluckte als sie auf das große Blatt Papier starrte. Es waren mehrere Linien zu erkennen die eine Art Gitter bildeten und darin standen kleine Symbole die aneinandergereiht waren, mal waren die Symbolketten länger, mal kürzer, mit Lücken dazwischen.

Sie warf einen verstohlenen Blick zu Mikha hinüber, der wieder neben ihr saß. Seine Augen wanderten interessiert über das Papier und Lyca wurde heiß. Er stieß ein Stöhnen aus und blies sich eine Strähne seines hellbraunen Haares aus der Stirn.

"Na toll. Meine erste Stunde ist ausgerechnet in Kampfmagie. Was hast du morgen als erstes?"

"Ich...ähm..." Mikha sah sie mit so einem selbstverständlich fragenden Gesicht an, dass ihr die Scham beinahe die Tränen in die Augen getrieben hätte. Zum Glück musste sie sich nicht weiter erklären, denn seine dunklen Augen weiteten sich erschrocken und Verständnis legte sich über seine Gesichtszüge.

"Da habe ich ja gar nicht dran gedacht.", meinte er und senkte dann seine Stimme, bevor er fortfuhr: "Du kannst nicht lesen, oder?" Mit hochroten Wangen schüttelte sie den Kopf.

Sie wusste, dass in ihrem Nachbardorf ein alter Mann gelebt hatte, der sowohl lesen als auch schreiben konnte und einige Eltern hatten ihre Kinder zu ihm geschickt um unterrichtet zu werden, doch Lycas Vater hatte immer nur abfällig geschnaubt und meinte dass Bücher zu lesen ihnen kein Brot auf den Tisch bringen würde.

Ihre Zuneigung für Mikha wuchs noch weiter an, als seine Mundwinkel nicht mal Anstalten machten zu zucken, sondern er sie ernst musterte, bevor er die Hand nach ihrem Plan ausstreckte. Bereitwillig reichte sie ihm das vermaledeite Stück Papier.

Er studierte ihn eine Weile und erklärte dann, dass alle Novizen in Gruppen aufgeteilt worden waren, weil sie nicht alle auf einmal unterrichtet werden konnten.

Sie atmete erleichtert auf als er ihr eröffnete in der gleichen Gruppe wie sie zu sein.

Jeden Morgen nach dem Frühstück würden sie sich zwei Stunden in Kontrolle üben, bevor der Vormittagsunterricht erfolgte.

Neben den fünf Magieschulen würden sie außerdem in Geschichte, Literatur und Schwertkampf unterrichtet werden. Nach dem Mittagessen fanden dann die Nachmittagsstunden statt. Vor und nach dem Abendessen hatten sie jeden Tag Zeit für das Selbststudium.

Außerdem erfuhr sie, dass dieser Stundenplan für neunzig Tage ausgelegt war. Danach würden die Lehrer auswählen wen sie in ihre Schule aufnehmen wollten und die anderen würden wieder zu ihren Familien zurückgeschickt werden.

Lycas Hand fühlte sich noch immer an, als würde sie in Flammen stehen. Die Blasen brannten und jedes Mal wenn sie irgendwo gegen kam, zog sie scharf die Luft ein.

Mikha wollte sie nach dem Essen unbedingt zu den Heilern bringen, doch Lyca sträubte sich gegen diesen Vorschlag. Sicherlich würden die Heiler eine Erklärung hören wollen, wie sie es bereits am allerersten Tag geschafft hatte, sich so stark zu verbrennen. Und sie wollte auf keinen Fall noch mehr Leuten davon erzählen, sondern die Demütigung durch Master Darren so schnell wie möglich für immer vergessen. Zum Glück war er zum Abendessen nicht erschienen, aber sie hatte sich sicherheitshalber trotzdem wieder mit dem Rücken in Richtung des langen Tischs gesetzt. Sie spähte immer mal wieder über ihre Schulter, doch der Stuhl rechts neben dem Prinzipal blieb leer.

"Und, welche Schule fandest du heute am spannendsten?", fragte Mikha, während er haufenweise gesalzene Kartoffeln auf seinen Teller lud.

Lyca ließ sich besonders viel Zeit beim Kauen, während sie über die Frage nachdachte. Nach der verstörenden Stunde bei Master Darren, hatte sie sich noch nicht wirklich einen Kopf darüber gemacht was sie denn nun eigentlich von den unterschiedlichen Magieformen hielt. Die Heilkunst war ihr am Morgen spektakulär erschienen, doch wenn sie es jetzt mit den anderen Fächern verglich, fand sie es eher langweilig. Natürlich war es toll, anderen Menschen helfen zu können und sie zu heilen, doch irgendwie war es doch interessanter, ganze Räume schwarz werden zu lassen oder Dinge durch die Luft wirbeln zu lassen.

Purpur - Die MagierinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt