Kapitel 1

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"Wieso beklaust du uns? Deine eigene Familie!"

"Ihr werdet niemals meine Familie sein, verdammt!" schreie ich meinen Vater an. Okay meine Reaktion ist vielleicht übertrieben, aber jedes mal ist es das selbe Thema, das geht mir auf die Nerven. Da das "Gespräch" für mich beendet ist, gehe ich in mein Zimmer und lasse mich an der Tür runter rutschen. Wieder einmal denke ich über alles nach. Ja, ich nehme manchmal Geld aus der Haushaltskasse. Allerdings nie viel.. Und das auch nur, da ich kein Taschengeld bekomme und ich nicht von meinen Klassenkameraden ausgegrenzt werden will. Nagut mittlerweile ist es auch aus reiner Provokation.

Aber das versteht natürlich mal wieder niemand hier. Ich bin das schwarze Schaf der Familie und auch etwas stolz darauf, denn so wie sie wollte ich nie sein. Also so wie mein Vater und seine Frau. Als ich dieser Frau das erste Mal begegnet bin, fragte ich nur, was für eine "Oma" er da denn mitgebracht hat. Ich mochte sie von Anfang an nicht. Sie hat eine komische Ausstrahlung, ich kann es garnicht richtig beschreiben. Naja genug von ihr.

Bevor das alles hier anfing, war ich die kleine Prinzessin meines Vaters. Ich wohnte anfangs mit meiner Schwester bei unserer Mutter in einem kleinem Dorf und das war gut so. Jeder kennt jeden. Aber nein, wir mussten ja unbedingt zu unserem ach so tollen Vater nach Hannover ziehen. Und das alles nur wegen einem Missverständniss, aber das ist nun egal. Jedenfalls lebe ich jetzt seit knapp drei einhalb Jahren bei denen. Zu meiner Mutter habe ich keinen Kontakt. Als ich hergezogen bin, war ich gerade mal 8 Jahre alt und hatte eimige Zeit später Geburtstag, also was sollte ich schon tun? Ich erinnere mich jeden Tag an diesen Abend zurück:

Mein Vater bringt uns an einem Sonntagabend zurück zu unserer Mutter und fährt dann wieder los. Jedes zweite Wochenende sind wir bei ihm, den Rest der Zeit bei unserer Mutter. Im Auto fängt es schon an, dass mein Vater wieder meint, er hätte uns gerne jeden Tag bei sich. Wir sind noch zu jung um zu begreifen, was für Konsequenzen das mit sich bringen würde. Schließlich ruft unsere Mutter ihn an, damit er uns wieder abholt. Sie weint unermüdlich. Wir auch. Weshalb weiß ich nicht mehr. Lisa und ich laufen also in unser Zimmer und fangen an die Koffer zu packen. Unsere Nintendos lassen wir liegen und packen nur etwas Kleidung ein. Wie ein Trance. Einfach reinschmeißen und den Koffer zu machen. Währenddessen reden wir kein Wort miteinander. Die Koffer sind gepackt, aber wir sollen im Zimmer bleiben bis unser Vater da ist. Wir hören Mamas schluchzen und Thomas' Versuche sie zu beruhigen. Ich verstehe das alles noch nicht ganz. Das ist verwirrend. Das Auto unseres Vaters hält gerade aufm Hof, also gehen wir mit den Koffern runter und wollen uns verabschieden. Das können wir aber nicht, denn Thomas stellt sich vor uns und sagt, dass wir einfach gehen sollen und es nicht noch schwerer machen sollen. Also gehen wir schnell raus zu unserem Vater und weinen. Wir fahren los. Wie lange die Fahrt dauert weiß ich nicht. Anfangs weinen wir noch, doch nach einiger Zeit wird es ruhig. Es ist schon spät, sodass wir im Auto einschlafen. Unser Vater weckt uns und bringt unsere Koffer in die Wohnung von seiner Frau. Oder wie ich dachte: Er bringt unsere Koffer in die Höhle des Löwen. Obwohl es eigentlich eine Drachenhöhle sein muss, denn was anderes ist diese Frau nicht. Als wir im 3. Stockwerk ankommen, gehen wir rein und machen uns direkt fertig um ins Bett zu gehen.

So, genug nachgedacht für heute. Ich stehe langsam auf und schleiche mich nach draußen. Ich habe kein bestimmtes Ziel und stehe kurz darauf am Spielplatz. Ich lege mich ins Gras und höre dem Straßenverkehr zu. Ich hasse diesen Lärm, aber er beruhigt mich im Moment. Er übertönt diese Stimme in meinem Kopf, die sagt, ich sei nichts wert. Ich bin nicht beliebt und habe auch nicht viele Freunde. Aber Feinde habe ich mehr als genug.

Run away ~ and never come backWhere stories live. Discover now