•▪■Kapitel 3■▪•

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Mehr wollte auch nicht.
Den zierlichen, kleinen, warmen Körper an sich drückend, stürmte er in Dalarans kalte Luft.

"Möchtest du zu irgendeinem besonderen Ort?", fragte er sie, während er schon durch die Galerie der Portale rannte.
"Tirisfal. In der Nähe von Todesend sollen Feendrachen leben.", erwiderte sie und kuschelte sich an ihn, was ihm ein wenig Röte in die Wangen trieb.
Zum ersten Mal hörte er ihre Stimme und zum ersten Mal berührten sie einander überhaupt.
"In Ordnung. Zuerst müssen wir aber sichergehen, dass unser Vater uns nicht findet." Er sprang durch das Portal und sie fanden sich augenblicklich in der Nähe von Lordaeron wieder.

Vor ihnen erstreckte sich das verseuchte Schlachtfeld und die zerstörten Belagerungstürme.
"Papa hat hier mitgekämpft.", sagte Aria stolz und drückte sich an ihn, als er mit schwarzen Schwingen abhob. "Er war einer der wenigen Heiler."
"Er hätte sterben können...", murmelte Raeion, während er im Slalom um Tirisfals Bäume flog.
Es war leider vonnöten, da er nicht wusste, ob Shairion sie hier verfolgen würde und wenn er es tat, sollte er sie nicht sehen.
"Ist er aber nicht.", summte Aria leise und spielte mit seinen kurzen Haaren. "Oh, und ich weiß, wie wir uns vor Papa verstecken können. Er hat mir erzählt wie man das macht, vielleicht kann ich helfen."
"Das wäre großartig.", erwiderte er, landete und presste sich an einen Baum, als etwas über ihnen herflog.

Es war ein Sturmelementar.

"Wie passend!", strahlte Raeion, verließ sein Versteck und folgte dem Schamanen unauffällig. "Ich habe nach einem Schamanen gesucht. Ist es in Ordnung, wenn wir ihm folgen, Aria?"
Anstatt eine Antwort zu geben, vergrub das Mädchen ihr Gesicht in seiner Halsbeuge.
"Ist alles in Ordnung?"
Sie nickte heftig. "Ich mag's nur, wie du meinen Namen aussprichst..."
Raeion schmunzelte und drückte sie fester an sich, als auch sie sich fester an ihn klammerte.
Dann wandte er seinen Blick wieder nach oben, der Schamane flog höher, wohl um auf dem Berg vor ihnen zu landen.
Nur ungern verließ Raeion sein Versteck, folgte ihm auf den Berg und landete hinter ein paar Bäumen, als auch der Schamane landete.
Der Reiter des Sturmelementares war ein Troll mit türkiser Haut und knallroten Haaren, die steil bergauf standen.

"Hab' dich geseh'n, Mann.", ertönte seine witzige, raue Stimme und Gras raschelte, als er sich näherte. "Komm' raus. Ich tu' schon nix."
Raeion verließ sein Versteck und starrte direkt in bernsteinfarbene, gewitzte Augen.
Ein Paar Hauer hielten jedoch ordentlichen Abstand zwischen ihnen.
" 'N Schwarzdrache?", fragte er überrascht. "Willste mich umbring' ?"
"Nein, ich habe eine Bitte an dich." Er ließ Aria auf den Boden und nahm ihre Hand. "Ich habe ewig in Dalaran auf einen Schamanen gewartet. Ich wollte fragen, ob Ihr mich unterrichten könntet."
"Ah, da haste mich aba gut abgefang' !", lachte der Troll und machte eine Geste hinter sich. "Ich wollt' gerade mein Laga aufschlag'n. Wenn ihr mir helft, unterrichte ich gern auch euch beide."
"Deal?"
"Deal."

Raeion spähte an der Blauhaut vorbei.
Ein paar Taschen lagen dort, und der Troll schlurfte gemütlich zu ihnen. "Wisst ihr, ich hab' mich tot gestellt, beim Angriff auf Lordaeron. Ich mag dies'n Krieg nich' , und jetzt bin ich quasi im Ruhestand. Ich hab' alle Zeit der Welt für euch."
"Dann haben wir ja tatsächlich einen guten Zeitpunkt und einen guten Schamanen erwischt.", grinste Raeion und beobachtete Aria, als sie sich losriss und ein paar Sachen zusammensuchte, Steine und Zweige, die sie dann stapelte und zu einem Lagerfeuer zusammenbaute.
"Und ich 'n paar fleißige Helfa.", grinste ihr neuer Beherberger und warf Raeion eine Tasche zu. "Einfach öffn'n, die Sach'n werd'n dann von selbst wieda groß."

Er tat wie geheißen und schon lagen alle möglichen Materialien für ein luftdichtes Zelt vor ihm im dunklen Gras.
Er nahm einen großen gebogenen Stock in die Hand und sah fragend zum Troll.
Dieser deutete auf ein Stück Gras, welches sofort verbrannte. "Dahin."
Mühevoll zerrte Raeion den dicken Stock zu dem entstandenen Loch und stellte sicher, dass es gut in der Erde steckte und sah wieder zum Schamanen, der einen weit schwereren Pfeiler in die Erde getrieben hatte und dann zum letzten blickte.
Raeion nahm auch diesen und schleppte auch den zu der dafür vorgesehenen Markierung im Boden und sank dann keuchend neben dem Pfeiler auf den Boden.

"Muskeln müss'n wir dir auf jed'n Fall antrainier'n.", bemerkte der Schamane nickend und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Der Rest is' aba weit leichta, vertrau mir."
Er nickte bloß, sah zu, wie ganz viele Holzbretter und Lederhäute zum Vorschein kamen und bekam die Lederhäute in die Hände gedrückt.
"Ich mach' den Hausbod'n und du 's Dach. Musst einfach die Hak'n in die Schlauf'n steck'n."
Wieder nickte er, benutzte seine Flügel und entfaltete die schweren, mehrschichtigen Häute vorsichtig, suchte den ersten Haken und die erste eiserne Schlaufe, die an den Pfeilern festgemacht war, und arbeitete sich dann Haken für Haken durch, bis die Überdachung endlich fertig war.
Noch baumelte sie lose in der Luft, doch an dem bereits fertigen Teil des Hausbodens konnte er erkennen, dass sie an den Seiten befestigt wurden, um das Haus wirklich luftdicht zu machen.

"Gönn' dir 'ne kleine Pause, ich mach' 'n Rest.", meldete sich der Schamane und werkelte weiter.
"In Ordnung." Er wandte sich ab und sah zu Aria, die gerade einen Zauber beendete und zwei Halsketten vom Boden aufhob.
Beide hatten obsidianschwarze Anhänger in einer goldenen Fassung und die Kette war aus vergoldetem Obsidian.
Die eine hängte sie sich selbst um den Hals, dann lief sie zu ihm und hielt ihm die andere entgegen.
"Ich hab die eben fertig gemacht.", erklärte sie stolz, während er die Kette nahm und sich umlegte. "Die werden uns unsichtbar machen, sogar vor der Erdenseele selbst. So kann sie Papa nicht sagen, wo wir sind, und er kann uns nicht mit seiner magischen Verbindung finden."
"Sehr gut, danke dir." Er lächelte dankbar und nahm wieder ihre Hand, ging zu einem Baum und setzte sich unter ihn, Aria machte es sich auf ihm bequem. "Du weißt, wie man Azeroth führt, nicht wahr?"
"Ja, warum?"
"Vielleicht kannst du es mir beibringen? Mir hat das noch keiner beigebracht." Raeion streichelte lächelnd ihre weiche Wange.
"Wenn ich verständlich genug bin, kann ich das machen...", murmelte Aria, schmiegte sich an seine Hand und lächelte herzerwärmend zurück.
"Danke dir."

Für den Moment schlossen sie ihre Augen und verfielen ins Schweigen.

Jedoch wurde dieses bald wieder gebrochen.
"Ich wär' soweit. Lasst uns unsere Bettlaga erricht'n." Der Troll hielt ihnen eine Hand entgegen und zog erst Aria und dann Raeion auf die Füße und musterte sie ausgiebig. "Ihr wirkt nich' wie Geschwista auf mich. Ich nehm' an, ihr wollt euch 'n Bett teil'n?"
Aria nickte sofort. "Das wäre wunderbar!"
Zwar war er damit einverstanden, jedoch überraschte es Raeion doch, dass die Antwort von der Kleinen kam.
Doch das war mit Sicherheit nicht die letzte Überraschung, die sie für ihn bereithielt, stellte er fest, als sie grinsend zu ihm hochsah.

Doch der Troll merkte es nicht einmal und ging gemütlich zu dem fertigen Haus, welches sogar erstaunlich komfortabel wirkte.
Von irgendwo hatte er Hängematten herbeigezaubert, die 2-Personen-Matte war noch mit Fellen gepolstert, zusätzlich bekamen sie ein Fell, welches wohl als Decke dienen sollte.
Die Einzelmatte des Schamanen war genauso ausgestattet und beide mit den Kopfenden am hintersten Eckpfeiler des dreieckigen Hauses befestigt.

"Fertig." Zufrieden nickte der Troll. "Ich mach' 'ne Pause. Wenn ihr wollt könnt ihr Ess'n machen. Sach'n dafür alle inna letzt'n Tasche."
"Wir schulden Euch etwas.", meinte Raeion und sah zu Aria, die mit einer Hand rumfuchtelte.
"Ich kann kochen! Ich übernehme die Zubereitung!", rief sie und lief schon nach draußen, um das Holz mit einer gezielten Geste zum Brennen zu bringen.
"Aufgeweckt, aba 's scheint, als wär' da was inna Luft.", merkte der Schamane an und legte vorsichtig seine Rüstung ab. "Seid ihr Gejagte?"
"So ähnlich.", gab Raeion verlegen zu. "Wir haben beide denselben Vater, aber unterschiedliche Mütter und sie wollte unbedingt weglaufen, hat sogar ihre Eltern verwirrt, damit wir beide laufen konnten. Na ja, wir vermuten, dass ihre Eltern uns jetzt suchen, aber sie hat vorgesorgt, also sollte es kein Problem sein."
"Wird schon schief geh'n. Viel Glück bei der Jagd."
"Danke." Schwach lächelnd verließ er das Haus und hielt Ausschau nach einem unverseuchten Wildtier.
In der Ferne sah er jede Menge von ebendiesen...

"Bin gleich wieder da.", meldete er sich bei Aria ab, wuschelte ihr im Vorbeigehen durch die samtigen Haare und entschied sich, sein Opfer von oben zu erledigen.

The might of AzeriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt