Kapitel 7 - Alex

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Alex POV

Schweigend nahm ich meine Hand von Suris Schulter und beobachtete, wie sie die Bibliothek mit gesenktem Kopf verließ. Manchmal könnte ich mir für solche Aktionen selbst eine reinhauen. Wenn sie vorher nicht vorhatte, jemandem von dem Buch zu erzählen, dann spätestens jetzt.

Niedergeschlagen raufte ich mir die Haare und hob das Buch hoch, das sie die ganze Zeit über in den Händen gehalten hatte. Posttraumatische Belastungsstörungen. Ich schüttelte den Kopf und schob es zurück an seinen Platz. Sie war nicht die Erste, die mich zu analysieren versuchte und sie würde vermutlich auch nicht die Letzte sein.

Ich konnte es nicht leiden, wenn sich mir jemand, vor allem Frauen, aufdrängte und mit aller Kraft versuchte, Geheimnisse aus mir heraus zu quetschen und mein Verhalten zu erklären. Wenn auch nur eines der zahlreichen Mädchen, die mir schöne Augen gemacht hatten, tatsächlich herausgefunden hätte, wieso ich der war, der ich nun mal war, hätte ich vermutlich erstmal meine Ruhe von Verehrerinnen. Womöglich sollte ich meine Taktik ändern.

Seit ich denken konnte, hatte ich keine hohe Meinung von Frauen. Mein Vater hatte mir das Bild vermittelt, dass sie Werkzeuge waren, kopflose Puppen, die blind durchs Leben gingen. Einige von ihnen halfen dabei, den Alltag ein wenig erträglicher zu machen, andere trugen einen großen Teil zur Misere bei.

Suri war die erste Person, die je einen Blick in mein Buch geworfen hatte. Sie war die erste, die Einblick in einen nicht nennenswerten Teil meiner tiefsten Gedanken gehabt hatte und ich hatte in ihren Augen gelesen, dass sie sich vor mir fürchtete.

Es sollte mich nicht wundern, immerhin hatte ich es darauf angelegt, dieses ohnehin ängstliche Nervenbündel von einem Mädchen von mir wegzustoßen und einen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Dennoch war da noch etwas anderes, etwas Nachsichtiges, Entgegenkommendes in ihrem Blick gewesen, das die Frage offen ließ, ob sie einen noch größeren Schaden hatte, als ich anfangs angenommen hatte.

Ich steckte die Hände in meine Hosentaschen und lief träge zu den spiegelglatten Arbeitstischen aus Eichenholz, die sich über den Eingangsbereich der Bibliothek erstreckten. Über einem der Stühle hing eine halb zerfallene, graue Winterjacke und mir fiel nur eine Person ein, der sie gehören könnte.

Matt ließ ich mich auf dem Stuhl, über dessen Lehne die Jacke gespannt war, nieder und griff in meine Hosentasche, um mein Notizbuch herauszuholen. Vermutlich sollte ich mir selbst am ganzen Dilemma die Schuld geben. Welcher Vollidiot trug denn auch seine intimsten Gedanken und Geheimnisse zu jedem erdenklichen Anlass mit sich herum?

Ich schlug die erste Seite auf und sog jeden einzelnen Satz, den ich vor vier Jahren niederschrieben hatte, in mich auf. Es war nur einer von vielen Albträumen gewesen, die mich damals heimgesucht hatten und doch war er etwas Besonderes. Er läutete eine neue Ära ein, den Augenblick, in dem ich das erste Mal etwas in diesem Buch festgehalten hatte.

Später bekam das Buch dann einen neuen Nutzen, einen für mich wichtigeren, aufregenderen Nutzen, den wohl nur wenige Menschen nachvollziehen konnten. Die schlampig niedergeschriebenen Zeilen nach so langer Zeit wieder durchzulesen, versetzte mich zurück in eine Zeit, in der ich mich vollkommen hilflos gefühlt hatte.

Das Buch hatte mir nie dabei geholfen, meine Vergangenheit und die kaputten Verhältnisse, in denen ich aufgewachsen war, zu verarbeiten. Der Hass auf meine Mutter hatte sich nur noch mehr verfestigt und die Albträume waren dadurch nicht abgeklungen, sondern schlimmer geworden.

Erst, als ich durch Zufall den Ort gefunden hatte, an dem all dieser Schmerz nicht existierte und der mich sein und tun ließ, was ich wollte, hatte sich mein Leben zum Positiven gewendet. Und diesen Ort würde ich mit niemandem teilen und vor allem nicht mit irgendeinem dahergelaufenen Mädchen, das glaubte, mich einschätzen zu können.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 18, 2018 ⏰

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