Von den Göttern

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  Die alten Götter wollen wir begraben,
Und neue sollen uns nicht aufersteh'n;
  Und denen, die sie angebetet haben,
Wollen wir helfen, künftighin zu widersteh'n,
  Und ihre Tempel und Altäre,
Soll'n Festplatz uns und Tisch zum Schmausen sein.
  Und Dirne, Hure und Hetäre,
Die sich dem Leben und der Liebe weih'n,
  Sei'n hochgeschätzt wie Priesterinnen,
Und unser Gruß soll ehrerbietig sein.


  Kirchen, Moscheen und Synagogen
sei'n fortan Menschen- und nicht Gotteshaus;
  Und all die Lügen, die darin gelogen,
Treiben zuvor wir mit der Wahrheit aus,
  Und Kinder sollen durch die Hallen toben,
Und all ihr Trachten sei im Hier und Jetzt.
  Und alle Herrlichkeit im Himmel droben
Durch Menschlichkeit hienieden sei ersetzt,
  Durch Spiel und Tanz und Mummenschanz,
Dass Frohsinn uns und Heiterkeit ergötzt.


  Und wer uns Glück im Jenseits hat versprochen
Und uns im Diesseits hat verwehrt;
  Sei jener, über dem der Stab gebrochen,
Und seine Kanzel sei verheert,  
  Wer unsre Liebe Sünde hat geheißen
Und unsre Lust als Wollust hat geschmäht,
  Wer Menschenfreundlichkeit als höchstes Ziel tat preisen,
Doch Zwist und Zwietracht hat gesät,
  Dem sei hinfort nur Spott beschieden,
Bis er in Sack und Asche geht.


  Und all die ach so heil'gen Schriften,
Deren Gebote einzig tauglich sind,
  Der Menschen Sinne zu vergiften,
Fortan nur Märchenbücher für uns sind,
  Und warnt die Kinder: Jene Lehren,
An denen Zweifel nicht erlaubt,
  Zu denen man euch will bekehren,
Verdienen niemals, dass man an sie glaubt,
  Denn Vielen, die sonst Freunde für euch wären,
Haben Verstand und Sinne sie geraubt.


  Die alten Götter wollen wir begraben,
Und neue sollen uns nicht aufersteh'n;
  Und vor den Schelmen, die sie uns gepredigt haben,
Soll der Respekt auf ewig uns vergeh'n,
  Und ihre Tempel und Altäre
Soll'n Schlafstatt uns und Bett zum Träumen sein.
  Und Dirne, Hure und Hetäre,
Die sich dem Leben und der Liebe weih'n,
  Sei'n hochgeschätzt wie Priesterinnen,
Und unser Gruß soll ehrerbietig sein.


  Wenn unsre Tage neigen sich auf Erden,
Und jene letzte Stunde naht,
  Nach der wir selbst wieder zu Erde werden:
Bedenkt: Wir werden neues Lebens Saat.
  Auf Friedhöfen wollen wir nicht erschauern,
Sie sollen Parks und Gärten für uns sein.
  Die Toten wollen wir betrauern,
Uns selbst jedoch erneut dem Leben weih'n,
  Mit Spiel und Tanz und Mummenschanz,
Und unsres Daseins froh und dankbar sein.

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