Kapitel 3

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Mit offenem Mund schloss ich die Tür und bedachte Henry Hefford Junior mit einem letzten Blick.

Der Sohn des Modemoguls Henry Hefford Senior, der die Mode der Reichen kreierte war Gast unseres Hauses. Seine Designs waren alle unter seiner eigenen Marke rHoses bekannt - deshalb also hatte ich die Heffords nicht sofort an ihrem Namen erkannt.

Ausgerechnet ich war damit betraut, für das Wohlbefinden des Erben von rHoses zu sorgen. Ob ich seinen Ansprüchen gewachsen war? Ich machte mir eine mentale Notiz, in meiner Pause mehr über diese Familie herauszufinden.

Zunächst erwartete mich jedoch eine Fahrstuhlfahrt mit Bertington. Mit seiner Universalschlüsselkarte hatte er bereits die Personaletage als Ziel ausgewählt.

„Mit dem Namen Hefford kannst du etwas anfangen?", fragte er mich während er seine Reflektion in der verspiegelten Fahrstuhlwand betrachtete. Ich nickte ohne zu zögern. Meinem Vorgesetzten zu gestehen, dass mir erst vor wenigen Sekunden klar geworden war, mit wem wir es zu tun hatten, hielt ich nicht für die beste Idee.

Er verzwirbelte die Enden seines Schnurrbarts und ich hoffte inständig, dass er nicht bemerkte wie ich dabei meine Augen verdrehte.

„Bis zur Abreise der Heffords wirst du Ihnen zur Seite stehen und ihnen jeden Wunsch erfüllen. Große Verantwortung liegt auf deinen Schultern", dabei richtete er seinen Blick auf meine eher schlaksige Statur und hob zweifelnd eine Augenbraue.

„Mr Hefford arbeitet momentan nachts. Sein Tagesrhythmus ist verschoben. Daher die", er räusperte sich, „ nun ja, ungewöhnliche Uhrzeit, zu der er wieder geweckt werden will. Sein Arbeitstag beginnt achtzehn Uhr. Bis dahin solltest du dich wohl ein wenig ausruhen."

Dass Mr Hefford aufgrund seiner Photophobie die Nacht zum Tag machte, hatte ich nicht erwartet. Ich hatte kein Problem damit ab und an eine Nacht durchzuarbeiten, aber mich derart an einen Gast unseres Hauses zu anzupassen, das konnte Bertington unmöglich von mir erwarten.

Nachdem er meinen schockierten Gesichtsausdruck registriert hatte, fügte er noch schnell hinzu: „Selbstverständlich erwartet dich nach Abreise der Heffords, sofern du deine Arbeit tadellos verrichtest, ein Bonus auf deinem Gehaltscheck. Falls dir diese Umstellung zu große Unannehmlichkeiten bereitet, finden wir sicher jemand Anderen, der ein doppeltes Monatsgehalt nicht ablehnen würde."

Wir waren in der Personaletage angekommen und er schaute mich erwartungsvoll an.

Doppeltes Gehalt? Dazu konnte ich unmöglich nein sagen. Außerdem musste ich zugeben, dass es sich wesentlich entspannter anhörte, in der Nacht für den Service eines Zimmers zuständig zu sein, als am Tag für den des ganzen Hauses.

„Es wäre mir eine große Ehre, diesen Dienst zu übernehmen", lautete daher meine Antwort.

Mit einem Lächeln, welches nicht ganz seine Augen erreichte klopfte Bertington mir auf die Schulter und sagte: „Sehr gut, mein Junge." Er wandte sich von mir ab und ließ mich auf dem Gang zu den Zimmern der Angestellten zurück.

Nach einigen Sekunden machte auch ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer am Ende des Ganges. Als ich die Tür hinter mir geschlossen und die Weste meiner Uniform abgelegt hatte, ließ ich mich mit einem Seufzer auf das kleine, aber bequeme Bett fallen. Mein Raum war nicht besonders groß - ein Bett, ein Schrank und ein Tisch hatten Platz, aber bei den Mietpreisen in der näheren Umgebung hatte ich Glück, für wenig Geld ein Zimmer mit angrenzendem Bad hier im Hotel mein Eigen nennen zu können.

Ich öffnete das Internet auf meinem Handy und gab die Suchbegriffe Henry Hefford und Sohn ein. Nach nur zehn Minuten legte ich das Handy wieder zurück auf den Tisch. Während man von Information über das Leben von Henry Hefford Senior, seine neuesten Designs und Auszeichnungen nahezu überflutet wurde, gab es kaum einen Eintrag zu seinem Sohn.

Durch die wenigen Websites erfuhr ich nicht viel mehr als das, was ich eh schon wusste. Er wurde nach seinem Vater benannt, war 25 Jahre alt und hatte als Junge eine Schule für künstlerisch Begabte besucht. Niemand wusste was er nach seinem Abschluss unternommen hatte und womit er sich momentan beschäftigte. Wie konnte man mit einem derartig berühmten Vater im Verborgenen bleiben?

Ich entschied, dass es wohl das Beste sei, sich bis zu meinem Auftreten bei Mr Hefford ein wenig auszuruhen. Da meine Nacht lang werden würde, machte ich es mir auf meinem Bett bequem und schloss die Augen. 

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