Ich erwartete zwar nicht, dass mir jemand öffnen würde, klopfte aber aus Höflichkeit dennoch an die Tür der Premier Suite. Nach kurzer Wartezeit öffnete ich sie mit meiner Universalschlüsselkarte. Diesmal war ich auf die mich erwartende Finsternis eingestellt. Die Vorhänge waren immer noch zugezogen und ich schaltete die Stehleuchte ein, die auch diesen Vormittag gebrannt hatte.
Ich trat an die Tür hinter der ich das Schlafzimmer vermutete und drückte vorsichtig die Klinke hinunter bevor ich durch den offenen Spalt schlüpfte. Ich konnte die Umrisse riesiger verspiegelter Schränke und eines Kingsize Bettes ausmachen. Über die komplette Breite ausgestreckt lag darauf eine unter mehreren Decken und Kissen begrabene Person. Mit einem Schmunzeln umrundete ich das Bett und schaltete die Nachttischlampe ein, wobei ich darauf achtete, den Schirm von Mr Hefford wegzudrehen.
Im Licht erkannte ich ihn nun besser. Er lag auf dem Bauch, Arme und Beine von sich gestreckt, den Kopf in meine Richtung gedreht. Seine Gesichtszüge waren so entspannt, dass er einfach nur friedlich wirkte. Wahrscheinlich sah jeder Mensch beim Schlafen unschuldig wie ein Kind aus.
Noch nie zuvor war ich einem Gast in einer derartig privaten Situation begegnet. Dennoch fühlte es sich nicht unangenehm oder unangebracht an, schließlich war er durch den Weckruf nicht wach geworden.
Ich räusperte mich. Dann sprach ich laut seinen Namen aus. Ich versuchte leichte Schulterberührungen.
Keine Reaktion.
Dieser Mann schlief tief und fest wie ein Tier im Winterschlaf.
Mir blieb nichts anderes mehr übrig, als verzweifelt an seinen Armen zu rütteln, die ich irgendwo unter einer Bettdecke vermutete. Endlich flatterten seine Augenlider.
„Mr Hefford. Guten Morgen, also ich meine ... Guten Abend? Es ist bereits zwanzig Minuten nach Sechs."
Erst bewegte er langsam seine Arme und dann grummelte er etwas Unverständliches - seine Augen immer noch geschlossen. Ich war bereits einen Schritt von seinem Bett zurückgetreten.
„Wie bitte?", fragte ich nach.
„Kaffee", seine tiefe Stimme vibrierte in meinen Ohren. Damit drehte er seinen Kopf in die andere Richtung.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er seinen Zopf zum Schlafen gelöst hatte und seine Haare in sanften Wellen seinen Kopf umrahmten.
„Selbstverständlich. Ich benötige nur einen Moment."
Wenige Minuten später stand ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand wieder vor seinem Bett - diese Suite hatte doch tatsächlich eine eigene Kaffeemaschine.
„Ihr Kaffee, Mr Hefford." Ich platzierte die Tasse auf seinem Nachttisch.
Keine Reaktion.
Das durfte doch nicht wahr sein. Dieser Mann war schon wieder eingeschlafen.
Ich hob meine Stimme. „Mr Hefford." Auch meine Geduld hatte ein Ende.
Aus einer Eingebung heraus zog ich dem Schlafenden die Bettdecken vom Leib, sodass sein freier Oberkörper zum Vorschein kam.
Meine Handlung zeigte Wirkung. Er öffnete seine Augen und fixierte sie auf mich.
Ich erstarrte. War ich zu weit gegangen?
Ich hatte alles erwartet, aber nicht diese Reaktion. Er drehte sich auf den Rücken und fing an zu lachen. Erst nur leise, dann immer lauter und herzlicher. Es war ein klares, helles Lachen, was nicht so recht zu seiner tiefen Stimme zu passen schien.
Perplex beobachtete ich ihn. Wie seine Augen zusammengekniffen waren und zu Tränen begannen, wie sein offener Mund eine Reihe weißer Zähne entblößte und wie sich sein Bauch abwechselnd an- und wieder entspannte.
Von seinem Lachanfall erholt, schlug er auch die Decken über seiner unteren Körperhälfte zur Seite, sodass ich seine in einer langen Flanellhose steckenden Beine erblicken konnte. Diese schwang er über die Bettkante und erhob sich. Er stand nun direkt vor mir.
Wir verharrten einen Moment so, bevor er mit einem Grinsen auf den Lippen im angrenzenden Bad verschwand.
Ich brauchte eine Weile, um mich von diesem Ereignis zu erholen. Langsam löste ich mich aus meiner Starre und fragte mich was eben geschehen war.
Wieder in einem einigermaßen normalen Zustand, fiel mir der Grund für diesen merkwürdigen Zwischenfall ein.
„Ihr Kaffee, Mr Hefford!"
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Excelsior
RomanceWenn sich Sams Leben plötzlich nur noch um das Wohlbefinden einer einzigen Person dreht und diese Person ausgerechnet Henry Hefford Junior ist.