"Stopp."

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Die trockenen Blätter knirschten unter meinen Füßen. Vor mir erstreckte sich hinter einem Absperrgitter ein leerstehendes Gebäude. Er hatte einen abgelegenen Ort gewählt. Ich war davon nicht überracht. Jemand wie er hatte nur zwei Möglichkeiten ein Geschäftstreffen, sowie es unseres war, stattfinden zu lassen. Entweder in der puren Öffentlichkeit, mit genügend Menschen um einen herum. Vielleicht an einem vollen Bahnhof. Immer fähig schnell unterzutauchen und in dem Menschenstrom zu verschwinden. Oder abgelegen - wo ihn sowieso niemand sehen wird.

Wie in dem Brief beschrieben, waren die Gitter direkt neben einem großen Busch nicht richtig ineinander verhakt, so das man hindurch schlüpfen kann. Ich warf kurz einen Blick über die Straße. Wir befanden uns am Stadtrand. Hier gab es wenig bewohnte Häuser, keine Passanten waren in Sicht. Weit entfernt sah ich ein Auto die Straße hoch fahren.

Ich griff nach dem Gitter und quetschte mich hindurch. Dann stand ich in dem abgesperrten Gelände. Eine alte verrottete Holztür stand offen. Ich zögerte nicht, sondern ging mit bedachten Schritten ins Haus.

Einige der Fenster existierten nicht mehr, bei anderen waren die Scheiben zerschlagen. Müll lag in den Ecken und wies darauf hin, dass er nicht der einzige war, der von dem offenen Gitter neben dem Busch wusste. Hier kamen auch andere her. Also gab es doch ein Risiko für ihn.

Ich lief die unteren Räume ab ohne jemandem zu begegnen. Also ging ich die Treppe nach oben. Sie knarrte bei jedem Schritt. Spätestens jetzt wusste er, dass ich da bin.

Oben angekommen blickte ich in die Räume. Wenn er weiß das ich da bin könnte er sich doch wenigstens zu erkennen geben.

Niemand war zu sehen. Verwirrt zog sich meine Stirn in Falten. War er noch nicht da? Hatte ich den Brief falsch gelesen? Oder war ich einem Fake aufgelaufen?

"Bleiben Sie stehen. Bewegen Sie sich nicht."

Ich rührte mich nicht mehr. Eine Männerstimme. Irgendjemand befand sich hinter mir. Wer war es? Er? Oder jemand anderes? Ich konnte nichts gegen die Neugierde tun welche mich meinen Kopf drehen ließ.

"Stopp." Ein klarer Befehl durch welchen ich sofort erstarrte. "Ich würde Ihnen zu Herzen legen wieder nach vorn zu sehen." Seine Drohung war unüberhörbar. Doch irgendwie klang seine Stimme eigenartig. Gleichgültig, und doch amüsiert.

Ich entspannte mich ein wenig und sah wieder geradeaus. Blickte die graue Betonwand an.

"Bei solchen Treffen bevorzuge ich Anonymität." Ich hörte seine Schritte. Er kam näher. "Ansonsten kann ich Ihnen am Ende unseres kleinen Gesprächs nicht die Wahl lassen wieder zu gehen." Seine Stimme war direkt hinter mir. Ich spürte seinen Atem in meinem Haar. Meine Augen waren starr nach vorn gerichtet.

Einen Augenblick blieb es still. Ich spürte seinen Blick im Nacken.

"Ich habe gehört Sie können Leuten helfen unterzutauchen." Unterbrach ich die Stille.

Er wartete einen Moment. "Sie sind keine gesuchte Verbrecherin. Wieso sollten Sie untertauchen wollen?"

"Ich dachte Sie sind deshalb so beliebt weil Sie eben keine Fragen stellen?", konterte ich.

Er antwortete nicht. Obwohl ich darauf wartete, machte er sich nicht die Mühe darauf zu reagieren. "Ich möchte neu anfangen. Weit weg von hier, wo mich keiner kennt. Das ist mein Anliegen."

Erneutes Schweigen seinerseits.

"Ich kann Sie bezahlen. Ich habe genug Geld."

Immer noch kein Lebenszeichen von ihm. Verwirrt stand ich schweigend da. Ich spürte ihn noch. Er war noch da. Testet er mich? Aber auf was? Ich entschied mich dazu einfach weiter stehen zu bleiben. Schweigend. Die Zeit schien in Zeitlupe zu vergehen.

"Sie sind sehr geduldig.", ertönte seine Stimme.

Ich zögerte. "Danke."

"Das war nicht als Kompliment gemeint.", kommentierte er. "Sie müssen wissen, ich bin seeeeehr ungeduldig. Also kommen wir zum Geschäftlichen."

Was sollte das denn? Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass er derjenige war der Schweigsam gespielt hat und die Zeit ausgesessen hat und ich schon längst zum Geschäftlichen gekommen war. Doch ich schwieg. Es war jetzt an ihm mir endlich eine Antwort zu geben.

"Sie haben das Geld und möchten verschwinden.", fasste er zusammen. "Irgendwelche Wünsche? Karibik? Oder doch lieber in die Berge?"

"Italien." Meine Antwort kam etwas zu schnell. "Italien wäre gut.", setzte ich hinzu.

"Italien.", wiederholte er. "Interessant. Machbar. Dein Einsatz?"

"Einsatz?" Ich war verwirrt.

Ich hörte ihn stöhnen. "Dein Geld. Was bietest du mir für dein Italien?", erklärte er mir.

Ich stutzte. Ich sollte ihm eine Summe nennen? "Ihr kennt euch besser mit den Beförderungskosten von Personen aus.", erwiderte ich. "Nennt mir den Preis."

"Der Preis..." Ich spürte plötzlich seine Finger in meinen Haaren. Im ersten Moment spannte ich mich an, dann ließ ich ihn machen. Er fuhr mit seinen Fingern durch mein Haar. "Reden wir zuerst über die Anzahlung. Der Preis lässt sich später vereinbaren."

"Anzahlung? Was meinen Sie damit?"

"Haben Sie gedacht Unterzutauchen geht schnell? Das Sie morgen in Ihrer neuen Wohnung hocken und Ihr altes Leben vergessen können?" Er lachte plötzlich leise. "Naiv. Alles sind so naiv!" Das letzte Wort rief er laut hinaus in die Welt. Ich zuckte zusammen. Dann spürte ich wieder seine ruhigen Hände in meinen Haaren. "Nein. Es braucht Vorbereitungszeit. Ihre Anzahlung wird sein, diese Zeit bei mir zu verbringen."

Ich versteift mich. "Bei Ihnen?"

Seine Finger tanzten plötzlich über meinen Nacken. Kalte Fingerspitzen sendeten mir einen Schauer über den Rücken.

"Und dort werden wir unsere Gespräche ständig so verbringen?", sprach ich aus.

"Nein, mein Vogel."

Mein Vogel?! Ich bezweifelte das es eine gute Entscheidung wäre mit ihm mit zu gehen.

"Wenn du mein Angebot annimmst gibt es keinen Grund mich vor dir zu verstecken, immerhin wanderst du aus, nicht wahr?"

Ich schwieg.

Seine Hände verschwanden plötzlich. "Wie entscheidest du dich?", fragte er.

Er war ein verrückter Krimineller. Aber die einzige Chance zu verschwinden. Ich erinnerte mich an das was geschehen war. Meine dunkle Vergangenheit. Ich wollte raus, ich hatte mir geschworen zu verschwinden. Außerdem war die Flucht der einzige Weg der mir noch blieb.

Entschlossen drehte ich mich herum und blickte in dunkle, grüne Augen. "Ich nehme an."

- James -

"Ich nehme an."

Ich grinste sie an. Sie war ganz anders als die anderen die verschwinden wollten. Sie war interessant. Sie machte mich neugierig. Und ich hatte Lust. Lust zu spielen.

Mal sehen ob sie sich als ein ehrenwürdiger Gegner erweist.

- Caith -

Der fremde Mann vor mir grinste breit. Ich konnte nicht verhindern das ich begann ihn zu mustern. Er war erstaunlich elegant gekleidet. Zwar trug er keinen Anzug doch vom teuren Mantel bis hin zu den politierten Schuhen strahlte er Eleganz aus. Und Geld. Es war mehr so als würde ich vor einem Millionär stehen und keinem super Verbrecher.

"Unter diesen Umständen würde ich mich gerne noch einmal offiziell Vorstellen." Er hielt mir die Hand hin. "James."

Automatisch ergriff ich seine Hand. "Caith.", erwiderte ich.

"Caith." Langsam wiederholte er meinen Namen. Er hielt meine Hand noch immer und zeigte keinerlei Anstalten los zu lassen. "Entschuldigen Sie die Sicherheitsvorkehrungen die wir treffen müssen."

Ich runzelte die Stirn. "Was für Sicherhei..." Ein ersticktes Keuchen drang aus meiner Kehle.

Jemand hatte mir von hinten einen gezielten Schlag in den Nacken verpasst. Ich bemerkte noch wie sich der Griff um meine Hand festigte, dann wurde alles schwarz.

The case of Caithlyn Miller - Moriarty FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt