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Es ist früher Morgen. Ich wache auf, weil mich ein sanfter Sonnenstrahl an der Nase kitzelt und mich niesen lässt. Ich setze mich auf und sehe mich um. Was? Warum sieht mein Zimmer so anders aus? Mein Bett steht neben einem großen Fenster, das von schweren Gardienen teilweise verdeckt wird. Links von meinem Bett steht ein großer weißer Kleiderschrank, gegenüber vom Bett, neben der Tür, befindet sich ein weißer Schreibtisch. Stimmt ja. Das neue Haus.
Nachdem ich die 10. Klasse abgeschlossen hatte, sind wir hierher gezogen, in ein kleines Dorf mit total wenig Infrastruktur. Hier gibt es einen winzigen Supermarkt, das Gymnasium, das ich ab heute besuchen soll und eine Kindertagesstätte. Wahnsinns Angebote für eine 16-jährige, nicht wahr?

Wenigstens geht die Schule erst um 9 los. Vor Sonnenaufgang läuft hier sowieso gar nichts. Ich schleppe mich aus dem Bett, öffne den Schrank und ziehe Klamotten heraus. Dann wanke ich gähnend ins Bad, links neben meinem Zimmer und mache mich in Ruhe fertig. Nachdem ich meine Tasche fertig gepackt habe und meine Lieblingsschuhe angezogen habe, gehe ich nach unten in die Küche. Auf der Anrichte liegt ein Zettel von meiner Mutter. "Brötchen sind im Schrank, hab einen schönen ersten Tag♡". Goldig wie immer. Meine Mutter kann einfach zuckersüß sein aber wenn man wirklich Pech hat, auch eine echte Furie. Heute ist wohl ein guter Tag. Ich nehme die Brötchen aus dem Schrank und stelle sie zusammen mit Belag aus dem Kühlschrank auf die Anrichte. Ich habe nicht vor, in der Schulmensa zu essen, deswegen schmiere ich mir zwei Brötchen, packe sie mit einem Apfel in die Brotdose und verstaue sie zusammen mit einer Flasche Wasser in meiner Tasche. Anschließend mache ich mir noch schnell ein Müsli mit Früchten und esse es zügig.

Nachdem ich die Küche wieder aufgeräumt habe, nehme ich meinen Schlüsselbund vom Schlüsselbrett und verlasse das Haus. Die Schule ist nicht weit weg, deswegen komme ich gerade noch so pünktlich. Wenn ich jetzt noch auf anhieb den Klassenraum finde, dann nennt mich nur noch die "Unglaubliche"! Die Schule ist echt ganz schön groß, das merke ich nach einer Weile. Ich bin jetzt bestimmt fünf Treppen hoch und runter gerannt und habe immer noch keine Idee, wo der Raum sein könnte. Ich erklimme eine weitere Treppe und habe einen spärlich beleuchteten Flur vor mir. Eine der wenigen Lampen flackert und verleiht dem Gang eine beunruhigende Atmosphäre. Ich habe allerdings keine Angst vor sowas und gehe einfach den Flur entlang. Aus einer offenen Tür scheint etwas Licht. Ich gehe hin und schaue vorsichtig hinein. Ein Mann beugt über einer Frau, die auf einem Stuhl sitzt. Sie ist komplett regungslos und ich wundere mich, was die zwei da wohl gerade tun. Der Mann ist zwar noch relativ jung aber mit Sicherheit kein Schüler mehr. Ich zögere. Was soll ich machen, ohne, dass ich verrate, dass ich die zwei gesehen habe? Ich schleiche ein kleines Stück zurück und stampfe dann extra laut erneut auf die Tür zu. "Hallo? Ist jemand da?", frage ich laut und stelle mich direkt in die Tür. Der Mann hat - Gott sei Dank - mittlerweile von der Frau abgelassen und wischt sich mit dem Handgelenk über den Mund. Sein Blick trifft meinen, seine Augen haben einen merkwürdig schimmernden Rot-Ton. Ich lächele unsicher, als sich auch die Frau zu mir umdreht. Sie drückt sich ein Taschentuch an den Hals, vermutlich um Knutschflecken zu verdecken? Peinlich, peinlich, aber nicht für mich. Ich erkläre mein Anliegen und der Mann wendet sich ab, scheint wohl nichts Interessantes zu sein, und gibt mir Auskunft. "Schönen Dank auch.", sage ich, leicht sarkastisch und verlasse den Raum.

Zu spät betrete ich mein Klassenzimmer, zum Glück ist es nur Mathe, das liegt mir. Alle Blicke ruhen auf mir aber das interessiert mich herzlich wenig. Ich setze mich an den letzten freien Platz in der zweiten Reihe. Neben mir sitzt ein unauffälliges Mädchen, dass mich die ganze Stunde lang anstarrt. Ich gehe nicht darauf ein. Stattdessen wende ich mich, als es klingelt, zu ihr. "Hey, ich bin Ally und wie ist dein Name?", frage ich mit gespielt breitem Grinsen. "Hallo... ich bin Karla. Sag mal sind deine Haare gefärbt oder von natur aus so schwarz?". Der letzte Teil sprudelt förmlich aus ihr heraus und ich sehe ihre Augen strahlen. "Ist Natur.", antworte ich knapp. Von da an hört sie gar nicht mehr auf zu sprechen.

Der Rest des Tages bleibt unspektakulär, Karla quatscht mich voll und zwingt mir ihre Nummer auf. Nach der letzten Stunde verabschieden wir uns und ich gehe nach Hause. Die Sonne senkt sich allmählich und ich beeile mich, nicht zu spät zum Abendessen zu kommen.

Wenn die Dunkelheit ruftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt