Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit

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„Eawyn, da bist du ja!", sagte Rhiada und kam aufgeregt in das Esszimmer gelaufen. Erschöpft von dem anstrengenden Ritt in die Stadt, ließ sich Eawyn auf einen Holzstuhl gleiten.

„Du glaubst nicht was ich hier in der Hand halte." Rhiadas Augen leuchteten während sie das Pergamentpapier mit einem aufgebrochenen Siegel, aufgeregt durch die Luft schwing.

Genervt von dem ganzen Theater, streifte sich Eawyn die Schuhe von den Füßen und seufzte laut.

„Ich platze vor Neugierde.", antwortete Eawyn während sie sich einen Apfel vom Tisch schnappte. Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Auch Rhiada hatte dies nicht überhört, denn sie verdrehte die Augen und setzte sich neben ihrer Tochter auf einen Stuhl.

Ihre Augen glitzerten, als sie sich vorbeugte, die Ellbogen auf ihren Beinen abstützte und den Brief in den Händen hielt.

„Dies mein Schatz", sagte Rhiada lächelnd. „Dies ist eine Einladung von Lord Zarask. Er ist gewilligt dich seinem Sohn vorzustellen. Ist das nicht toll?"

Eawyn glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Hatte Rhiada ihr tatsächlich einen Mann ausgesucht, den sie heiraten sollte?

„Bitte?", krächzte sie als sie sich an einem Stück Apfel verschluckte. „Ich soll den Sohn von Lord Zarask heiraten?"

„Nein, natürlich nicht. Das wäre zwar schön, denn er besitzt ein hohes Ansehen in Angha aber nein. Das Treffen dient zum kennen lernen beider Seiten.", antwortete Rhiada und Eawyn entspannte sich sichtlich. Sie hatte schon von Lord Zarask Sohn gehört; Er war ein Frauenheld und ein grotten schlechter Krieger. Sonderlich ansehend war er ihrer Meinung auch nicht. In Eawyn's Augen war er keine gute Wahl. Gar keine gute Wahl.

„Du weißt, wie ich dazu stehe." Mit ernstem Blick sah Eawyn ihre Mutter an.

Rhiada nickte. „Und du weißt, wie wichtig es ist, einen Namen in der Stadt zu haben.", konterte sie.

„Wir haben doch schon einen Namen. Du hast ihn!"

„Wie du gerade sagtest, mein Kind. Ich habe ihn. Du nicht." Was hatte das zu bedeuten? Wollte Rhiada ihr irgendetwas sagen, dass sie nicht wusste?

„Was meinst du damit?", fragte sie skeptisch.

Rhiada hielt einen Moment inne, überlegte und antwortete schließlich. „Nichts, mein Schatz. Es bedeutet das, wie es ist. Ich besitze ein hohes Ansehen in Angha, aber nur weil ich hart dafür gearbeitet habe. Meinen Namen habe ich mir verdient. Und du sollst ihn dir ebenfalls verdienen. Entweder durch eine Heirat oder durch harte Arbeit" Rhiada stand von ihrem Stuhl auf und lächelte ihre Tochter warmherzig an. „Na los, komm. Wir müssen dich noch für Ralon Zarask hübsch machen."

~

Den ganzen Nachmittag verbrachte Eawyn und Rhiada im Hause Zarask. Das Anwesen war schon von außen prachtvoll gewesen aber das Innere ließ Eawyn den Atem verschlagen. Goldene Kronleuchter hingen von den meterhohen Decken und hüllten den elfenbeinfarbenen Raum in eine angenehme Atmosphäre ein, die durch das tiefe Rot noch verstärkt wurde. Verzierte Türklinken und mehrere Diener, die umher liefen, um den Wünschen ihrer Lords nach zu gehen, waren beeindruckend und schrieen förmlich nach Wohlstand.

Eawyn passte einfach nicht hier hin und sie fühlte sich unwohl, besonders in ihrem hautengen Kleid, in welchem die Brüste fast heraus fielen und ihr das Atmen erschwerte. Außerdem hatte Eawyn sich getäuscht. Ralon Zarask war nicht nur ein grottenschlechter Krieger und Frauenheld, sondern auch noch ein Perverser, der ihr ununterbrochen auf die Brüste starrte. Einmal hatte er sich eine Frucht vom Tisch genommen und gelächelt, Eawyn dabei angesehen und gesagt, dass diese Frucht köstlich aussähe und man unbedingt von ihr Kosten sollte. Am liebsten hätte Eawyn ihn über den Tisch gezerrt und ihm sein lüsternes Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Doch sie übte sich in Selbstbeherrschung und schluckte die Wut herunter, die sich in ihr aufbaute. Denn Rhiada hatte Recht gehabt. Sie musste sich einen Namen in dieser Stadt machen. Entweder durch eine Heirat mit so einem Nichtsnutz oder durch eigene Hand, was Eawyn durchaus bevorzugte. Niemals würde sie jemanden heiraten, den sie nicht begehrte und umgekehrt.

Die Gabe - FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt