4. Die Entquickungsformel

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"Loki-" sagte sie.

Loki lief es eiskalt den Rücken hinunter. Lady Sif war wohl doch zu schlau gewesen, um sich so einfach überlisten zu lassen. Wahrscheinlich beobachtete sie ihn schon die ganze Zeit und wollte ihn nun zur Rede stellen.

"-... muss besser bewacht werden, wer weiß, was er schon wieder im Schilde führt. Lungere nicht in der Bibliothek herum, sondern gehe dort hin, wo man dich braucht"

Erleichtert atmete der Ausbrecher aus. Offenbar war er doch nicht erwischt worden. Er konnte Sifs Aufforderung jedoch nicht Folge leisten, da er sich sonst nur noch einmal vom Kerker bis zur Bibliothek schleichen musste, da er dringend die Zauberformel, mit der er Jane werde retten können, finden musste. Er überlegte sich also eine Ausrede.

"Mir wurde aufgetragen, auf die Bücherschlichter aufzupassen. Nur damit ich sie verteidigen kann, falls die Dunkelelfen noch einmal kommen sollten. Sie dürfen ja noch keine Waffen tragen"

Die Bücherschlichter waren ausgewählte junge Asgardianer und Asgardianerinnen im Teenageralter, die noch mitten in der Ausbildung steckten und sich bei der Arbeit in der Bibliothek ein bisschen etwas dazuverdienen wollten.
Da die meisten von ihnen noch nicht richtig kämpfen konnten, machte es wenig Sinn, wenn sie während ihrer Schicht immer Waffen bei sich trugen.

Lady Sif warf ihrem Gegenüber einen misstrauischen Blick zu. "Und wer hat dir das aufgetragen?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.

"Heute zu Dienstbeginn wurden die anderen Wachen und ich, wie jeden Tag, in verschiedenste Teile des Palasts aufgeteilt, aber der Allvater soll befohlen haben, dass mehr Leute an den öffentlichen Plätzen stehen sollten. Nur, um ein weiteres Massaker vorzubeugen", erklärte Loki beiläufig.

Sif säufzte. "Dann pass bitte wenigstens auf, dass nicht wieder eines der alten Bücher entwendet wird. Letzte Woche hat jemand ein Zauberbuch mitgehen lassen. Wir suchen noch danach"

"Welches?", entfuhr es Loki, der bereits eine schlimme Vorahnung hatte.

"Ach, ich weiß es selbst nicht so genau. Irgendetwas mit Formeln, wie man Personen oder Gegenstände von diversen Mächten trennt", sagte sie schulterzuckend. "Wäre Loki nicht in seiner Zelle, würde ich es ihm in die Schuhe schieben", fügte sie noch hinzu und lächelt verschmitzt.

In Loki baute sich eine dumpfe Wut auf. Ganz vorsichtig, sagte er sich. Früher hätte es ihm vielleicht noch weh getan, hätte er mitbekommen, wie hinter seinem Rücken über ihn geredet wurde, doch heute war alles anders.

Als sie merkte, dass er nicht antwortete sagte sie nur kurz angebunden: "Ich wollte den Prinzen nicht missachten, ich zählte ihn schließlich einmal zu meinen Freunden, bis er... auf die schiefe Bahn geraten ist" kurz zeichnete sich Trauer in ihrem Gesicht ab, dann machte sie kehrt und verschwand wieder durch das große Tor.

Loki atmete erleichtert auf, als sie sich entfernte. Sifs letzte Worte hatten ihn tatsächlich ein wenig zum Nachdenken gebracht, doch dafür war jetzt keine Zeit. Er musste seinen Plan weiter verfolgen und schlich sich dafür hinter die hohen, schweren Bücherregale, wo er sich in eine junge, in dunkeltürkise Seide gewickelte, Bücherschlichterin verwandelte.

Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war, dass das gesuchte Buch noch hier war, wollte Loki trotzdem sein Glück versuchen.
Zu Lokis Vorteil war die Bibliothek so groß, dass er auf seinem Weg zu Magie-Abteilung kaum jemandem, der misstrauisch werden könnte, begegnete. Bei den gesuchten Regalen angekommen, konnte er ebenfalls keine anderen Leute ausmachen, was für diese mysteriöse Abteilung normal war, wie Loki bereits aus Erfahrung wusste.

Schnell und geschickt durchforstete er die verschiedenen Bücher, jedoch konnte er den gesuchten Band nicht ausfindig machen. Nach Sifs Aussage über das gestohlene Werk und dessen offensichtliche Abwesenheit, wusste er, dass er es werde suchen müssen. Loki entschied, seine derzeitige Gestalt beizubehalten, sich jedoch etwas alltagstauglicheres, mit Hilfe seiner Zauberkräfte, anzuziehen und sich seine langen braunen Haare hochzustecken, da er so weniger auffällig war. Dann machte er sich auf den Weg in die Stadt Asgard.

Loki besuchte die eigentliche Stadt Asgard nur selten, da er es hasste, von jedem angegafft zu werden, wenn er privat Dinge erledigen möchte, oder einfach zur Entspannung einen Spaziergang machen will. Das Volk bekommt die königliche Familie, vorallem Loki, nur sehr selten zu Gesicht und obwohl er die Aufmerksamkeit, die ihm bei öffentlichen Veranstaltungen zuteil wurde genoss, schätzte er es, seine Angelegenheiten alleine und ungestört durchführen zu können.

Noch immer in Gestalt des Mädchens marschierte er durch die hohen Säulengänge, welche vor dem Palast plaziert waren und auf den großen Markt führten. Dort angekommen hörte er von allen Seiten Händler ihre Waren anpreisen und Kunden beim Feilschen. Loki hatte sich dazu entschieden, diesen Ort aufzusuchen, da es nicht selten war, bei dem einen oder anderen Stand einen Dieb zu ertappen und wer einmal erfolgreich stiehlt, der schreckt vor weiteren Malen bekanntlich nicht zurück. Loki hoffte so, einen Tatverdächtigen für den Buch-Diebstahl zu finden und damit auch die dringend benötigte Zauberformel.

Er schlenderte scheinbar gedankenverloren zwischen den verschiedensten Geschäften hindurch, jedoch behielt er alles genau im Blick. Und tatsächlich.

Plötzlich nahm er war, wie sich eine junge Dame, wahrscheinlich im selben Alter, wie sein Trugbild, verstohlen umsah und dann schnell ein paar Früchte vom nächstgelegenen Obststand in eine Tasche stopfte. Blitzschnell schritt er zu ihr und hielt sie am Unterarm fest.

"Was tust du?", fragte er streng. Das Mädchen erwiederte einen verwirrten Blick. "Ich habe genau gesehen, was du gerade getan hast und ich muss dir einige Fragen stellen", sagte Loki.

Mit einer raschen Bewegung zog er sie hinter den Stand. "Hör mal, ich muss meinen Eltern helfen, meine Familie zu ernähren. Bitte verrate mich nicht", flehte sie nervös. Loki lockerte seinen Griff um ihre Arm nicht. "Du verstehst das nicht. Du magst vielleicht reicher sein als ich, aber meiner Familie bleibt selbst hier in Asgard kaum Geld zum Leben. Lass mich gehen!", flüsterte das Mädchen eindringlich. Loki blickte an sich herab. In der türkisen Seidentüchern sah er tatsächlich, wie ein Mädchen der oberen Schichten aus.

"Keine Sorge. Ich will nur wissen, ob du etwas über den Aufenthaltsort eines gewissen Zauberbuches, welches aus der royalen Bibliothek entwendet wurde, weißt. Ich brauche es wirklich dringend... Es geht um Leben und Tod", sagte Loki. "Tut mir leid, ich weiß nichts davon", stammelte das Mädchen, jedoch konnte Loki sofort erkennen, das dies eine Lüge war. "Wo ist es?", zischte Loki fordernd. Das Mädchen, welches eingesehen hatte, dass sie aufgeflogen war, seufzte erschöpft. "Nicht hier", flüsterte sie nur, dann zog sie den verwandelten Loki mit sich, weg von dem Markt und den vielen geschäftigen Asgardianern.

Sie marschierten weit weg von dem hoch gelegenen, prächtigen Marktplatz tief hinunter zu dem kleinen Viertel der Armen. Obwohl dieser Bereich der Stadt nur von der untersten Bevölkerungsschicht bewohnt wurde, waren die Häuser dennoch hübsch und sauber, jedoch lange nicht so reich verziert, wie der Rest der Stadt. Die beiden kamen hinter einer Hausecke zum stehen und das Mädchen begann zu reden: "Vorab: ich habe das Buch nicht und ich bin auch nicht diejenige, die es gestohlen hat, aber ich weiß, wer es getan hat und wo es ist" Sie senkte ihre Stimme noch weiter und fuhr fort: "Wenn du versprichst, niemandem, vorallem nicht im Palast, zu erzählen, dass ICH es dir gesagt habe, werde ich es dir verraten " Loki musste fast schmunzeln, da das Mädchen selbst gerade dabei war, das Geheimnis "jemandem aus dem Palast" zu erzählen. Er riss sich jedoch zusammen und versprach, es nicht weiter zu erzählen.

"Gut, dann folge mir", sagte das Mädchen und gemeinsam verschwanden sie in eine schmale Gasse. Der Weg schien eine Sackgasse zu sein, jedoch kehrte Lokis Begleiterin etwas Laub, welches am Boden lag, zur Seite und eine Falltür kam zum Vorschein. Zusammen öffneten sie die schwere Metallplatte und gaben einen dunklen Tunnel frei.

"Du musst jetzt so leise wie möglich sein", flüsterte das Mädchen und legte ihren Finger an die Lippen. Loki bezweifelte mittlerweile, dass es eine gute Idee gewesen war, dieser wildfremden Person in die Abgründe Asgards zu folgen. Vielleicht wusste sie schon die ganze Zeit, dass er der Prinz war und plante, ihn zu ermorden oder gefangenzuhalten und nur für eine schöne Summe Lösegeld wieder freizulassen. Wer weiß, was arme Leute alles tun, um an Reichtümer zu kommen.

Er zögerte noch einige Momente, jedoch wurde ihm dann wieder klar, wieso er eigentlich hier war. Er hatte nichts zu verlieren und auch, wenn er sterben sollte, war es seiner verbliebenen Familie wahrscheinlich egal.

Er seufzte traurig und stieg in den Schacht, welcher in die Schatten Asgards führte.

The Secret Pain of Loki Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt