Ylvi knallte die Klappe des Schachtes hinter sich zu, verteilte schnell ein paar Blätter darauf und hastete weiter durch das Armenviertel und die unzähligen Stufen hinauf in Richtung Marktplatz. Was sie eben gesehen hatte, hatte sie zwar schockiert, aber nicht so ganz überrascht. Ihre mysteriöse Freundin war wirklich nicht die, die sie vorgegeben hatte zu sein. "Sie" war Loki, zweiter Prinz von Asgard, bekannt für sein außerordentliches Talent in der Zauberkunst.
Ylvi war sich sicher, dass er mächtiger war als ihr Bruder, er wusste wohl nur nicht ganz, wie er seine Kräfte am geschicktesten gegen ihn einsetzen konnte. In Asgard gab es offenbar nicht allzu viele andere Zauberer mit denen man trainieren konnte.Ylvi blieb ganz außer Atem an einer Häuserecke stehen. Sie hatte starkes Seitenstechen bekommen und musste sich mit ihren Händen an ihren Knien abstützen, um nicht umzufallen. Sie musste bald wieder bereit sein weiterzulaufen, da Lokis Leben in akuter Gefahr war und es von ihr abhing, ob der Prinz getötet und Asgard zerstört wird oder nicht. Die größte Hürde würde es jedoch sein, überhaupt in den Palast vorzudringen, um Thor um Hilfe bitten zu können. Niemals würden die Wachen ein armes Mädchen wie Ylvi einfach passieren lassen. Thor würde ihr wohl auch nicht glauben, wenn sie ihm erzählte, dass sein Bruder droht, in den Tiefen Asgards, von einem bösen Magier ausgeweidet zu werden, obwohl er doch eigentlich im Kerker sein sollte...
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"In den Kerker! Kommt in den Kerker, Prinz!", rief einer der in eine goldene Rüstung gekleideten Wachmänner Thor zu.
"Was ist los? Versuchen die Gefangenen wieder auszubrechen? ", fragte Thor, welcher gerade beim Training von der aufgeregten Wache unterbrochen worden war.
"Wir wissen nicht ganz, was los ist, aber es geht bestimmt nichts Gutes vor sich", erwiderte der andere Mann.
Thor seufzte. Er hatte erst vor ein paar Tagen die ausgebrochenen Dunkelelfen erledigt, wobei ihm ein ganz besonderer entgangen ist, was schlimme Folgen für ihn und seine ganze Familie gehabt hatte. Schmerzlich erinnerte er sich an den Moment zurück, in dem er versuchte, seine Mutter mit einem, auf die Dunkelelfen gerichteten Blitzschlag, zu retten, jedoch zu spät gewesen war.
"Es geht... Um Euren Bruder", sagte der Wachmann zögernd. "Außer ihm haben wir nach dem großen Ausbruch nicht mehr viele Gefangene, die etwas anstellen könnten"
Thor hatte eine schlechte Vorahnung. "Gut, ich komme", sagte er, nahm seinen Hammer und folgte der Wache in Richtung Kerker.
Die erste Zelle links des Abganges war Lokis, jedoch schien diese auf den ersten Blick nicht sehr bewohnt. Erst, als man ihn darauf hinwies, erkannte Thor die Wölbung unter der Decke im Bett in der Ecke des weißen Raumes.
"Was hat es damit auf sich?", fragte Thor etwas verwirrt.
"Wir dachte zuerst, er schläft", erklärte einer der versammelten Wachleute. "Nur irgendwie würde er dann schon ziemlich lange schlafen...", fuhr er fort. "Außerdem kann man unter der Decke keine Bewegungen erkennen, die darauf hindeuten, dass Euer Bruder atmet"
Als einer der anderen Männer Thors leicht verwirrten Blick bemerkte, sagte er: "Wir schließen also daraus, dass Euer Bruder entweder tot oder geflohen ist"
Diese Tatsache schockte Thor zutiefst. Was würde Loki anstellen, wenn er wirklich ausgebrochen wäre? (Was ihm viel wahrscheinlicher erschien, als dass er in seiner Zelle verendet wäre)
"Lasst mich nachsehen!", rief Thor den Wachleuten zu und begab sich in Richtung des Eingangs der Zelle.
"Das Betreten einer Zelle wird leider nur in äußersten Notfällen autorisiert, mein Prinz", sagte einer der Wachen und versuchte, Thors Vorhaben aufzuhalten.
"Für mich sieht das hier ziemlich nach einem Notfall aus!", konterte Thor, woraufhin der Wachmann seufzte und ihm die Schlüssel zuwarf.
Als Thor es in den Raum geschafft hatte, gelangte er mit drei großen Schritten zu Lokis bescheidener Bettstatt und berührte vorsichtig die Decke an der Stelle an der Lokis Schulter sein sollte. Er spürte jedoch keine Person darunter liegen und riss daraufhin die ganze Decke weg, woraufhin sich herausstellte, dass Loki den Stoff wohl einfach nur eingerollt und den Kerker irgendwie verlassen haben musste.
"Loki ist verschwunden! Ich werde Odin höchstpersönlich davon unterrichten", rief Thor, drängte sich an den Wachen vorbei und eilte die Treppe hinauf. In Wahrheit hatte er jedoch nicht vor, Lokis Verschwinden seinem Vater mitzuteilen, da er seinen Bruder brauchte, um Jane zu retten. Dafür musste er ihn jedoch ersteinmal finden und hoffen, dass Loki ihn bis dahin nicht schon aus dem Hinterhalt erstechen oder sonstige miese Pläne durchführen würde.
Thor entschied sich vorerst einmal dazu, einen kleinen Spaziergang zu machen, um einen klaren Kopf zu bekommen und darüber nachdenken zu können, was er als nächstes tun sollte. Auch wenn er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb.
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Endlich hatte Ylvi die hohen Säulengänge vor dem riesigen Palast erreicht. Zu ihrem Glück gingen überall auch andere Leute umher, weswegen ihre Anwesenheit nicht zu sehr auffiel. Trotzdem versuchte sie, sich vor den Wachleuten, welche zwischen den Säulen verteilt waren, zu hüten.
Völlig außer Atem kam sie am Haupttor an, welches von mindestens drei dutzend Wachen gesäumt war, die mit Adleraugen die ein- und ausgehenden Kaufleute, Diener und Soldaten beobachteten. Wie sollte Ylvi es bloß in den Palast schaffen?Ylvis Hoffnung, den Kronprinzen Asgards je anzutreffen schwand immer mehr. Die Sonne ging bereits unter und wenn sie zuhause nicht bald ein Lebenszeichen von sich gab, würde ihre Mutter nach ihr suchen. Das war nun jedoch ihr geringstes Problem, da Lokis Leben in ihrer Hand lag, falls es nicht schon zu spät war.
Panisch rannte Ylvi vor dem Palasttor hin und her, da sie nicht wusste, was sie tun sollte und ihr auch bewusst war, dass es mit jeder Minute, die sie verschwendete wahrscheinlicher wurde, dass Loki nicht mehr am Leben war.
Ylvi hatte beinahe aufgegeben, als sie plötzlich einen blonden, gut gebauten Mann mit dem unverkennbaren Hammer in der Hand aus dem Palasttor schreiten sah. Sie konnte ihr Glück kaum fassen und lief sofort auf ihn zu. Es blieb nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken, was sie sagen sollte, deswegen viel Ylvi sofort mit der Tür ins Haus.
"Eure Hoheit, Euer Bruder Loki ist in Gefahr! Ich weiß wo er ist!", rief sie, als sie vor ihm stehen blieb.
Thor schien diese Nachricht etwas überrumpelt zu haben und er entgegnete: "Was hat er schon wieder angestellt? Wo ist er?"
"Ich zeige Euch den Weg, aber wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät und Asgard ist verloren!", rief Ylvi aufgeregt.
"Ich folge dir, Mädchen. Aber solltest du es wagen, mich in eine Falle zu locken, wird dich mein Zorn treffen", sagte Thor drohend.
Thor überrragte Ylvi um fast zwei Köpfe und es wäre allein schon deshalb unklug, ihn an der Nase herumzuführen. "Ich versichere Euch, es handelt sich um einen Notfall!", meinte sie.
Thor sah ihr an, dass sie gestresst war, woraus er schloss, dass sie es wohl ernst meinen musste. "Gut, ich folge Euch. Führt mich zu Loki", sagte Thor schließlich und die beiden eilten hintereinander durch die Säulengänge, über den Marktplatz bis hinunter ins Armenviertel Asgards.
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The Secret Pain of Loki
FanfictionLokis Leben verlief bislang eher eintönig, bis sich die Ereignisse überschlagen und er kaum noch damit zurecht kommt. Natürlich möchte er, um seinen Stolz zu bewahren, all seine innere Unruhe vor seinem Umfeld verstecken, was ihm, obwohl er als der...