7. Kapitel

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Die ältere Krankenschwester mit dem Namen Greta ließ sich von seiner Hektik nicht anstecken, nickte ihm zu und wandte ihren Blick nach unten. Konzentriert starrte sie auf ihre Unterlagen und blätterte durch die Krankenakten.
Für Stefan fühlte es sich an wie Stunden, während sie akribisch die Mappen durchschaute. Am liebsten würde er sie schütteln, damit es schneller ging, sie ihm endlich antwortete und er Gewissheit hatte, was mit Karin geschehen ist.
„Frau Noske wurde zum Aufwachen in ein anderes Zimmer verlegt, sodass ihre Tochter jetzt auch wieder zu ihr kann", antwortete sie ihm ruhig.
„Wirklich?", konnte er ihre Antwort nicht glauben und riss seine blau-grauen Augen weit auf.
„Ja, sie wurde vor einer halben Stunde verlegt. Eigentlich sollte Ihnen direkt am Empfang der Intensivstation Bescheid gegeben werden."
„Da war aber niemand."
„Das tut mir Leid."
„Auf welchem Zimmer ist sie denn?", fragte er ungeduldig und wippte ruhelos von seinen Fußspitzen auf seine Hacken.
„Ich bringe Sie zu ihr, Herr Vollmer", drehte sich Greta bereits um und lief los.
Stefan hatte Mühe ihrem strammen Schritt hinterher zu kommen, aber er war froh, dass sie nicht trödelte. Je schneller sie gingen, desto schneller würde er wieder bei Karin sein. Als sie gerade die Intensivstation verließen, sah er Jonas, der mit Frida im Kinderwagen um die Ecke bog.
„Jonas", rief er aufgeregt und winkte ihm hysterisch zu, als dieser sich umdrehte und wieder zu ihm zurückkam.
„Was gibt es denn?"
„Karin wurde zum Aufwachen in ein anderes Zimmer verlegt und Frida kann jetzt endlich wieder zu ihrer Mama."
Wie aufs Stichwort bewegte sich der Kinderwagen und das kleine Mädchen öffnete schläfrig ihre Äuglein.
„Hast du gehört, Frida? Du darfst zu Mami", sprach Stefan sie sofort an und sie legte ihr Köpfchen schief. Stefan zog ihr das Mützchen vom Kopf und öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke, sodass er diese von ihren Ärmchen zog. Er hob sie in seine Arme, warf die Kleidung in den Wagen und drehte sich zu seinem Sohn.
„Jonas, kommst du mit?", doch dieser schüttelte bereits seinen Kopf.
„Genießt zuerst eure Zeit zu dritt. Ich komme die Tage vorbei, damit wir Karin nicht direkt überfordern."
„Danke, dass du mich die letzten Tage unterstützt hast. Frida hat die Zeit mit dir auch sehr genossen und ich bin froh, dass sie so einen wunderbaren großen Bruder hat", er zog ihn zum Dank in eine feste Umarmung.
„Melde dich, sobald du Neuigkeiten hast", verabschiedete sich Jonas von seinem Vater und strich Frida noch einmal sanft mit seinem Zeigefinger über die Wange: „Bis bald, Mäuschen."

Stefan betrat mit Frida auf dem Arm das Zimmer, nachdem die Krankenschwester ihnen den Weg gezeigt hatte.
„Wir müssen ganz leise sein, damit wir deine Mami nicht erschrecken", flüsterte er Frida entgegen, die ihn aufmerksam mit ihren blauen Augen anschaute. Bisher hatte sie Karin noch nicht gesehen, da er das kleine Mädchen in den roten Leggings und geringeltem Shirt mit dem Rücken ins Zimmer trug. Er schob den Kinderwagen an die Wand, nahm den Pinguin heraus und reichte ihr diesen. Als er sich zur Seite drehte, entdeckte Frida ihre Mama. Sie begann freudig zu quietschen und wild zu zappeln.
Karin lag in ihrem Bett, die Lider geschlossen, aber es piepten nicht mehr die monotonen Geräte. Sie atmete selbstständig und ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig und für ihn beruhigend. Auf ihrem Nachttisch standen die beiden Bilder, die er ihr mitgebracht hatte, und vor dem Familienbild lehnte der süße Stoffhase. Stefan konnte seinen Augen nicht trauen und rieb sich diese kurz. Doch es blieb keine Zeit, da Frida immer aufgeregter hampelte. Schnell überbrückte er mit ein paar Schritten die Distanz zu ihr und setzte das kleine Mädchen vorsichtig aufs Bett. Ihr Zappeln endete, als würde sie merken, dass sie sich nun ruhig verhalten musste. Er hielt sie an ihrer Hüfte fest, sodass sie nicht von der Matratze purzelte, und sie drehte ihr Köpfchen zu Karins Gesicht. Ganz vorsichtig legte sie ihre Wange auf Karins Brust und ihr Händchen klammerte sich in die Bettdecke, während sie ruhig atmete und sich fest an sie schmiegte.
„Endlich hast du deine Mami wieder", murmelte Stefan und strich ihr über die blonden Haare.
Er betrachtete Karins Gesichtszüge, die sich bisher noch nicht bewegten. Liebevoll lehnte er sich nach vorne und gab ihr einen liebevollen Kuss. Doch keine Reaktion.
„Ich glaube wir müssen noch ein bisschen warten, bis deine Mama wieder aufwacht, aber wir können uns ein Buch anschauen."
Stefan hob Frida wieder in seine Arme, doch sie krallte sich in den Stoffbezug. Sanft streichelte er ihr Händchen: „Wir bleiben bei Mama, keine Sorge. Wir holen nur dein Buch, setzen uns zusammen auf den Stuhl und lesen." Zögernd löste sich ihr Fäustchen.

Mein Herz schlägt und deins schlägt auchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt