Kapitel 2

707 26 5
                                    

Einen wiederholt flüchtigen Blick über die muskulöse Schulter ihres Clanverbündeten wagend linsten die grauen Seelenspiegel der neunzehnjährigen nach den zurückgebliebenen vierundzwanzigjährigen Clanführer. Doch von dem Brillenträger fehlten im trübgoldenen Schein der flackernden Laternen jegliche Spur. Das ruckige Ziehen an ihren verhüllten Handgelenk verdrängend verharrte die Brünette mit in Kraus gelegter Stirn in ihrer Bewegung, worauf der gleichaltrige Skater mit in Kraus gelegter Stirn mittels einem kräftigen Ruck weiter zerrte. Die Brünette rührte sich allerdings nicht von ihrer verharrten Position, vielmehr wandelte sich etwas in den grauen Seelenspiegeln. Und während sich bereits die hitzigen Worte auf der Zunge des kastanienbraunhaarigen Skaters formten, entfloh Rins ausgedörrter Kehle ein grollendes Knurren, mit welchem sie sich aus dem eisernen Griff des gleichalten Skaters entriss. Die langen, nach ihr greifenden Glieder von sich schlagend fauchte die aufgebrachte Brünette: „Flossen weg, Yata...Also ich frag noch einmal...Wovon zum fick labert ihr bitte? Was ist mit dem King? Und bitte, red' nicht wieder irgendwelches wirres Zeug ohne jeglichen Zusammenhang." Bevor einer der beiden Männer ihr allerdings Rede und Antwort stehen konnte tat sich ein blendendes Quadrat warmen Lichts auf dem grauschwarzen Asphalt auf, mit den drei verbündeten Clanmitgliedern mittig, und eine vertraut raue Stimme murrte dumpf: „Ah, ihr seid's...Kommt schon rein." Ihren Kopf ruckartig in den Nacken werfend blickte die Brünette, dessen vorheriger Missmut abrupt verflogen war, den sie problemlos überüberragenden Rotschopf entgegen. Angesichts der bernsteingoldgefärbten, niederblickenden Augen stahl sich sogleich ein kleines unbeschwertes Lächeln in das aufgelockerte Gesicht der neunzehnjährigen. Herum fahrend rief die Teilzeit Barista erheitert aus: „King..." Ebenfalls ein kleines unscheinbares Lächeln aufbringend platzierte der Gingerhead eine seiner mächtigen Pranken auf den Nest taupebraunen zerzausten Strähnen, wobei er mit rauchiger Stimme raunte: „Hey, Kleine...Na kommt schon rein." Die braunen Mähne seines freudestrahlenden Clanmitgliedes notorisch zerraufend, kehrte der Gingerhead ab und trat zurück in den hell erleuchteten Innenraum. Ihre im Gegenzug zierliche Hand auf ihrem Haupt platzierend folgte die sprachlose Rin dem roten Clanführer mit erglühenden Wangen in den warmen Innenraum. Doch der euphorische Zustand der Teilzeit Barista hielt nicht sonderlich lange an, als sie angesichts eines unverhofften, vertrauen Gesicht in der Diele abermals erstarrte.

Weißes lockiges Haar bedeckte leicht ein wohlgeformtes, düsteres Gesicht. Funkelnde schwarze Augen, die elegant in ihren Höhlen ruhten, stierten mit einem irritierten Zucken einem geweiteten grauen Paar entgegen. Dies war das unverkennbare Antlitz von Sunako Kirai, die dem blauen Clanführer gegenüber zuvor erwähnte Freundin. Eine Freundin, die die erstarrte Rin ursprünglich weitestmöglich von den Mitgliedern des roten Clans, ihrem einzig verbliebenen Zufluchtsort, fernhalten wollte. Und doch, saß sie nun direkt ihr gegenüber, in der Bar.

Ihre unnatürlich glänzenden Lippen zu einem erzwungenen schmalen Lächeln formend artikulierte der zwanzigjährige Weißschopf: „Rin, welch eine...nette...Überraschung dich hier anzutreffen...Sorry, hab zuvor vergessen zu fragen, ob wir unser Treffen etwas nach hinten verlegen könnten oder du mitkommen wollen würdest..." Noch immer perplex die ihr entgegen grinsende Sunako fixierend wichen die Füße der Brünette zurück, wobei eine harte Brust ihr ein weiteres Zurückweichen verwehrte. Seine mächtige Hand oberhalb der auf seinem Bizeps platzierten zierlichen Hand platzierend stellte der Rotschopf empirisch fest: „Ihr seid einander bereits bekannt?...Das ist vorteilhaft...Rin, ich würde dich bitten nach Möglichkeit ein wachsames Auge auf Kirai zu haben, da es nicht ausgeschlossen ist, dass wer auch immer hinter den Anschlägen der letzten Zeit stecken mag, nun auch ihr Gesicht bekannt ist..." Aufgrund des energischen Zupfen am schwarzen Leder auf sich aufmerksam machend jammerte die zwanzigjährige mit glasigen Augenschlag: „Aber Mikoto...wie stellst du dir das denn vor?...Wie soll Rin denn für meine Sicherheit garantieren, wenn sie sich seit ihrem Abitur vor einigen Monaten ganztägig nur irgendwo herumtreibt und sich nicht mal für einige begrenzte Stunden zusammen raufen kann, um einen weiteren besseren Abschluss anzustreben?" Seinem erwähnten Clanmitglied keines Blickes würdigend ergriff der Rotschopf die zierlicheren Hände des zwanzigjährigen Weißschopfs, wobei er nachdrücklich versicherte: „Mach dir keinen Kopf, Kirai. Rin ist mitunter eines der verlässlichsten Mitglieder Homras. Kusanagi wird sich direkt Rins Anmeldung in all deine Kurse annehmen, so dass sie dich zu jeder Zeit beschützen kann. Und ich versichre dir, im Umgang mit ihren Verpflichtungen ist Rin überaus verlässlich und vollkommen loyal." Die Worte des Gingerhead mit einem Schnauben abtuend kehrte der Weißschopf sich dem in Leder gehüllten Bizeps ab und wand sich der genannten Brünette zu, welche ihr mit hochgezogener Braue stumm entgegen blickte. Ihre Arme in die wohlgerundeten Hüften stemmend listete Sunako auf: „Ok, meinet wegen...Also hör zu, Rin und präg es dir ein...Unterricht findet von 09:00 Uhr bis ca.15:00 Uhr statt, wobei wir jeden Morgen auf dem Weg zur Uni einen Caffee-to-go bei dem kleinen niedlichen Café in Bahnhofsnähe besorgen. Nach dem Unterricht wirst du mich zu der Schicht bei meinem Studentenjob in dem Buchladen begleiten, wobei du mich nur im Notfall ansprechen wirst. Nach meiner Schicht wird Mikoto mich abholen, weswegen du mich nicht Heim zu begleiten brauchst." Entgeistert ihrer weißhaarigen Freundin entgegenstarrend verkrampften sich die Schultern der Teilzeit Barista, wobei sie halblaut ausrief: „Was, nein...?! Aber...aber ich kann nicht....D-das funktioniert..." Unter den stechenden Blicken ihrer Kameraden erbebte der gesamte Korpus der neunzehnjährige und ihr Haupt senkte sich, während der braunhaarige Skater aufgebracht keifte: „Was?! Was gibt es so Wichtiges, dass du dich den Anweisungen des Kings widersetzt?" Dem undeutbaren Blick des roten Clanführers nicht begegnend verkrampften sich die Glieder der Teilzeit Barista zu Fäusten, wobei sie mit gedämpfter Stimme kleinlaut erwiderte: „Ach nichts, schon gut. Ich schau, dass nichts dazwischen kommt...Falls ihr mich entschuldigen würdet, ich sollte so langsam mal...Heim...gehen." Damit wirbelte Rin herum und zwängte sich an dem blondhaarigen Barkeeper vorbei wieder zurück in die kühle Nachtluft. Und während die kurzatmige Brünette vom Schwarz der Nacht verschluckt wurde, bewegten sich die Füße des Clananführers auf dem unter seinem Gewicht leicht knarzenden Parkettboden voran. Durch eine nach vorn schnellende Hand, die abermals seinen Bizeps umgriff, verharrte der Gingerhead in der Diele, wo sein braunhaariges Clanmitglied zuvor noch verwurzelt war.

Ihre verkrampften Glieder öffnend begannen die abgeknabberten Nägel über die Nagelhaut zu kratzen, welche nach nur wenigen Sekunden in leicht blutigen Fetzen hing. Mit bebenden Knie die steinerne Treppe ihres Wohnhauses hinauf eilend stolperte die aufgewühlte Brünette den spärlich beleuchteten Gang hinunter, als plötzlich eine vertraute gebrechliche Stimme ertönte: „Miss Kanashi, haben sie einen Moment... bezüglich der monatlichen Miete, sie wurde bislang immer noch nicht beglichen." Erneut herum wirbelnd blickte die Angesprochene dem auf einen Stock gestützten Herr Takashi entgegen. Ein liebenswürdiger älterer Herr mit grauen Haaren, dem das leicht heruntergekommene Haus gehörte und welcher bereits öfter der Kanashiifamilie einen Aufschub mit ihrer hinterherhängenden Miete gewährt hatte.

EccedentsiastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt