Türchen 18 🎁

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Teil 3

Lina musste sich bei Benedikt bedanken, das war sie ihm schuldig. Er hatte nicht nur die Location zur Verfügung gestellt und den Baum, der so schön aussah. Er hatte auch jedem in diesem Saal ein Geschenk gemacht, obwohl er nicht wusste, wie viele kommen würden. Niemand ging mit leeren Händen nach Hause. Jeder von ihnen ging mit einem gefüllten Magen und warmen Anziehsachen mitten in der Nacht hinaus in die Dunkelheit.

Als die Geschenke aufgemacht wurden, begann das große Tauschen und am Ende hatte jeder das passende von dicken Pullovern über wärmenden Jacken bis hin zu gefütterten Schuhen, Schal, Mütze und Handschuhen war alles dabei. Viele weinten vor Glück und das ließ auch Linas Herz anschwellen.

Schon während des Aufräumens fasste Lina den Entschluss, sich bei Benedikt zu bedanken. Sie hatte nicht mit seiner Großzügigkeit gerechnet. Er war in ihrer Beziehung mehr oder weniger der Eisklotz, der nur selten Gefühle offenbarte. Benedikt fand, dass Gefühle ein Zeichen von Schwäche waren und diese Schwäche konnte er sich als Boss nicht erlauben.

Diese Seite, die er an diesem Abend gezeigt hatte, war ihr neu und gefiel ihr.

Sie hatte Benedikt nie vergessen. Er war der einzige Mann an ihrer Seite, aber sie wollte nicht in einem goldenen gefühlskaltem Käfig sitzen. Vermutlich waren ihr deswegen die Obdachlosen so wichtig.

Lina wollte Benedikt nicht als gefühlskalt abstempeln. In der Beziehung hatte er Gefühle gezeigt, aber bei Weitem nicht so wie Lina es sich gewünscht hätte.

Doch das spielte auch alles keine Rolle, sie wollte sich nur bei ihm bedanken, und zwar mit einem Essen.

Also fasste sie ihren ganzen Mut und rief Benedikt nach den Feiertagen an. Sie war selber bei ihrer Familie und wusste, dass auch er bei seiner Familie war, wenn auch nicht lange. Seine Familie war genauso eingefroren, was Gefühle anging. Von ihnen hatte Benedikt dieses Gen geerbt. Die Feiern bei seiner Familie waren für Lina immer eine Herausforderung, denn da lief alles nach einem Plan ab und es gab schnalzende Zungen, wenn jemand davon abwich.

»Lina, was verschafft mir die Ehre?«

Seine tiefe Stimme ließ Linas Herz unruhig werden.

»Hallo Benedikt. Hattest du schöne Weihnachten?«

Lina musste erst eine Basis schaffen, sich wieder erden und das ging am besten, wenn sie erst einmal Smalltalk hielt.

Sie hörte Benedikt seufzen.

»Du weißt, wie Weihnachten bei meiner Familie ist. Sie vermissen dich.«

Das konnte Lina sich nur schwer vorstellen, denn Benedikts Vater hatte sie bei der letzten Feier vor sechs Jahren beleidigt, weil sie in seinen Augen nichts taugte.

»Lina, du weißt, dass ich nicht Vater meine. Der würde nicht mal Mutter vermissen«, antwortete Benedikt, als ob auch er gerade an den Vorfall gedacht hätte.

»Weswegen ich anrufe«, wechselte Lina schnell das Thema. »Ich wollte mich bei dir bedanken. Was du für diese Menschen getan hast, war der Wahnsinn.«

Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und Benedikt konnte sich ihr strahlendes Gesicht genau vorstellen. Ihre grünen Augen leuchteten und ihre Grübchen traten deutlich hervor.

»Ich habe es gern getan.«

Aber nicht für die Streuner, sondern für dich, setzte Benedikt in Gedanken hinzu.

»Benedikt, hast du morgen Abend schon was vor? Ich würde dich gerne zum Essen einladen. Als Dankeschön. Auch wenn es nicht ansatzweise, dass ist um dir zu danken.«

»Ich weiß nicht, Lina.«

Lina hörte die Besorgnis in seiner Stimme und es machte sie traurig.

»Bitte. Es ist das Mindeste, das ich tun kann.«

Benedikt blieb eine Weile still, willigte dann aber ein. Das war keine gute Idee. Er versuchte Lina seit fünf Jahren zu vergessen. Seit fünf Jahren hatte er jedes Wochenende eine andere Frau, aber mit keiner von ihnen wollte er eine Beziehung. Mit den Frauen betäubte er sich nur und ließ seinen Frust raus. Er ging immer in ein Hotel mit ihnen und am nächsten Morgen war er immer schon verschwunden, als sie aufwachten.

Warten auf Weihnachten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt