A scalawags Tale

I

"Sir, der Bericht von Investigator Virius liegt vor!"

"Legen sie ihn auf meinen Schreibtisch, ich werden ihn später lesen. Wegtreten!"

"Jawohl Sir!", antwortete der Bote und entfernte sich aus dem Büro des Flottenoffiziers der 73. Sturmdivision. Der Offizier, ein gewisser Alister Hunt drehte sich vom Fenster das einen wundervollen Ausblick auf den schwarzen Weltraum darbot und schritt in Richtung des opulent verzierten Schreibtisches auf dem die Unterlagen abgelegt worden waren. Hunt, der sich nicht gerade durch seine Geduld auszeichnete, überflog den Bericht nur knapp und blätterte die beigefügten Dokumente und Fotos durch. Noch während er las verschlechterte sich seine Laune gravierend bis er schlussendlich entnervt die Mappe auf den Tisch knallte und noch einmal mit geballter Faust daraufschlug. "Nichts als Versager, allesamt!", schrie er durch den Raum und meinte dabei die auf Tariff-Minor stationierten Truppen der Reichsgarde, die sich abmühten auf der von Gesetzlosen bevölkerten Station die öffentliche Ordnung weitestgehend zu erhalten. Normalerweise hätte sich der Offizier nicht um eine in einen größeren Asteroiden geschlagene Stadt irgendwo im äußeren Sektor seines Zuständigkeitsbereiches geschert, wenn sie nicht ein so wichtiger Umschlagplatz für Handelsgüter aus den Kolonien gewesen wäre. Und somit auch für illegales Handelsgut, Sklaven und verbrecherische Dienste aller Art. Das schmeckte ihm nicht. Das schmeckte ihm ganz und gar nicht. Erschwerend für seine persönliche Karriere als Flottenoffizier kam hinzu dass er aufgrund vergangener Nichterfüllungen mehrerer Ziele des Oberkommandos sowieso schon unter Beobachtung stand. Da konnte er sich einen solchen Schandfleck wie Tariff-Minor nicht erlauben. Er ging in Richtung des Holo-Kommunikators in der Mitte des Raumes und aktivierte ihn. Es dauerte kurz und dann erschienen die scharfen Gesichtszüge eines der machtvollsten Individuen der menschlichen Galaxis und noch dazu Hunts direkter Vorgesetzter: einer der acht Ritter des Imperiums.

"Hunt, was haben sie zu berichten?", fragte die kraftvolle Stimme des Sir Arlon. Alister Hunt wirkte trotz seines stattlichen Körperbaus jedes mal ziemlich mickrig gegenüber einem Individuum von solcher Perfektion.

"Bitte um Erlaubnis Tariff-Minor mit den verfügbaren Mitteln wieder in die Konformität zurückzuführen, Sir!", brachte Hunt nach einem Räuspern hervor und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Stille. Nach einer Gedenkminute antwortete sein Gegenüber mit ausdrucksloser Miene: "Sie haben nach Ankunft im Elytra-System drei terrestrische Monate Zeit; Nach deren Ablauf werde ich persönlich ihren Fortschritt überwachen. Sehen sie zu dass das Ergebnis zufriedenstellend sein wird!" - Damit war das Gespräch beendet. Hunt blieb noch eine Weile vor dem verstummten Tisch stehen. Jedes Gespräch mit seinem Herren war immer wieder ein Erlebnis. Zum Teil ausgesprochen demütigend da er nie die Perfektion eines Ritters erreichen würde, aber diese erfuhren ja auch die besten Augmentationen und wurden vor Jahrhunderten eigens zu diesem Zweck erschaffen: Die Speerspitze der Menschheit zu sein im Kampf um den Fortbestand der gesamten Spezies. Einem davon direkt unterstellt zu sein betrachteten die meisten Menschen als eine unfassbare Ehre. "Richtig so", dachte Hunt, doch die einzigen die diese Ansicht nicht teilten stellten sich gerade auf Tariff-Minor zwischen ihn und seinen Triumph...

"Verehrte Kameraden! Soeben erhielt ich von Sir Arlon persönlich den Auftrag den verkommenen Schandfleck von Tariff-Minor wieder auf den gerechten Pfad zu führen! Wir haben schon viele Planeten für die Menschheit bereitgestellt und aus den Klauen derjenigen entrissen die uns das Recht des Fortbestandes verwehren wollten. Meine Brüder, macht euch bereit denn bald wird wiedereinmal großes durch die 73. Sturmdivision vollbracht werden!", damit schloss er seine Rede und trat vom Podium ab. Die gesamte Infanteriebesatzung, sämtliche Piloten und übriges Personal der "Ironclad" waren in das riesige Atrium des Schiffes gerufen worden um ihrem First Captain zuzuhören. Die die nicht gerufen wurden, bekamen die Rede über die vielen Bildschirme mit, über die das Gesicht Hunts regelmäßig flackerte wenn es neue Befehle gab. Fast augenblicklich nachdem Hunt vom Podium abgetreten war nahm der riesige Schlachtkreuzer Kurs auf den Außenposten im Elytra-System.

"Weißt du, ich glaube wir hätten sogar Freunde werden können...", rief der Kopfgeldjäger in Richtung seiner Beute die gut verschnürt irgendwo im Wohnbereich seines Schiffes lag. Er schaltete den Navigationscomputer auf Autopilot und richtete sich von seinem zerschlissenen, aber immer noch wahnsinnig bequem aussehenden Pilotensessel auf und schritt in Reachers Richtung. Dieser lag seitlich auf dem Boden an eine Schiffswand gelehnt, sichtlich unerfreut über seine Lage und ging schon gar nicht mehr auf die Kommunikationsversuche seines Gegenübers ein. Es war ein verdammt langer Flug und zu allem Übel redete er wie ein Wasserfall - ganz gleich ob ihm sein "Gesprächspartner" zuhörte oder nicht. Reacher hätte ihm zu Anfang gerne noch die ein oder andere Beleidigung an den Kopf geworfen, war aber geknebelt worden als sie das Schiff betraten. Reacher war erstaunt über das Alter des Schiffes, denn er wusste dass die letzten dieser Klasse zur Zeit des Bantorianer-Aufstandes gefertigt wurden - das war vor über siebzig Jahren... Warum also hat er sich kein neueres, verbessertes Modell zugelegt? - Klar, die Schiffe der Vanguard-Klasse waren zu ihrer Zeit die besten überhaupt gewesen, der ganze Stolz der Kampfgeschwader des Imperiums, aber mittlerweile waren sie doch völlig überholt...

"Du sag mal, wie bist du damals überhaupt auf die Idee gekommen zu versuchen einen von Eah'laks Baronen umzulegen und damit durchzukommen?", fragte der Kopfgeldjäger und setzte sich neben Reacher auf den Boden des Schiffes.

Jetzt konnte Reacher zum ersten Mal das Gesicht des Jägers aus der Nähe betrachten. Kein schöner Anblick... Er musste so um die dreißig sein und es war noch zu erkennen dass er mal ziemlich gut augesehen haben musste, doch war von seinem Gesicht nur noch die linke Gesichtshälfte übrig. Die rechte Seite erinnerte entfernt an einen metallenen Schädel, das rechte Auge war durch eine kybernetische Prothese ersetzt worden die ihm vermutlich einige Sichtvorteile bot. Der Übergang von Haut zu Metall verlief mitten über die Stirn, rechts vorbei an der Nase, mittig über den Mund sodass auf der rechten Seite das metallische Gebisses zu sehen war, bis übers Kinn hinunter zum Hals wo der Blick durch die abgewetzte Kleidung des Jägers versperrt wurde. Die rechte Seite des Schädels war demnach komplett kahl, auf der linken Seite wuchsen mittellange, zerzauste schwarze Haare mit einigen grauen Strähnen die nach rechts über das dunkelgraue Metall gekämmt wurden.

"Mmmmhmmpf"

"Ach ja, 'tschuldigung", er entfernte den Knebel aus Reachers Mund. Dieser gönnte sich erstmal einen tiefen Atemzug bevor er antwortete.

"Wenn du die Prämie gesehen hättest, hättest du bestimmt nicht anders gehandelt..."

"Aber für 30.000 Credits zu versuchen einen Bantorianerhäuptling auszuschalten ohne sich vorher zu überlegen dass das vielleicht auf kurz oder lang das Letzte ist was man tut und man hinterher gar nix von der Knete hat - Ist doch vollkommener Schwachsinn!"

"Erzähl mir nichts von Schwachsinn, nach allem was man über dich hört Caydan Vale!"

"Und was hört man so über mich, wenn ich fragen darf...?" - Das Schiff schaltete auf den konventionellen Antrieb um und verließ den Warpraum. "Oh, ich glaube wir sind da!", bemerkte der Kopfgeldjäger, spreizte mit einem Griff an den Kiefer seines Gefangenen dessen Mundraum und stopfte den Knebel wieder zurück. "War nett mit dir zu plaudern...", sagte er und tätschelte Reachers Kopf mit seinem rechten Arm der genau wie sein Gesicht durch eine metallische Prothese ersetzt worden war, bevor er wieder die Kontrolle über das Schiff übernahm und den Landeanflug auf Tariff-Minor begann.