Martina

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Martina starrte fassungslos auf ihre Tochter, denn ihr war deren Verhalten unverständlich. Was hatte dieser Vampir in der Zeit angestellt, in der er angeblich ihre Wunde versorgt hatte? War sie womöglich von ihm hypnotisiert worden? Vampire konnten solche Dinge. Zumindest gab es Geschichten darüber. Hatte er von ihrem Blut getrunken? Es störte sie nicht, wäre dies der Fall. Genau dafür setzte sie Joleen schließlich hier ab. Der Verhaltensumschwung ihrer Tochter wunderte sie dennoch.

»Setz dich ruhig«, erklärte die rothaarige Vampirin mit einem Lächeln, das Martina einen kurzen Blick auf die Reißzähne erhaschen ließ. Sie erschauderte und ihr Unterleib zog sich zusammen, da sie sich erinnern konnte, wie es das letzte Mal gewesen war, als sie solche Zähne gespürt hatte.

Angespannt nickte sie und steuerte den letzten freien Sessel an, um sich dort hineinzusetzen. Lasziv schlug sie die Beine übereinander. Es war ein unbewusster Vorgang, der ihr nach den vielen Jahren in ihrem Gewerbe, in Fleisch und Blut übergegangen war.

Der Vampir, der ihr und Joleen auf dem Weg zum Haus hinauf entgegengekommen war, schob ihr einen Stapel Papiere über den Tisch zu und deutete ihr mit einer Handbewegung an diese zu lesen. Es juckte ihr in den Fingern sofort danach zu greifen, doch Martina riss sich zusammen.

»Wie du feststellen wirst, haben wir alle Punkte in dem Vertrag aufgeführt die wir bereits besprochen haben«, erklärte er und legte eine Hand auf Joleens Kopf. »Mit deiner Unterschrift trittst du jegliches Recht an deiner Tochter ab und übergibst sie in unsere Hände. Wie wir mit ihr verfahren und was wir mit ihr machen, obliegt alleine unserer Entscheidung, du wirst kein Mitspracherecht haben.« Als Martina kurz nickte, um ihre Verstehen signalisieren, fuhr er gleich fort. »Als Gegenleistung wirst du eine einmalige Zahlung von zwanzigtausend erhalten, sowie eine monatliche Zahlung von zweitausend solange Joleen noch nicht volljährig ist.«

Diese Worte wärmten Martinas Innerstes. Damit hätte sie ausgesorgt. Sie brauchte sich keine Sorgen mehr darum zu machen, wie sie dieses lästige Kind versorgt bekam. Mit dem Geld von den Blutsaugern konnte sie sich ein schönes Leben machen und gleich dazu war sie das nervige Gör los. Für sie war es eine Win-win-Situation.

»Wo soll ich unterschreiben?«, fragte Martina ekstatisch und lächelte jeden der Vampire erfreut an, hütete sich jedoch davor, ihnen direkt in die Augen zu sehen.

Die Gesichter der Vampire schienen vollkommen ausdruckslos zu sein. Doch als sie bei der Frau mit dem schwarzen Haar ankam, kam sie nicht umhin, doch einen Blick in diese grauen, kalten Augen zu werfen. Und dort sah sie etwas aufblitzen, was ihr nicht gefiel. Der Blick der Vampirin könnte Probleme bedeuten.

Sie irrte sich nicht. Die Frau beugte sich vor und ihr Blick schweifte zwischen Martina und Joleen umher, die mit gerunzelter Stirn hin und her sah.

»Du bist dir im Klaren was das bedeutet? Von dem Augenblick deiner Unterschrift hast du keine Tochter mehr«, erklärte die Vampirin und bedachte Martina mit einem Blick, der Unbehagen bei ihr auslöste. »Du wirst kein Recht haben, sie zu besuchen oder sie zurückzufordern. Von dem Augenblick an, wo du unterschreibst, wird es für dich sein, als hättest du nie ein Kind entbunden.«

»Das ist mir bewusst«, erklärte Martina hartherzig.

In dem Gesicht des Mädchens hatte es begonnen zu arbeiten und Angst war in Joleens Augen getreten. »Mama, worüber redet ihr?«, fragte das Mädchen ängstlich und rutschte ein wenig auf dem Sofa vor.

»Darüber, da...«, setzte Martina an.

Der Vampir, der neben ihrer Tochter saß, hob die Hand und Martina verstummte sofort. Es war nicht ratsam einem Unsterblichen zu widersprechen. Es gab Geschichten, in denen eine solch unbedachte Handlung zum Tod desjenigen geführt hatte.

»Wir würden es schön finden, wenn du hier bei uns wohnen würdest. Darüber haben wir mit deiner Mutter gesprochen«, erklärte der Vampir und Martina wunderte sich, wie sanft seine Stimme klang.

Auch die Vampirin mit dem schwarzen Haar stand auf und ging zu Joleen hinüber. »Wir haben nicht viele Kinder hier und wir fänden es schön, wenn du eine Weile bei uns bleibst«, erklärte sie.

Joleen sah zu Martina, doch diese war bereits dabei den Vertrag zu unterschreiben. Sie brauchte ihre Tochter ... nein das Kind, das nun den Vampiren gehörte, nicht ansehen, um zu wissen wie stupide Joleen nun dreinschaute. Diesen Blick bekam das Balg immer, wenn sie etwas nicht verstand. Was recht oft der Fall war. Eindeutig eine Eigenschaft, die sie ihrem Erzeuger verdankte.

»Und meine Mama?«, fragte das Mädchen und Martina musste mit Mühe ein Lachen unterdrücken. Wenn sie die Vampire richtig verstand, besaß das Mädchen nun keine Mutter mehr.

»Die wird nicht bei uns wohnen«, erklärte nun der Vampir, der auf der anderen Seite von Joleen saß.

Das Mädchen runzelte wieder die Stirn, und der dritte männliche Vampir stand auf und holte einen Umschlag hervor, den er vor Martina auf den Tisch legte. Ihr Herz begann zu rasen. Dies war sicherlich ihre Bezahlung.

»Das ist deine Entschädigung sowie die erste Monatsrate. Du kannst nachzählen wenn du möchtest«, erklärte der Vampir und setzte sich wieder hin.

Martina juckte es in den Fingern, den Umschlag an sich zu reißen und jeden einzelnen Schein durch ihre Hände gleiten zu lassen, doch sie beherrschte sich. Sie war schlau und so war sie zu Freunden gegangen, um sich zu informieren, wie sie sich verhalten musste, sobald sie den Vampiren gegenüberstand.

»Ich vertraue auf Ihr Ehrgefühl«, erklärte sie und schenkte dem Vampir ihr schönstes Lächeln. Ihr Blick war weiterhin auf den Umschlag gerichtet. »Und nun werde ich mich verabschieden, wenn Sie es mir gestatten.«

Die Vampire wechselten alle miteinander einen kurzen Blick und nickten dann einstimmig. Martina lächelte noch einmal liebenswürdig in die Runde. Dann nahm sie, mit großer Freude, den Umschlag und ihr Exemplar des Vertrages an sich. Mit gemächlichen Schritten und rasendem Herzen verließ sie den Salon. 

Colors of Moonlight 1 - Blutmond XXL-LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt