Chapter 2

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7:50 Uhr..Ich werde von meinem Wecker aus den süßen Träumen gerissen und entscheide mich kurzentschlossen dazu, auf die "Schlummer-Taste" zu drücken. Während ich mich für ungefähr 8 Minuten noch mal umdrehe, verfluche ich mich dafür, bis tief in die Nacht auf Netflix unterwegs gewesen zu sein. Als der Ton des Weckers dann zu zweiten Mal an diesem Freitag Morgen durch mein Zimmer schallt, werfe ich müde meine Decke zurück und schwinge mich von meinem Bett. Ich schleppe mich zu meinem großen Kleiderschrank und schiebe die Schiebetür zur Seite. Unentschlossen Blicke ich auf die nach Farben sortierten Kleiderstapel, wie immer kann ich mich nicht entscheiden was ich anziehen soll.

Kleidungstechnisch hasse ich den Sommer, ich kann nicht verstehen, dass es wirklich Mädchen gibt die Spaß daran haben Shorts zur Schule anzuziehen. Ich meine worin liegt denn bitte der Spaß, wenn man andauern am Stuhl kleben bleibt?!

Naja, was solls, viele andere Möglichkeiten hat man aber im Sommer ja leider nicht, vor allem, wenn man mit dem Fahrrad fahren muss oder man, wie bei uns an der Schule, aus platztechnischen Gründen teilweise in ,nicht gedämmten, Containern unterrichtet wird! In den Scheiß Dingern ist es im Sommer viel zu heiß und im Winter friert man sich den Hintern ab, aber unsere Schule hat nun mal nicht genügend Platz für alle Schüler und da unser blöder Schulleiter es den armen unteren Stufen nicht zumuten will die Container als Klassenraum zu haben, müssen wir Zwölftklässler dran glauben. Auch heute werde ich das Vergnügen mit diesen "Räumen" haben, denn mein Deutschunterricht wird in einem der Container stattfinden. Diese Aussichten bringen mich dazu, entgegen meiner eigentlichen Gefühle gegenüber Shorts, meine hellblaue Jeansshorts aus dem Hosenstapel zu ziehen.

Als ich mich dann auch endlich für ein geeignetes Oberteil entschieden habe und meine Unterwäsche aus der Schublade gezogen habe, mache ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich starre auf die Uhr neben dem großen Spiegel über dem Waschbecken und stelle mit Erschrecken fest, dass ich scheinbar 20 Minuten vor meinem Kleiderschrank gestanden habe. Schnell führe ich meine Morgenroutine durch und ziehe mein Outfit an. Anschließend gehe ich zurück in mein Zimmer, mache mein Bett und schnappe mir meinen Schulrucksack. Unten in der Küche treffe ich dann mal wieder auf meinen Vater. "Guten Morgen Tina! Hast du gut geschlafen? Was steht heute so an?", fragt er mich und sieht von der Zeitung auf, in der er bis vor ein paar Sekunden noch sehr konzentriert gelesen hat. Da es inzwischen leider schon zwanzig vor acht ist murmel ich nur eine kurze Antwort, stürze ein Glas Orangensaft herunter, stecke meine Lunchbox ein und drücke meinem Vater noch einen Kuss auf die Wange, bevor ich mit meinem Rucksack auf der Schulter aus der Terrassentür trete.

Auf dem Weg zur Garage ziehe ich mein Handy und Kopfhörer aus meiner Tasche und öffne Spotify. Um die Fahrt zu überstehen brauche ich erst einmal Shawn Mendes!

An der Schule angekommen schließe ich mein Fahrrad an den Fahrradständer an und mache mich auf den Weg in das Schulgebäude. Kurz bevor ich den Raum betrete, in dem ich gleich Matheunterricht habe, nehme ich die Kopfhörer aus den Ohren und stecke sowohl sie, als auch mein IPhone zurück in den Rucksack. Anschließend öffne ich die Tür. Anne strahlt mir schon entgegen und ich lasse mich auf den Platz neben sie fallen. "Na. Mal wieder zu lange vor dem Schrank gestanden?", Anne grinst und schaut auf die große Uhr über der Tür, die auf fünf nach Acht Uhr steht. "Du kennst mich einfach zu gut! Aber bei dem Wetter fällt mir die Auswahl auch echt schwer, wenn ich Fahrrad fahre, kann ich auch keinen kurzen Rock oder ein Kleid tragen und du kennst ja meine Einstellung gegenüber Shorts!", ich gucke sie ernst an. "Da hast du natürlich Recht, das ist schon eine schwierige Entscheidung!", lacht Anne und widmet sich wieder dem Auspacken ihrer Tasche. Ich mache es ihr nach und hole mein Matheheft, das Buch, mein Federtasche und das wichtigste, meinen Taschenrechner, heraus.

Leicht verwundert sehe ich mich nun im Raum um. Wenn man überlegt, dass die Stunde eigentlich schon längst begonnen hat, ist es nämlich noch verdächtig leer. Nicht mal unsere Lehrerin ist schon da und die ist sonst immer pünktlich. Wie als hätte sie meine Gedanken erhört, öffnet sich in diesem Moment die Tür und Frau Stöver, unsere Mathelehrerin, betritt den Raum. Auch sie wirkt etwas verwundert darüber, dass bis jetzt erst so wenige da sind. „Guten Morgen! Wo ist der Rest des Kurses?", fragt sie in die Runde. Wir alle zucken nur mit den Schultern. „Nun gut. Dann beginnen wir eben ohne sie in das neue Schuljahr. Ich hoffe sie haben sich alle gut erholen können, denn ab jetzt wird ihr Leben sehr hart!", sagt Frau Stöver, lässt ihre Tasche auf das Pult fallen und kramt ihr Mathebuch heraus. Anne und ich sehen uns an und ziehen die Augenbrauen nach oben, so viel Optimismus am Morgen ist doch schön..
Gerade als Frau Stöver das neue Thama an die Tafel schreibt, öffnet sich die Tür. Herein kommen Malte, seine Freundin Isabelle, Maltes Freund Henrik und der Rest des noch fehlenden Kurses. „Entschuldigung, wir haben den Raum nicht gefunden!", sagt Malte und lässt sich mit seinen Freunden, die natürlich alle zur besagten Hundeparkgang gehören, auf den Plätzen in der letzten Reihe nieder. Ich bezweifle sehr stark, dass sie nach acht Jahren auf dieser Schule den Raum nicht gefunden haben, dem Geruch nach zu urteilen, der mit Ihnen in den Raum geströmt ist, würde ich eher auf eine kleine Rauchsession vor der ersten Stunde tippen... Auch Frau Stöver zieht die Augenbrauen verärgert nach oben, belässt es aber dabei.

„Wie kann man nur so blöd sein?!", Anne lässt ihre Tasche neben sich auf den Boden fallen und legt ihren Kopf in die Hände. Die Mathestunde hat ungefähr vor fünf Minuten geendet und wir haben uns an einen kleinen Tisch auf dem Schulflur gesetzt. Ich lache auf, weiß aber keine Antwort auf Ihre Frage, denn sie hat Recht. Bei dem Großteil unseres Mathekurses fragt man sich wirklich, warum die überhaupt noch da sind! Ich meine wie kann es denn sein, dass man in der zwölften Klasse immer noch nicht weiß, wie man mit dem Taschenrechner umgeht oder was eine lineare Funktion ist?! Als ich dann aber doch zu einer Antwort ansetze, werde ich von Frederike unterbrochen, die sich gerade auf den Platz gegenüber von mir gesetzt hat. „Na Tina, freust du dich schon auf Physik?!", Frederike grinst und schaut mich abwartend an. Ich schnaube nur, im letzten Jahr konnte ich die langweiligen Physikstunden mit ihr zusammen verbringen, da sie aber durch ihren Sport-Lk zu viele Stunden hat, kann sie den Kurs dieses Jahr wegfallen lassen, was für mich bedeutet, dass nun keiner meiner Freunde mehr in diesem Kurs zugegen ist. Der einzige Lichtblick ist der Lehrerwechsel, denn unser Lehrer in der elften war eine totale Katastrophe und der ganze Kurs war froh, als unser Schulleiter uns gestern verkündete, dass der Lehrer überraschend in Rente gegangen sei und wir deswegen einen neuen Physiklehrer haben. „Total! Ich denke ich werde mich dann mal zu Malte setzen, den der ist der einzige, der mir noch übrig geblieben ist, der Rest des Kurses besteht schließlich aus Strebern!!", sage ich betont fröhlich. „Ach was Tina, du vergisst Benedikt und Tim, die sind doch auch noch da!", wirft Anne ein, die reichlich erleichtert darüber zu sein scheint, dass sie nicht weiter über die Dummheit unseres Mathekurses nachdenken muss.. „Was eine tolle Aussicht!"

Nachdem ich mein Brot aufgegessen habe, werfe ich meinen Freunden einen gequälten Blick zu, und mache mich auf den Weg zum Physiktrakt.
Als ich um die Ecke biege, kann ich Malte, Benedikt und Tim an einem Tisch lehnen sehen, sie sehen genau so begeistert aus, wie ich mich fühle. Auch der Rest des Kurses steht in zwei kleinen Gruppen verteilt auf dem Gang. Insgesamt sind wir ein sehr kleiner Kurs, gerade mal Elf Schüler, was die Auswahl eines geeigneten Sitznachbarn noch schwieriger macht. Da ich aber letztes Jahr zusammen mit Frederike, Malte und einem anderen in einer Reihe gesessen habe, kann ich mir auch schlimmeres vorstellen, als mich jetzt neben Malte setzen zu müssen. Die einzigen Probleme, erstens kann er manchmal ein richtiges Arschloch sein, das habe ich erst in diesem Winter zu spüren zu bekommen, aber das ist eine zu lange Geschichte für den Moment und zweitens habe ich keine Lust, immer in Rauchgestank zu sitzen, aber mir bleibt ja eigentlich auch keine andere Wahl.. oder?!

Ich mache mich also auf den Weg zu den drei Jungen. „Hast du keine Freunde?!", fragt Tim neckend. „Ne leider nicht, die haben entweder Chemie oder Freistunde, aber ich habe ja auch noch euch.", antworte ich ihm und zwinkere ihm zu. Während Benedikt einfach auf den Boden starrt und ab und zu über unsere Witze lacht, unterhalte ich mich ein wenig mit Tim und Malte über ihre Ferien.

Viele aus dem Jahrgang haben keine wirklich gute Einstellung gegenüber Malte, denn er hat in Vergangenheit schon viele Leute, wegen fieser, oberflächlicher Kommentare, sehr verärgert. Auch ich hatte eine große Auseinandersetzung mit ihm im Januar, zu der ich im weitern Verlauf vielleicht noch mal zurück komme, aber ich habe mich wieder mit ihm vertragen, denn ganz tief in seinem Herzen ist er ein wirklich guter Mensch. Tim gehört zu den wenigen wirklich uneingeschränkt netten Menschen in unserem Jahrgang, weshalb sich viele Fragen, warum er so viel mit den oberflächlichen Gestalten rumhängt, die ihre Pausen ausnahmslos im „Hp" verbringen. Zu Benedikt kann ich irgendwie wenig sagen, vor allem in der großen Runde ist er, zumindest wenn er keinen Alkohol hatte, ziemlich still und sieht einem so gut wie nie in die Augen, trotzdem gibt es viele Mädchen die ihn aufgrund seines Aussehens und seiner manchmal auch charmanten Art ganz nett finden, und das obwohl er auch zur Hundeparkgang gehört, warum er nicht wie Malte wenig gut angesehen ist, weiß ich auch nicht so recht.

Während wir also in einem Gespräch vertieft sind, kommt unser Lehrer um die Ecke und schließt sowohl die Tür zum Physiktrakt, als auch die zum Raum auf, ohne Lehrer dürfen wir diesen Teil der Schule nämlich gar nicht erst betreten. Der Kurs setzt sich in Bewegung und folgt dem Lehrer in den stickigen, viel zu heißen Raum. Ich verfluche mich dafür mich heute Morgen entgegen meiner Regeln eine Shorts angezogen zu haben, denn bei den Temperaturen würden meine Beine garantiert am Stuhl kleben bleiben! Verärgert schlendere ich einfach hinter Malte her, der sich scheinbar einen Platz am Fenster sichern möchte und lasse mich, sobald er sich gesetzt hat, ohne zu fragen, auf den Platz neben ihn fallen. Ander als ich es jedoch gedacht hatte, setzt sich Benedikt nicht neben seinen besten Freund Tim, der sich einen Platz in der Reihe neben uns und neben einem seiner Mathe-Lk Freunden ausgesucht hat, sondern wählt den freien Stuhl neben mir.

One Day Maybe He Will StayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt