4. Kapitel

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"Ich schwöre, irgendwann bring in den Hurensohn um", schimpfte Kadir, als er wenige Stunden später mit Samantha die Apotheke verließ. Sie hatte sich die Pille-danach besorgen müssen und langsam befürchtete sie, die Apothekerin wusste ganz genau, was sie wollte, wenn sie mal wieder durch die Schiebetür trat. Die letzten 5 oder 6 mal hatte sie sie teils angewidert, teils mittleidig angesehen und ihr wortlos die kleine Packung in die Hand gedrückt.
"Lass gut sein", erwiderte sie, "Ich komm schon klar." "Vallah mach nicht diese", sagte Kadir streng und blieb stehen. Samantha musste lachen, so süß war der 1,88m große Türke, wenn er sich über etwas aufregte und sich dann auch noch so artikulierte. Sein Blick wurde nur noch finsterer und Samantha ging auf ihn zu.
"Wenn ihn jemand umbringt, dann ich", lachte sie und lächelte ihn an. Er tätschelte ihr den Kopf und sagte: "Braves Mädchen. Hab ich dich also doch vernünftig erzogen." Diesmal lachten sie beide und machten sich zurück auf den Weg zu Kadirs Wohnung. Wieder liefen sie an zahlreichen Nutten vorbei, die schon am Vormittag ihr Glück versuchten. Die ein oder andere sprach Kadir an, doch er machte einen Bogen um sie und drängte Samantha vorwärts. "Nein, ich möchte kein AIDS", hörte sie ihn immer wieder murmeln.

In der kleinen Zweizimmer-Wohnung angekommen setzte Samantha sich an den Küchentisch, an dem nur ein Suhl stand, und stützt ihr Kinn auf beide Hände. "Heute schon gegessen?", fragte Kadir und öffnete den Kühlschrank. Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Sie war müde und hatte ihr fehlte jegliche Energie, sich zu bewegen oder zu sprechen. "Dann mach ich dir jetzt was", sagte er gelassen. "Sucuk mit Ei ist eh bestes Frühstück", er machte eine Pause.
"Hast du viele blaue Flecke?"
Samantha stand auf, zeigte Kadir ihre Arme und ihren Bauch, aus dem Rippen und Beckenknochen schon seit Monaten hervortraten.
Ohnehin war Kadir der einzige, dem sie sich freiwillig so zeigte.
Er war die einzige Person, mit der sie immer reden konnte und die alles wusste.
Sie rührte sich auch nicht und sagte keinen Ton, als er an sie heratrat und den Pullover bis knapp unter ihren Bh nach oben zog, um ihren gesamten Bauch zu betrachten.
Blaue, violette und grüne Flecken säumten ihren zierlichen Körper, wo man nur hinsah. Dazu kamen die etlichen kreisrunden und linienförmigen Narben an ihren Armen.
Kadir seufzte und nahm sie in den Arm.
"Wenn ich was für dich tun kann.. dann musst du das nur sagen."
Samantha nickte und umklammerte ihn. Jedes andere Mädchen hätte an ihrer Stelle geweint, aber sie nicht. Sie ließ sich nur von ihm umarmen und fragte dann: "Darf ich duschen gehen? Montag ist Schule. Und zu Hause will ich nicht."
Kadir nickte. "Du weißt ja, wo alles ist."

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