7. Kapitel

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Den folgenden Tag ging Samantha nicht zur Schule. Sie blieb bei dem Typ, der sie vergangene Nacht aufgegabelt hatte und sie lernten sich ein wenig kennen.

Elyas, 18 Jahre, Südländer, Dealer.

Was sonst

dachte Samantha, während er ihr von seinem "Job" erzählte. Hier dealte so ziemlich jeder, der zu viel Zeit und zu wenig Zukunft hatte. Jeder, den sie kannte, vertat sein Leben mit dem Scheiß. Letzte Nacht auch sie. Ihre Nase schmerzte und ihr Kopf dröhnte.

"Warum warst du um die Zeit allein draußen?", fragte Elyas. "Meine Mom hat meine Drogen gefunden und mich rausgeworfen", gab sie völlig gleichgültig zurück. "Weiß nicht, warum die Hure da so'n Aufriss drum macht. Sie ist ja nicht besser."
"Aha", sagte Elyas und starrte an die Decke. "Und wo willst du jetzt hin?" "Ich werd wohl warten, dass jemand, bei dem ich bleiben kann, wieder kommt. Er besucht seine Eltern, aber wenn er wieder da ist, dann kann ich zu ihm." Jegliche Farbe war aus Elyas' Gesicht gewichen, das ja eigentlich einen eher bräunlichen Teint hatte. "Wer?", fragte er, immer noch kreidebleich. "Er heißt Kadir, aber ich glaub nicht, dass-" Sie hatte den Satz noch nicht einmal beendet, da hatte Elyas sie am Hals gepackt und gegen die Wand gedrückt. Samantha rang nach Luft und versuchte, sich von ihm los zu machen, doch sie schaffte es nicht. "Du gehst nirgends hin, du kleine Schlampe." Er durchbohrte sie mit seinen fast schwarzen Augen. "Lass mich los!" Samantha schnappte nach Luft. Sie wollte ihn schlagen, doch er hielt ihre Hände mit seiner anderen von sich weg. Er hätte ihr vermutlich das Schulterblatt gebrochen, wenn sie versucht hätte, ihre Hände von ihm wegzubekommen. "Vallah der Kek macht mich kalt, wenn du ihm erzählst, dass du hier warst! Sen burada kal!"
Letzteres verstand Samantha - natürlich nicht - aber sie konnte sich die ungefähre Bedeutung ausmalen, als Elyas wenige Stunden später die Wohnung verließ und hinter sich die Tür abschloss.

Was denkt der Pisser, wer er ist

dachte Samantha und erkundete die kleine, heruntergekommene Wohnung. Sie suchte nach einem Schlüssel oder zumindest irgendetwas, wo mit sich die Tür öffnen ließ, denn die Fenster hatte Elyas so präpariert, dass sie sich nicht einfach öffnen ließen. Die Wohnung lag im zweiten Stock, weshalb sie schon alle überprüft hatte und versucht hatte, sie zu öffnen. Sie durchsuchte jede Schublade und trat schließlich in Elyas' Schlafzimmer. Dort stand das klapprige Bettgestell ohne Kissen oder Decke. Daneben stand ein kleiner Nachttisch mit einer einzigen Schublade. Die übrigen zwei fehlten. Sie versuchte sie zu öffnen, doch es gelang ihr nicht, denn die Schublade war verschlossen.
Da erinnerte sie sich letzte Nacht, einen winzigen Schlüssel, den Elyas um den Hals trug, gesehen zu haben und da sie in der gesamten Wohnung keinen passenden gefunden hatte, war sie sich sicher, dass dieser der zur Schublade passende sein musste.

Wo ist eigentlich mein scheiß Handy

schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, woraufhin sie jegliche Taschen an ihrer Jeans und ihrer Jacke durchsuchte. Elyas hatte es ihr vermutlich abziehen und verkaufen wollen. Jetzt war es ihm umso gelegener, denn sie hatte keine Möglichkeit, jemanden, der ihr hätte helfen können, zu kontaktieren.

"Was machst du da?" Er war lautlos in's Zimmer gekommen und sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken. Ihr kam eine Idee. "Ich hab auf dich gewartet", säuselte sie und warf sich ihm um den Hals. Er lachte und warf sie regelrecht auf das kahle Bett. Sie zog sich ohne zu zögern aus und als er sich über sie lehnte und sie sein Shirt auszog, achtete sie ganz genau darauf, die Schnur, an der der Schlüssel hing, mit zu greifen. Zu ihrem Glück bemerkte er es nicht und machte sich nur weiter über sie her.
Angeekelt ließ sie ihn gewähren und ein zweites mal innerhalb der letzten 24 Stunden peinigte er sie auf's Äußerste.

Als er von ihr abließ pochte ihr Herz so sehr, dass sie Angst hatte, Elyas würde es hören. Doch er zog sich an - die fehlende Kette immer noch nicht bemerkend - und verabschiedete sich mit einem "Bis heut Abend, hazine". Kaum hatte er die Wohnungstür wieder hinter sich verschlossen, da sprintete Samantha zu dem kleinen Nachttisch, fummelte den grazilen Schlüssel in sein Schloss - er passte tatsächlich - und riss die Schublade auf.

Volltreffer

In der Schublade lag ihr Handy, aber auch noch etwas anderes. Ein Revolver - eine kleine Handfeuerwaffe; daneben eine quadratische Schachtel, die noch ein wenig Munition enthielt. Panisch steckte sie ihr Hand ein, überprüfte die Waffe, fand raus, wie man sie entsicherte und wie viel Munition sie noch hatte, dann stopfte sie die kleine Schachtel in ihre Jackentasche.

Weg hier

war ihr letzter Gedanke, während sie mit einer Pfanne, die sie sich aus der Küche besorgt hatte, ein Fenster zerschlug, hinauskletterte, sich mit dem Oberschenkel am Glas schnitt und auf die Straße sprang, begleitet, von einem höllischen Schmerz am Bein und im Knöchel, mit dem sie bei ihrer Landung falsch aufgekommen war.

dry tearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt