1. Kapitel

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Ich schlug die Haustür zu und rannte die Treppe hinauf. Tränen liefen mir über die Wangen.

Diese verdammten Wächter! Sie können mich doch nicht einfach...

Da ich so schnell lief, wäre ich fast über die vielen Koffer gestolpert, die auf Tante Glendas und Charlottes Etage standen.

"Was zum Teufel...?!", murmelte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

Unsere Familie war seit Jahren nicht mehr gemeinsam verreist.

Früher, als Dad noch lebte und wir noch nicht hier gewohnt hatten, waren wir öfters zu fünft an die Küste gefahren.

Doch seit ich in diesem Haus lebte, war noch niemand verreist.

Onkel Harry, der Einzige, der nicht in diesem Haus wohnte, kam nur an Geburtstagen und Weihnachten zu Besuch, noch nie hatte ihn jemand besucht.

Und Lucy und Paul konnte sowieso nur ich besuchen.

Da kam Tante Glenda mit ihrem riesigen Koffer, der mit unzähligen Bildern von Charlotte in jedem Alter bedruckt war( Ja, das ist kein Scherz! Nun ja, sie bekam Charlotte ja nur so selten zu Gesicht und außerdem hingen ja nicht überall auf der Etage schon diese wunderbaren Fotos von ihr) um die Ecke und sah mich (wie immer) herablassend an.

Fragend deutete ich auf den Kofferberg vor mir.

"Ihr verreist?"

"Arista hat das angeordnet", sagte sie genervt, "Anstatt Charlotte und mich...", fing sie schon an loszuzetern, doch Lady Arista, die mit ihrem dezentem(im Gegensatz zu Glenda) schwarzem Rollkoffer dazugetreten war, unterbrach sie.

"Ich dachte mir, wir sollten einmal wieder alle zusammen verreisen, ich könnte mich nicht erinnern, wann wir das das letzte Mal getan haben."

"Mit Grace und ihren minderbemittelten Kindern zu verreisen...", ließ Tante Glenda schon wieder eine ihrer Gemeinheiten los, doch Lady Arista brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen.

"Ach, da haben wir ja Glück, das wir mit der schlauen Charlotte und dir verreisen dürfen !", funkelte ich Tante Glenda an.

Minderbemittelt, also wirklich! Manchmal musste ich ihr einfach Paroli bieten.

Doch Lady Arista strafte nun auch mich mit einem strengen Blick und sagte: " Wir wollen hier keinen Streit vom Zaun brechen, bevor wir überhaupt losgefahren sind."

"Wo geht's überhaupt hin? Und wie lange ?", fragte ich.

Da Tante Glenda wohl immer noch beleidigt war, antwortete nur Lady Arista.

"Cornwall, 3 Wochen."

Ich hatte zwar keine Lust, mit Charlotte und Glenda zu verreisen, aber Cornwall klang gut. Und Urlaub hatte ich auch schon ewig nicht mehr gemacht!

"Mr Bernhard ist auch zu Haus und wird dir Gesellschaft leisten. Außerdem habe ich Falk darum gebeten, ein Auge auf dich zu haben", fuhr Lady Arista fort.

Es traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht.

Ich konnte ja gar nicht verreisen. Nein, wegen dieses verdammten Zeitreise-Gens musste ich jeden Tag mindestens 3 Stunden elapsieren.

Ich konnte nie die Welt sehen, Nie aus Europa, aus England raus kommen!

"Mmh", erwiderte ich tonlos.

"Bestimmt leistet diese Leslie dir Gesellschaft", versuchte Lady Arista mich aufzuheitern.

"Ja, bestimmt. Ich muss dann auch mal hoch, mich umziehen", sagte ich und hastete die Treppe zu unserem Stockwerk unterm Dach hinauf, wobei ich fast mit Tante Maddy zusammenstieß.

"Oh, Entschuldigung, Tante Maddy!", rief ich.

"Alles in Ordnung, mein Herzchen", sagte sie lieb.

"Ich...muss hoch", sagte ich schnell und schlängelte mich an ihr vorbei die Treppe hoch, wobei mir dummerweise die Tränen kamen.

Jetzt bloß nicht Heulen!, ermahnte ich mich selbst, doch es half nichts.

"Hallo, Gwendolyn!" , hörte ich Mum bloß aus ihrem Zimmer rufen. Auch sie war dabei Koffer zu packen.

Wut und Enttäuschung stieg in mir auf, doch ich gönnte meiner Mum den Urlaub von ganzen Herzen. Sie hatte Urlaub verdient.

Endlich in meinem Zimmer angekommen, ließ ich meinen Tränen freien Lauf.

Es war einfach verdammt viel passiert in den letzten Tagen und ich vermisste meine Eltern mehr denn je.

Und dann noch diese erschütternde Nachricht gestern Abend.Wie hatte der Graf es bloß geschafft?

"Neeeiiin, nicht schon wieder der Zimmerbrunnen! Was hat der Kerl jetzt schon wieder getan?"

Xemerius kam hereingeflattert.

"Gideon hat nichts getan. Es ist bloß...Erschöpfung", kürzte ich die Sache ab, da ich weder Lust und Zeit hatte, dem Wasserspeierdämon alles noch einmal zu erzählen.

"Also könntest du mich bitte einfach in Ruhe schlafen lassen?" , fragte ich.

"Schlafen ?! Es ist erst halb sechs!", erwiderte Xemerius gekränkt.

"Ich bin in den letzten Tagen so viel in der Zeit gesprungen, ich habe kein Zeitgefühl mehr. Ich bin einfach nur müde. Jetzt", sagte ich nachdrücklicher.

"Ja, schon gut", sagte Xemerius und flog durchs geschlossene Fenster hinaus.

Ich seufzte, Glücklich über meine Ruhe, und wechselte meine Schuluniform gegen meinen Hello-Kitty-Pyjama.

Ich gähnte und fiel schon bald in einen Tiefen Schlaf.

Amethystviolett - Liebe geht durch alle ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt