10. März, 13:14 Uhr
„Endlich Schulschluss!" Augenrollend verlässt Jule mit ihrer besten Freundin Ina das graue Schulgebäude der Realschule, vor dessen Ausgang sie auf ihren Kumpel Matze treffen.
„Kommt Paul auch gleich?" fragt Jule und sieht Matze dabei hoffnungsvoll an.
„Jule" erwidert dieser seufzend „Paul kommt jeden Tag mit uns, also wird er wohl auch heute kommen."
„Habt ihr eigentlich endlich mal geredet?" mischt sich Ina ein und ihre Freundin erwartungsvoll an. Jule seufzt. Sie mag Paul und Paul mag sie, aber darüber geredet haben sie nie, weil sie immer zu viert unterwegs sind.„Hey," grinsend gesellt sich Paul zu ihnen „gehen wir?"
Jule, Ina, Matze und Paul wohnen im Nachbarsdorf, nur zwanzig Gehminuten von der Schule entfernt. Viele der Schüler fahren mit dem Bus oder wohnen direkt in Wemmeringen, dem kleinen Ort, in dem die einzige Realschule weit und breit liegt - die vier jedoch laufen lieber den Weg über die weiten Felder und Wiesen.Als sie die Dorfmitte durchqueren und durch die Straßen mit den Einfamilienhäusern schlendern, hält Matze plötzlich inne.
„Stinkmon Scheißele, na sowas! Gießt du Muttis Blumen?"
„Vielleicht solltest du lieber mal duschen, bevor die Blumen noch verblühen" ruft Ina hintendrein.
Simon Eisele, der im ganzen Ort und in den Dörfern drum herum seit Jahren als Stinkmon Scheißele bekannt ist, hebt nicht einmal den Kopf. Jule meint jedoch, seine Mundwinkel kurz nach unten Zucken zu sehen.
Seit vielen Schülergenerationen - genau genommen, seit Simon in den Kindergarten kam, wird er von allen Schülern der umliegenden Dörfer gemobbt.Jule sagt nichts, wenn sie ihn ärgern, sie macht jedoch nie mit.
Ihr Bruder Rafael hat früher Stunden damit verbracht, vor „Stinkmons" Haus zu sitzen und ihn zu triezen.
Simon und Rafael waren zusammen im Kindergarten und später dann in einer Klasse, und laut Rafael hatte Simon nicht eine einzige ruhige Minute.
Stumm zieht sie Matze und Ina weiter, doch Matze lässt es sich nicht nehmen, Simon noch ein gehässiges „Opfer" zuzuraunen.Nur wenig später erreichen die vier Hellsdorf, und verabschieden sich ohne große Worte in ihre jeweiligen Straßen.
Sie würden sich heute Nachmittag sowieso auf den Feldern treffen, die Hellsdorf und Wemmeringen miteinander verbinden, wie jeden Tag.10. März, 13:50 Uhr
„Jule? Hörst du mir zu?" Jule schreckt von ihrem Teller auf und schaut ihre Mutter schuldbewusst an.
„Entschuldige, was hast du gesagt? Ich war in Gedanken."
„Ich habe gefragt, ob mein Auflauf dir schmeckt, weil du darin so herumstocherst."
„Schmeckt wirklich gut" Jule schiebt sich eine voll beladene Gabel in den Mund „wirkliff lecka" „mit vollem Mund spricht man nicht!" ruft Lia mit ihrer Piepsestimme empört.
Jules Schwester ist erst acht und trotzdem das vorlauteste Kind aus ganz Hellsdorf, mit ihren blonden Löckchen und den rehbraunen Augen sieht sie viel unschuldiger aus, als sie ist.Kichernd nickt die große Schwester ihr zu „refft hafft du!"
DU LIEST GERADE
Amok
General Fiction„Morgen" brüllt Simon „morgen werdet ihr bereuen!" und dann rennt er querfeldein davon. Jule runzelt die Stirn „was meinte er denn damit?" „keine Ahnung" murmelt Matze „der Typ hat sie nicht mehr alle." Die Geschichte eines Amokläufers und wie er z...