14 | Jule

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15. März, 11:02 Uhr
Jule öffnet verschlafen die Augen und blickt sich verwirrt um.
Die weiße Wand gegenüber von ihrem Bett kommt ihr unbekannt vor, genauso wie die weiße Bettwäsche, in der sie liegt.

„Oh Gott sei Dank" Jule erkennt die Stimme ihrer Mutter „Jule Schatz, du bist wach!"
Das ausgemergelte Gesicht ihrer Mutter ist nass.
„Jule Jule Jule!" Lias hohe Stimme erhellt das Krankenhauszimmer und schließlich schafft es Jule, sich aufzusetzen.
„Du hast gaaaaanz lang geschlafen" kichert Lia.
Verwirrt sieht Jule zu ihrer Mutter, welche wortlos ihr Handydisplay vor Jules Gesicht hält.

15. März.

4 Tage.

Die Ereignisse des 11. März holen Jule rasend schnell ein, bevor sie wieder in einen tiefen Schlaf sinkt.

17. März, 12:04 Uhr
„Mistding!" flucht Jule „wieso geht das denn nicht?"
„Du musst die Bremse lösen, Schatz." Jules Mama seufzt und löst die Bremse aus Jules Rollstuhl.
Simons Kugel hat Jule ins Rückenmark getroffen und jetzt sind Jules Beine gelähmt, in zwei Wochen wird sie auf eine behindertengerechte Schule in der nächstgrößeren Stadt gehen.

„Deine Freunde sind unten, möchtest du zu ihnen gehen?" Jule nickt.
Ihre Mutter spannt den Rollstuhl auf den Treppenlift, der gestern eingebaut wurde und fährt sie damit nach unten.

Als Jule in die Küche rollt, starren Paul, Matze und Ina sie betroffen an.
Wie durch ein Wunder, war ihren Freunden nichts bei dem Amoklauf passiert.

Die dröhnende Stille zwischen den Freunden zeugt von Unsicherheit und als Jule die mitleidigen Blicke auf sich spürt, platzt ihr schließlich der Kragen.
„Schaut mich nicht so mitleidig an, ihr seid auch schuld daran!" ruft sie laut „ihr habt ihn geschlagen, beleidigt, Tag für Tag! Wir sind alle schuld, auch ich, denn ich habe weggesehen statt etwas zu tun."

Jules Freunde nicken. „Wir waren gestern bei Jona, du weißt schon" Ina zögert „Jona die Pickelfresse aus Wemmeringen."
Jule zieht eine Augenbraue nach oben „er hängt jetzt mit uns ab, eigentlich ist er ganz nett" wirft Paul ein.
Jule nickt. Jona wird bereits seit 4 Jahren gemobbt und sie ist stolz auf ihre Freunde, dass sie diesen Schritt getan haben.

Paul geht ein paar Schritte auf Jule zu und gibt ihr einen zögerlichen Kuss auf den Mund.
„Du weißt, dass du für immer unsere beste Freundin bist, oder?" fragt Matze vorsichtig und Ina nickt kräftig.
Jule fällt auf, dass Matze Inas Hand in seiner hält und nickt lächelnd.

Auf ihre Freunde ist Verlass, das weiß sie.

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