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Tia griff nach ihrem Handy und ihren Kopfhörern. Sie wollte ihre Gedanken durch die dröhnende Musik verdrängen und somit die Trauer in ihr unterdrücken. Gleichzeitig wollte sie weinen. Den Druck von ihrer Brust nehmen. Geplagt von innerer Unruhe begann sie, in ihrem Zimmer auf und ab zu laufen. Dabei starrte sie manchmal schwer durchatmend an die Zimmerdecke, mal folgte sie mit müden Augen den schwerfälligen Bewegungen ihrer Füße und mal er haschte sie einen Blick auf ihr Abbild, wenn sie an dem, ihr viel zu groß wirkenden Spiegel vorbei lief. Ihre Gedanken wanderten umher, so wie sie es selbst tat. Nicht nur in ihrem Zimmer, sondern in der Welt. Im Leben.

„Du verlierst dich."

„Nein, ich bin nicht verloren."

„Aber dir fehlt jeglicher Halt."

„Ich lebe noch. Das muss Halt genug sein."

„Aber wer lebt denn noch mit dir? Wer steht dir noch zur Seite?"

Tia blieb abrupt stehen, die Augen etwas aufgerissen und den Blick ins Nichts gerichtet. Ja, wen hatte sie denn eigentlich noch?

Diese Frage stellte sie sich keineswegs zum ersten Mal, doch sie verstand erst jetzt, was das eigentlich bedeutete. Vorher schien sie das in ihrem Tunnel aus Traurigkeit, Selbstmitleid und Verzweiflung nur so vor sich hin gesagt zu haben, doch es war tatsächlich eine berechtigte Frage. Rhea war weg. Ihre anderen „Freunde" meldeten sich nur noch, wenn sie etwas brauchten. Ihre besten Freunde wurden zu Fremden. Die Interessen und Meinungen gingen einfach in zu verschiedene Richtungen. Tia stellte sich das Ganze wie eine riesige Kreuzung vor, bei der jeder Weg in einer Sackgasse endet und einen dazu zwingt, einen anderen Weg zu nehmen, in der Hoffnung, dass dies die richtige Richtung ist. Wenn diese Hoffnung allerdings jedes Mal auf's Neue in einer Enttäuschung endet, fehlt einem irgendwann die Kraft, um es weiter zu versuchen. Vor allem, wenn die anderen einfach an der Kreuzung oder am Ende ihrer Wege stehen bleiben.

Ein wenig überwältigt von dieser Tatsache, kramte Tia eines ihrer Notizbücher aus einer Schublade unter ihrem Bett hervor. Ihr Körper fühlte sich an, als hätte man weitere Gewichte an ihren Gliedmaßen befestigt, um ihr langsam die Kräfte zu rauben und sie immer weiter auf den Boden zu zwingen. Sie lief zum Schreibtisch, zog den Stuhl etwas vor und legte das mit Stickern beklebte Notizbuch auf den Tisch, während sie sich hinsetzte. Daneben platzierte sie ihr Handy, die kleinen weißen Kopfhörer behielt sie weiter in ihren Ohren. Während sie in einer kleinen Kiste nach einem Stift wühlte, drückte sie die Sticker auf dem Buch wieder fester auf den schwarzen Umschlag. Von kleinen Katzen über Pflanzen und Abbilder von Emotionen oder kleinen Wolken war alles dabei. Die Ecken des Buches trugen ebenfalls ihre Gebrauchsspuren und zeigten, dass auch dieser Papierhaufen bereits so einiges überstanden hatte.

Tia öffnete das Buch, das wohl mehr über sie wusste als jeder Mensch in ihrem momentanen Umfeld. Sie lehnte sich darüber, stütze den Kopf auf ihrer Hand ab und suchte nach einer unbeschriebenen Seite. Sie erhoffte sich, ihre Gedanken sortieren zu können, dadurch Erleichterung zu spüren und Klarheit zu erlangen. Die Lautstärke ihrer Musik senkte sie ein wenig, um sich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was sie gleich zu Papier bringen würde. Aber womit sollte sie anfangen? Der Anfang fiel ihr nie sonderlich leicht, doch je mehr sie schrieb, desto fließender verließen die Gedanken ihren Kopf. Vieles kam Tia schlüssiger vor. Einiges galt für sie auch nicht mehr als erwähnenswert, als dass sie es hätte festhalten müssen. Sie wollte einfach befreit werden von den Fesseln ihrer selbst und begann nach einigen Überlegungen den Stift über das Papier zu führen.


17.Januar

Eigentlich habe ich gehofft, dass dieses Jahr besser wird als das letzte aber vielleicht sollte ich einfach aufhören, überhaupt auf irgendwen oder irgendwas zu hoffen. Zeiten verändern sich und mit ihnen verändern sich die Menschen. Und genau das erfahre ich momentan sehr gut. Ich bin dabei, 2 Menschen zu verlieren, die vor kurzem noch zu den Wichtigsten meines Lebens gehörten. Die mir geschworen haben, für immer bei mir zu bleiben. Eine weitere Person habe ich schon verloren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 07, 2019 ⏰

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