glauben Teil73

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Erst als Callum geendet hatte merkte er, wie zornig er war. Sein Atem ging schwer, seine Augen brannten und er war das alles so leid, er wollte nur nachhause. Und dieser Higgins sollte endlich aus dem Weg verschwinden, damit er Jeremy wieder sehen konnte. Und Rory und Roger.

„Danke, Mister Robinson. Keine weiteren Fragen." Die Richterin schaute ihn an.

Irgendwie rechnete Callum fast damit, dass man ihn jetzt selbst direkt verhaften würde, weil er das mit der Prostitution ja im Grunde zugegeben hatte, auch wenn er es so formuliert hatte, wie Alexander geraten hatte. Aber das geschah nicht, obwohl er „Schwanz" gesagt hatte.

„Sie sind aus dem Zeugenstand entlassen", setzte die Clarke jetzt hinzu und erst da verstand Callum und ging zurück auf seinen Platz. Jem schaute zu ihm, aber Cal war zu aufgewühlt, um dessen Blick richtig zu deuten. Hauptsache, er war da und Rory und Roger. Ein Gerichtsdiener kam an seinen Platz und stellte ihm ein Glas Wasser hin.

„Hier, Junge, trink was." Der Mann lächelte freundlich.

„Danke."

Callum trank das Glas in eins aus. Sein Hals war so angespannt, dass es beim Schlucken schmerzte, aber das Wasser würde helfen. Er schaute sich jetzt um, weil er nicht wusste, was als Nächstes käme, aber als sich Higgins zu Johnson und seiner starren Familie setzte, war es klar. Alexander würde jetzt sein Plädoyer halten. Er hatte dafür bereits eine stehende Position direkt bei den Mitgliedern der Jury eingenommen, mit Richterin im Rücken und so, dass er vor allem Callum, aber auch Johnson sehen konnte. Auf ein Zeichen der Richterin begann er mit klarer, deutlicher Stimme.

„Ladies und Gentlemen der Jury, wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir in diesem, unserem Land, dem Vereinten Königreich von Großbritannien und Nordirland daran glauben, dass es Rechte gibt, die einem Menschen, jedem Menschen, egal welcher Herkunft, welchen Alters, welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, welcher Religion oder welcher Lebensweise zustehen. Wenn sie verletzt werden oder im schlimmsten Fall auch der Mensch selbst verletzt wird, dann müssen andere Menschen für ihn handeln, ihn schützen. Das tun für gewöhnlich Anwälte, wie Sie sie heute hier im Saal sehen oder eben Menschen wie Sie selbst, Ladies und Gentlemen als die hier anwesenden Geschworenen. Menschen, die nach bestem Wissen und Gewissen Ihr Bestes geben, um im Sinne unsrer Gesetze zwischen rechtmäßig und unrechtmäßig, unschuldig oder schuldig, richtig oder falsch, gut oder schlecht entscheiden.

Mein Mandant und der Kläger in dieser Sache, Mister Callum Robinson, hat diese Überlegung und Entscheidung für sich selbst schon gefällt. Er hat entschieden, dass ihm eine Straftat widerfahren ist, dass ihm jemand Unrecht getan hat und dass dieser jemand sich dafür vor Gericht verantworten muss. Die Anzeige, die er gestellt hat, beschreibt nichts Geringeres als Vergewaltigung.

Sie werden vielleicht denken: Aber er hatte doch Glück, weil es zum Vollzug des Geschlechtsaktes gar nicht gekommen ist. Dann sage ich Ihnen, Sie haben die Fotos von den Verletzungen gesehen. Meinem Mandanten wurde Gewalt angetan.

Sie werden vielleicht denken: Wenn er auf der Straße gelebt und Drogen konsumiert hat, die er durch sexuelle Gefälligkeiten finanzieren musste, welchen Unterschied macht es da für ihn? Dann sage ich Ihnen, dass ein solcher Übergriff in einer äußerst fragilen Phase, gleich nach einem äußerst riskanten Entzug, der nur die Ernsthaftigkeit meines Mandanten unterstreicht, und in einer vollkommen neuen Lebenssituation mit einem liebevollen Partner, jeden nur erdenklichen Unterschied macht.

Sie werden vielleicht denken: Hat jemand wie mein Mandant, jemand, der sein eigenes Leben lange Zeit überhaupt nicht im Griff hatte, das Recht, jemanden wie Mister Johnson, einen Mann mit Familie, mit Frau und Kindern, mit einem ordentlichen Job und einem angemessenen Gehalt, anzuzeigen? Ihn einer Straftat zu bezichtigen? Dann sage ich Ihnen: Eine Straftat ist eine Straftat. Egal an wem sie begangen wird und egal von wem.

Sie haben Mister Robinson kennengelernt. Sie konnten sich ein Bild von Callum machen. Ist er ein Lügner, der einen harmlosen Angestellten in seinem Büro bestehlen wollte? Oder ist er ein junger Mann, der versucht das Richtige zu tun? Glauben Sie ihm, wenn er sagt: 'Ich musste gegen meinen Willen vor einem anderen Menschen in die Knie gehen, der mich niederschlug und mit Gewalt versuchte, mich auf seinem Schreibtisch zu vergewaltigen'?"

Wenn Sie ihm glauben, dann sprechen Sie Mister Johnson schuldig im Sinne der Anklage.

Wenn Sie ihm das noch immer nicht glauben, dann lassen Sie sich von ihm die Beschreibung geben, die er uns allen soeben versprochen hat."

Verführt, verirrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt