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„Warum das?", fragte Grace besorgt.
„Weil Sie Zeugin sind", antwortete der Officer unschuldig.
„Ja, also schön", antwortete sie etwas genervt.
Sie standen auf und gingen in einen ungestörten Raum. Zwar war es ein Hospital, aber die Polizisten hatten sich schon vorher einen Raum gesichert, das sah Grace auf Anhieb.
„Also, Miss Hallington, was haben Sie dort gemacht?", fragte der leitende Officer sie. Er musterte sie genau.
„Ich machte einen Spaziergang und hatte die Blutspur entdeckt. Also bin ich ihr gefolgt und habe meine Schwägerin dort gefunden", antwortete sie wahrheitsgemäß. Da sie nichts zu verbergen hatte, wollte sie auch erst einmal die Wahrheit sagen.
„Und dann? Was haben Sie danach getan?"
„Ich habe meine Hände auf die Wunde gedrückt, um die Blutung zurückzuhalten."
„Clever. Woher wissen Sie denn, dass das helfen soll?"
„Ich bin Ermittlerin bei der Police in Chicago. Ich ermittle gegen Mord und musste da schon öfters Leuten meine Hände auf deren Schusswunde drücken." Sie schien die Ruhe selbst, doch innerlich war sie aufgebracht. Als würde sie ihre eigene Schwägerin anschießen!
„Nun ja, das macht Sinn." Er räusperte sich nur. „Also, fürs Erste sollte das erst einmal genügen. Vielen Dank, Miss Hallington", fügte er dann nach einer kurzen Pause hinzu.
„Natürlich." Sie lächelte.
Er stand auf und sein Kollege und Grace taten es ihm gleich.Die Erwähnung ihres Jobs als Ermittlerin, hatte sie wohl ziemlich aus der Schussbahn gezogen, weshalb die beiden das Gespräch so schnell abbrachen. Das vermutete Grace zumindest.
Die beiden Officer bedeuteten ihr hinauszugehen und kamen hinterher. Beide zogen ihren Hut. „Wir hören wieder voneinander", verabschiedete sich der leitende Ermittler.
„Aber natürlich. Ich hätte von Ihnen auch nichts anderes erwartet", entgegnete sie höflich, aber bestimmt.
Denn sie war sich sicher, dass sie noch von den beiden hören würde.*
„Du meinst, sie haben dir das unterstellt?" Robert war außer sich vor Zorn.
„Nun ja, indirekt." Grace hatte ihm alles erzählt auf dem Nachhauseweg vom Hospital in die Wohnung zurück. Es war mittlerweile später Abend und beide saßen auf dem Sofa.„Aber dennoch. Wieso? Du hast Audrey geholfen und ihr das Leben gerettet." Er nahm einen Schluck seines Cherrys. Abends war dies sein Ritual, wobei er heute womöglich zwei benötigen würde.
Grace tippte nervös mit ihren Fingern auf der Sofalehne umher. „Ich fühle mich schrecklich schuldig...", murmelte sie leise. Dabei sah sie auf den Boden.
„Wieso denn das?"
„Ich weiß es nicht. Ich fühle mich einfach schrecklich und nicht, als hätte ich jemandem das Leben gerettet." Ihre Stimme klang spöttisch zu sich selbst. Jede Sekunde über fürchtete sie, es würde an der Tür klingeln und sie müsste mit auf das Revier kommen.

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Brother #ColourAward18
Mystery / ThrillerChicago 1947. Mord. Liebe. Eifersucht. Ein weiterer Mordfall wurde Grace Hallington zugeteilt. Doch der macht es ihr ziemlich zu schaffen. Zudem kommt noch, dass ihr alter Schulfreund und Verdächtiger sie verführen möchte. Und dann ist da noch ihr...