Bald würden die Sommerferien beginnen. Mae hasste es jetzt schon. Sie war fast den ganzen Tag in der Schule. Ihre Großeltern hinterfragten glücklicherweise nicht ihren Stundenplan.
Das Mobbing hatte in den letzten zwei Jahren nachgelassen, eigentlich seitdem sie im Unterricht einen Film über Amish gesehen hatten. Ihre Kleidung, dass sie aus Amerika kam, das und ihre stille Art, hatte dazu beigetragen, dass man vermutete, sie würde zu einer strengen Glaubensgemeinschaft gehören. Manchmal stellte sich Mae vor, was wäre, wenn ihre Mitschüler wüssten, dass ihr Großvater ein Dämonendiener war. Einer, der Gefallen einfordern konnte. Sie musste vorsichtig sein, zu keinem Menschen durfte sie eine Beziehung aufbauen.
Das Einzige, was sie durchhalten ließ, waren die Freistunden, in denen sie frei im Netz surfen konnte. In denen sie nachschauen konnte, wie es ihrer Familie in Amerika ging. Ihrem Vater, der sie sicher schon abgeschrieben hatte.
"Willst du nicht nach Hause?", ihr Informatiklehrer schaute sie überrascht an. "Die letzten zwei Stunden fallen aus!"
Mae wollte nicht, aber hr fiel keine Ausrede ein. Sie war zu früh daheim. Ihre Großmutter schaute sie misstrauisch an, schickte sie dann aber in den Keller um Kartoffeln zu holen. Eine Aufgabe, die sie selten bekam, meist war der Keller tabu. Während sie die Knollen in die Trage sortierte, hörte sie ein leises Stöhnen. Vorsichtig richtete sie sich auf. War da jemand? Wieder hörte sie es, ein Weinen, wie von einem Kind. Es schien aus dem Wäschekeller zu kommen. Ob sich eine Katze darein verirrt hatte? Leise schlich sie zu dem Raum, den sie eigentlich nur mit Brunhilde betreten durfte, um Wäsche hochzuholen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, doch keine Katze kam ihr entgegen. Auf dem Boden wand sich eine gefesselte junge Frau. Mae eilte zu ihr und entfernte erst einmal den Knebel."Hilf mir, bitte hilf mir!" In den Augen der Gefesselten standen Tränen. Mae blickte sich um, sie waren allein. Großmutter war im Garten, der Alte nicht im Haus. Vorsichtig löste sie die Fesseln. "Danke, du rettest mein Leben!", whisperte die Frau.
"Sei leise, es muss so aussehen, als hättest du dich selbst befreit, raunte Mae und half der Frau auf. Die Fesseln ließ sie am Boden liegen. Mae schloss die Tür zum Waschkeller. Vorsichtig liefen sie zurück in den Kartoffelkeller.
"Ich schaue nach ob der Weg frei ist. Dann verschwindest du am besten über den Hintereingang. Laufe rechts die Büsche entlang, bis du zum nächsten Grundstück kommst, von da ist es nicht weit zur Straße."
"Ich brauche meinen Rucksack!"
Mae schaute sich um. Neben der Kellertreppe stand ein Mülleimer. Unter Altpapier vergraben, war ein grauer Sack. "Ist es der?", flüsterte sie. Die Frau nickte. Mae nahm ihre Trage und ging nach oben. Brunhilde schien noch im Garten zu sein. Sie bedeutete der Anderen nach oben zu kommen. "Ich habe Durst" stöhnte diese. Mae füllte ein Wasserglas in der Küche.
"Hast du die Kartoffeln?", rief ihre Großmutter vom Flur. Wie war sie so schnell aus dem Garten in den Flur gekommen?
"Ja, schon angefangen zu schälen!", log sie. Die Augen der Befreiten waren vor Angst geweitet. Mae hielt den Finger vor den Mund und hoffte, dass Brunhilde nicht in die Küche kam.
"Schäle nicht so dick", rief diese nur. "Ich hole Fleisch, beile dich!" Eine Tür schlug zu. Mae und die junge Frau atmeten erleichtert aus. "Folge mir", flüsterte Mae der anderen zu und geleitete sie zur Hintertür. "Sei so leise du kannst und vorsichtig! " Die andere nickte und verschwand in die gezeigte Richtung, nachdem sie Mae kurz umarmt hatte. Mae ging zurück und begann hastig die Kartoffeln zu schälen."Mein Gott, wie langsam du bist!" Ihre Großmutter warf ein kopfloses Huhn auf den Küchentisch. "Mach das fertig."
Mae nahm das Huhn aus und bereitete den Braten vor. Sie schob das Gericht gerade in den Ofen, als ihr Großvater erschien. Wie immer ignorierte er sie. Er hatte zwei tote Katzen bei sich. Mae war froh, dass er die Zubereitung dieser Tiere immer selbst übernahm. Heute würde er wieder Besuch bekommen, sie hoffte inständig, dass sie bis dahin in ihre Kammer gehen konnte.
Während ihre Großeltern das Essen verspeisten, dass sie zubereitet hatte, säuberte sie die Küche. Sie fühlte sich beobachtet von den leeren Augen der Katzen, die mit abgezogenem Fell auf einem silbernem Tablett lagen. Ihr Herz blutete bei dem Gedanken, dass der Alte die Tiere angelockt und erlegt hatte. Sie hoffte, dass er es wenigstens schnell getan und die Armen nicht hatten leiden mussten. Auf dem Tisch standen Reste von gestern, ihr Essen. Sie schmiss es in den Kübel für die Schweine.
Als sie endlich in ihrer Kammer war, hörte sie den Alten toben. Ihr wurde kalt. Sie dachte an die Frau im Keller. Hatte er entdeckt, dass sie weg war?
"Komm runter", Brunhild stand in der Tür ihrer Kammer. Beeile dich! "Nein, nicht anziehen, so wie du bist!"
Ängstlich folgte Mae ihrer Großmutter."Ich hatte so ein wunderbares Opfer", hörte Mae den Alten im Wohnzimmer jammern. "Sie muss sich befreit haben, ich weiß nicht wie ihr das gelingen konnte! Ich besorge eine Neue!"
Was für ein Glück! Er hatte sie nicht in Verdacht. Mae atmete erleichtert aus, als Brunhilde die Tür öffnete und sie in den Raum stieß. Das Wesen darin, das ihren Großvater im Griff seiner Klauen hielt, ließ von ihm ab und starrte sie an."Bitte, tut uns nichts!", Brunhilde warf sich auf den Boden. "Wir besorgen eine Neue, nehmt diese als Entschuldigung!"
Das Wesen schwebte auf Mae zu, die ihre Augen verschloß, während die Albtraumgestalt sie beschnüffelte. "Ich nehme diese als Ersatz. Und damit ist unser Verhältnis beendet."
"Nein, bitte, wir besorgen dir so viele du willst, behalte die und nehmt weitere!", heulte Brunhilde. "Sie ist unsere eigene Enkelin. Wir geben sie Euch gern, aber bitte gewährt uns weiter eure Gnade!"
"Seid froh, dass ich euch nicht töte", grollte das Wesen. Mae schaute auf ihre Großeltern, sie lagen am Boden, ihre Gesichter waren verzerrt, sie sahen um Jahre gealtert aus. Dann verblasste die Welt um sie herum und sie fand sich in einem dunklen Gewölbe wieder. Das Wesen, das sie mitgenommen hatte, schob sie in einen weißgekalkten Raum ohne Fenster. Auf einem Tisch standen Kerzenleuchter, in einer Ecke stand ein Bett, daneben ein Stuhl. Auf dem Stuhl lag ein dunkles Bündel. "Zieh dich um, ich hole dich später!" Die Tür schloss sich, das Monster war verschwunden.
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Blutopfer
VampireMae Thompson ist nach der Scheidung der Eltern mit ihrer Mutter zurück nach Deutschland gezogen. Im Haus der Großeltern ist sie mehr oder weniger geduldet, einzig in ihrer Schule ist sie frei, doch das ändert sich als sie 15 wird. Ihre Großeltern ha...