In late nights, I can't help but wander,
wander barefoot in my thoughts.
And I Always arrive at the same destination,
the very same thought:
"better Things must await me." - faraway
Song: House
By: Joshua Moss
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"Ist wirklich alles okay bei dir?"
Ich schloss meine Augen. Seit ungefähr drei Stunden saß ich im Bad hinter verschlossener Tür, lehnte an der Badewanne und sah in den Spiegel. Die Person mit der blassen Haut und den Haselnuss-braunen Haaren, die mich aus leeren Augen anstarrte, war nicht ich.
Vielmehr kam mir mein Spiegelbild vor wie ein entfernter Bekannter, den ich nur selten mit flüchtigen Blicken begrüßt hatte, aber nicht wirklich kannte. Ich brauchte einen Moment, um zu verarbeiten, dass sich sowohl meine Hände als auch die meines Spiegelbildes hoben, wenn ich mich darauf konzentrierte.
Das war nicht ich.
Es fühlte sich an wie ein Fremdkörper, über den ich keine Macht hatte. Ich war ein wortloser Zuschauer meines Lebens und kannte das Skript nicht.
Meine Mutter war dem Ächzen der alten Holztreppe nach zu urteilen wieder nach unten gegangen und hatte den Fernseher eingeschaltet.
Wie konnte ein einziger Mensch so viel Schaden anrichten?
In den Nachrichten erzählten sie etwas von Terroranschlägen, Vergewaltigungen und Mord.
Der einzige Unterschied zwischen mir und diesen Menschen war, dass diese ein Ziel vor Augen hatten, als sie die Straftat begingen. Ich hatte einfach vor mich hingelebt und erst bemerkt, welche Zerstörung ich angerichtet hatte, als es zu spät war.
Die leeren Augen meines Spiegelbildes lachten, als würden sie mich verspotten.
Wie hatte ich auch so dumm sein können, die ganze Zeit über ahnungslos, dass ich allen Menschen um mich herum schadete? Wie eine Schwarze Mamba, deren Gift sich langsam in den Nervenbahnen ausbreitete, zu Lähmungen und zum Koma führte, bis manche ihrer Opfer letztendlich starben.
Als ich von der Schule gekommen war, hatte ich meine Mutter gebeten, mir weiße Haarfarbe mitzubringen. Nachdem ich diverse Farbentzugsmittel in meine Haare geschmiert und sie anschließend blondiert hatte, öffnete ich die Packung, holte die kleine Tube hervor und verteilte die klebrige weiße Masse sorgfältig in meinen Haaren.
Weiß würde passen. Alles war besser als dieses verdammte Haselnussbraun.
Weiß war ein Neuanfang, weiß war leer, weiß war nichts.
Eine halbe Stunde später stieg ich unter die Dusche, lies meine Haare an der Luft trocknen und betrachtete mich erneut im Spiegel.
In leichten Wellen fielen mir weiße Strähnen ins Gesicht und ich nickte meinem Spiegelbild kaum merklich zu. Eine Gefühlswelle des Sieges überkam mich, verebbte aber wieder, als mich die leeren Augen meines Gegenübers immer noch spöttisch ansahen.
So als wüssten sie etwas, das vollkommen offensichtlich war und ich, so naiv wie ich war, noch nicht erkannt hatte.
Ich öffnete ein Fenster, woraufhin sich der Dunst langsam auflöste und verlies das Bad, ohne noch einmal in den Spiegel zu sehen.
Meiner Mutter entglitten jegliche Gesichtszüge, als sie mich sah.
Nach Fassung ringend räusperte sie sich. "Es ist mal was Anderes", sagte sie und versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln.
Ich nickte. "Es ist mal was Anderes."
Ich zog meinen blauen Norweger-Pullover an, packte einen kleinen Rucksack und band meine Haare zu einem unordentlichen Dutt, bevor ich in die Nacht heraustrat und zum See lief.
Ich fühlte mich ein wenig fehl am Platz, als das Laub unter meinen Schuhen raschelte, und damit die Stille zerriss, die in dieser Nacht den Wald umgab. Der zunehmende Mond stand bereits hoch am Himmel, in Form einer schmalen Sichel.
Dieses mal lief ich zu einer Einbuchtung des Sees, von der Ich bis jetzt nur die Umrisse gesehen hatte.
Vor mir befand sich ein Holzsteg, der einige Meter auf das Wasser hinaus führte. Vorsichtig lief ich bis zum Ende, holte meine Kopfhörer und eine Wolldecke aus dem Rucksack hervor und legte mich mit angewinkelten Beinen auf den Rücken.
"This house is hard without you here
It's a lot less like home"
Ich sang leise im Duett mit Joshua Moss und starrte in den Himmel. Direkt über mir befand sich Orion, umringt von Perseus und Andromeda. Irgendwie hatte ich schon immer eine Faszination für Andromeda und ihre Liebesgeschichte mit Perseus gehabt.
"The rooms are cold
The halls are quiet
It's a lot less like home
I sit upon the roof alone and think of you right here"
Ich nahm mein Notizbuch hervor und blätterte darin. Meistens kritzelte ich sinnlose Skizzen, schrieb Buchzitate auf oder zeichnete Konstellationen von Sternenbildern. Ich hielt das Buch über meinen Kopf, zeichnete die Andromeda und Perseus auf, und begann zu schreiben:
Als die Königin von Äthiopien prahlte, sie sei schöner als die Meeresnymphen, erzürnten diese und beschwerten sich bei Poseidon. Der Meeresgott sandte daraufhin ein Ungeheuer aus, das weite Teile der Küsten Äthiopiens verwüstete. Ein Orakel warnte den König, er könne sein Reich nur retten, wenn er seine Tochter Andromeda dem Ungeheuer opferte, woraufhin er sie an einen Felsen ketten lies. Als Perseus nach Äthiopien kam und Andromeda sah, verliebte er sich auf den ersten Blick in sie und handelte mit ihren Eltern aus, sie heiraten zu dürfen, wenn er das Ungeheuer tötete. Daraufhin versteinerte er das Seeungeheuer mit dem Kopf Medusas und heiratete die befreite Andromeda.
Ich legte das Notizbuch beiseite und merkte, wie Gedanken in mir aufkeimten, die noch dunkler als der fast mondlose Nachthimmel waren. "Nichts jetzt", ermahnte ich mich innerlich und konzentrierte mich wieder auf die Musik.
"Driving sucks, I never laugh like I did when you were here
It gets so difficult late at night when I can't see your face
Torn not to think about everything that I wish would Change"
Ich verstummte, als plötzlich ein lautes Knacken die Stille durchbrach.
Ruckartig setzte mich auf und suchte die Umgebung nach der Geräuschquelle ab, wobei mich das Gefühl, beobachtet zu werden, nicht loslies.
Als ich nach ein paar Minuten immer noch nichts in der Dunkelheit ausfindig machen konnte, packte ich eilig meinen Rucksack und lief ohne mich noch ein einziges mal umzusehen zu meinem Haus zurück.
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Herbstmädchen
Teen Fiction„Das Leben ist so ermüdend, es besteht doch einfach nur aus Warten. Wir warten auf den richtigen Moment, den richtigen Menschen und darauf, dass wir irgendwann schon glücklich werden." „Du denkst zu viel, Herbstmädchen. Gib nicht auf, Ok?", sein Läc...